So langsam aber sicher schreitete der Abend voran. So schlimm wie ich befürchtete war es gar nicht. Die Halle war ziemlich groß, ich konnte problemlos alleine hin und her laufen ohne das es jemanden auffiel, wenn Lennard die Leute zusabbelte. Gerade als ich mir ein neues Glas Rotwein bestellt hatte, wurde die Tanzfläche eröffnet. Belustigt sah ich zu und lachte über Jenny, die schon bald ungewollt von Marcel mitgerissen wurde. Ein Glück, dass ich nicht tanzen musste. Obwohl ich es liebte hatte ich auf dieser Veranstaltung so gar keine Lust darauf. Wie von selbst schweifte mein Blick über die Tanzfläche und hielt Ausschau nach Blondie. Weit und breit war er nicht zu sehen. Es beruhigte mich ein wenig. Ich nahm einen ordentlichen Schluck aus meinem Glas, da wurde ich zum zweiten Mal an diesem Abend von hinten auf der Schulter angetippt. Man, war das irgendwie so ein Ding in Dortmund? Sehr abrupt drehte ich mich um und konnte mich gerade so retten, vor der Flut meines eigenen Rotweins ertränkt zu werden. Nachdem ich das Glas so jonglierte, dass kein Tropfen des edlen Getränks verloren ging, schaute ich zum Übeltäter hoch. "Marco" murmelte ich relativ unbegeistert, während er mich breit grinste. "Du siehst toll aus." sagte er leise. Ich unterdrückte das Bedürfnis, meine Stirn zu runzeln und bedankte mich natürlich brav bei ihm. Als ich dann meine Aufmerksamkeit wieder den Tanzenden schenkte, stellte er sich neben mich und verschränkte seine Arme vor der Brust: "Hast du auch Lust zu tanzen?" fragte er mich plötzlich völlig aus der Luft gegriffen. Ich schaute ihn irritiert an, doch bevor ich etwas sagen konnte, hielt er mir schon seine Hand entgegen. Schon wieder schaute ich zu ihm hoch und warf ihm einen überraschten Blick zu: "Ach ne, frag doch deine Freundin.","Scarlett ist nicht mehr da." antwortete er leise mit einem Schulterzucken. Meine Augenbrauen schossen in die Höhe: "Ach und ich bin jetzt dein Notnagel oder was?","Nein, ich wollte dich den ganzen Abend schon fragen. Ich wusste nicht, dass heute schon so früh getanzt wird. Komm schon! Ich kann gut tanzen." zwinkerte er mir zu und bot mir noch einmal seine Hand an. Gerade als ich verneinend meine eigenen Hände hob, griff er nach meinem Rotweinglas und drückte es einer Person neben uns in die Hand, bevor er meine rechte Hand mit seiner linken umschloss und mich auf die Tanzfläche zog. Die Menschen um uns herum staunten nicht schlecht und ich hatte das Gefühl, bei jedem meiner Schritte verurteilt zu werden. Irritiert ließ ich mich dennoch von ihm führen und hörte nur im Hintergrund, dass der DJ sogar extra ankündigte, dass nun auch endlich der "Capitano" auf der Tanzfläche auftauchte. Super, jetzt lagen alle Augen auf ihm und zwanghaft auch auf mir. Sogar die anderen um uns herum bildeten eine Art Halbkreis und ließen uns tanzen. Um ehrlich zu sein liebte ich es zu tanzen und hätte niemals gedacht, dass er es so gut konnte, aber so im Mittelpunkt zu stehen das mochte ich nicht. Er führte mich trotzdem perfekt, drehte mich über die Tanzfläche bis ich dachte, der Wein käme in mir hoch, nur um mich danach wieder ganz nah an sich heran zuziehen. "So wie du grinst hast du doch nur darauf gewartet, bis sich jemand traut dich um einen Tanz zu bitten." flüsterte er mir dann zu. Ich sah mich kurz um, während ich mir nachdenklich auf meine Unterlippe biss. So langsam tanzten auch die anderen wieder und ich fühlte mich ein wenig wohler. Danach wanderte mein Blick wieder in seine grün-braunen Augen. Die ganze Zeit hatte er mich beobachtet. "Ich tanze gerne." antwortete ich also, damit sein erwartungsvoller Blick ein Ende nahm. Dann verschränkte ich meine Arme einfach so hinter seinen Hals. Wir tanzten etwas langsamer als zuvor. Schon wieder lächelte er mich an: "Das habe ich gemerkt.","Warum meinst du jemand muss sich trauen mich um einen Tanz zu bitten?" fragte ich dann, nachdem ich seine Worte in meinem Kopf rekapitulieren ließ. Daraufhin schaute er amüsiert zu Boden nur um mir danach ernst in meine braunen Augen zu schauen. Er räusperte sich kurz: "Naja, du wirkst so unerreichbar. Als Mann braucht man schon ein wenig Mut, um dich so etwas zu fragen und deinem kritischen Blick stand zu halten." erklärte er mir selbstbewusst. Damit entlockte er mir mehr als nur ein Lächeln. Trotzdem schwirrten so unglaublich viele Fragen in meinem Kopf herum. Am liebsten hätte ich ihn gefragt was das alles sollte. Wieso er mit seiner Freundin hier auftauchte, oder Exfreundin wenn man Jennys Aussagen betrachtete, aber ständig so offensiv mit mir flirtete. Oder flirtete er gar nicht mit mir und ich bildete mir das alles langsam ein, weil ich Angst davor hatte, dass er es tatsächlich tat? Ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären was er von mir wollte und warum ich mich ausgerechnet auch noch gut dabei fühlte. Dennoch - ich war niemand der sowas zuließ solange da noch ungeklärte Verhältnisse mit Blondchen zu sein schien, so sehr ich sie auch nicht leiden konnte. Aber vielleicht reagierte ich auch nur über. Ich wusste, ich konnte ihm all diese Fragen nicht stellen, ich würde mich total blamieren und das konnte ich mir nicht leisten. Zu oft müsste ich ihn sehen wegen Lennard sehen. Ich hatte erst letztens noch gelesen, dass so etwas eh nie gut ging. Ich interpretierte viel zu viel in seine Worte hinein. Endlich hörte das Lied auf. Sofort ließ ich von ihm ab, würdigte ihn keines Blickes mehr um die Scharm meiner Gedanken zu verstecken und machte mich auf den Weg durch die Menge, um zu den Toiletten zu gelangen. "Habe ich etwas falsches gesagt?" fragte Marco plötzlich, nachdem er mich einholte und nach meiner Hand griff um mich aufzuhalten. Ich schüttelte den Kopf und befreite meine Hand aus seinem lockeren Griff. "Ich fühle mich gerade nicht so gut, sorry." murmelte ich bloß und verschwand mit dieser Lüge auf der Toilette. Schnell schloss ich mich in eine der Kabinen ein und setzte mich auf den geschlossenen Toilettendeckel. "Okay" murmelte ich leise zu mir selbst: "Es ist alles gut, beruhige dich." Ich raufte mir die Haare und fuhr mir durch das Gesicht. Dieser Abend stieg mir eindeutig zu Kopf. Ich wusste nicht was es war, aber ich fühlte mich hundeelend.

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Schmetterlingseffekt
FanfictionKann man alles einfach so stehen und liegen lassen für die Profikarriere des eigenen Bruders? Genau dafür entscheiden sich die 26-Jährige Yve Kühnert und ihre Familie. Obwohl sie in ihrem Alter schon für sich selbst sorgt lässt sie gemeinsam mit ihr...