29.

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"Komm lass uns endlich nach Hause fahren." murmelte ich irgendwann als ich schon gar nicht mehr nach dem Auto meiner Mutter ausschau hielt und mehr in den Seilen hing während ich mir diese unschöne Gegend einprägte. Ich rümpfte meine Nase, als könnte ich den Geruch der Gegend durchs Auto riechen. Naja, wenigstens vorstellen konnte ich ihr mir. "Nix da. Ich habe im Gefühl, dass wir weiter suchen sollten." erwiderte Jenny ernst und fuhr entgegen meiner Bitte weiter. Stirnrunzelnd sah ich ihr dabei zu. Ehe ich etwas sagen konnte, das gegen ihre Idee sprach, ging sie rücksichtslos in die Eisen. Nachdem ich von der Bremsung nach vorne gezogen wurde und daraufhin wieder in den Sitz zurück knallte, schaute ich sie verblüfft an: "Was hast du?" fragte ich schon fast verunsichert. mein Herz klopfte wie verrückt in meiner Brust. "Da ist es." murmelte Jenny ganz leise. Ich rutschte so nah an sie heran, dass ich schon fast auf ihrem Schoß lag und schaute in die selbe Richtung wie sie es tat. Hinter einigen anderen Autos versteckt, stand der dunkelblaue Golf meiner Mutter auf dem Parkplatz eines- "ein Bordell?" komplettierte Jenny meine Überlegungen, als hätte sie genau die selben gehabt. Aus meinem Gesicht fielen alle Emotionen durch diesen Schock. "Nein- d-da-das kann nicht sein." stammelte ich leise, während mein Hirn überfordert versuchte die Informationen zu verarbeiten, die meine Augen gerade weiterleiteten. "Äh, das muss ja nichts heißen." versuchte Jenny mich zu beschwichtigen: "Sie kann doch auch nur hier geparkt haben. Guck mal. Dort drüben ist ein Nagelstudio." Doch sie konnte mich nicht beschwichtigen. Jeder Mensch würde woanders parken, als auf dem Parkplatz eines Bordells. Vor allem meine Mutter, die sich ständig Gedanken machte, was andere über sie denken. Hinterher würde jemand ihr Auto hier stehen sehen und es herum posaunen. Es konnte also gar kein Zufall sei, dass sie dort stand. Für mich war soeben eine kleine Welt zusammengebrochen. Aber das schlimmste war; es machte irgendwie alles Sinn. Das ständige Unterwegssein bis früh in die Morgenstunden- alles so aufgetakelt. Hohe Schuhe, die schon an der Grenze waren an ein gewisses Etablissement zu erinnern, dazu diese ganzen Klamotten auf dem Boden letztens. Aber meine Mutter? Eine Prostituierte? Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Am liebsten hätte ich mich vor Ekel übergeben. Jenny wusste natürlich, dass ich kurz vorm platzen war und streichelte mir über das Haar, da ich immer noch in meiner Position verharrte: "Seit dem Lennard beim BVB ist habt ihr doch keine finanziellen Sorgen mehr oder?" fragte sie vorsichtig. Ich schüttelte vehement den Kopf und seufzte: "Lennard hat meiner Mutter sogar angeboten, dass er sie versorgt mit seinem Gehalt und mir wollte er ein Studium finanzieren." erklärte ich. Sie nickte. "Aber sie hat immer gesagt, sie will für sich selbst sorgen, das hätte sie immer gemacht. Aber so? Sowas macht man doch nicht freiwillig!","Ich kann dir auch nicht sagen, warum sie das macht, Süße." murmelte Jenny. "Dann lass uns jetzt endlich fahren." sagte ich genervt: "Ich will keine Sekunde länger hier bleiben." und endlich fuhren wir in Richtung sicheres Terrain. Ich verabschiedete mich von Jenny, dankte ihr und dachte über die letzten Monate nach während ich die Haustür aufschloss. Das konnte doch nicht sein, dass man sich so sehr auseinanderlebt, während man unter einem Dach lebte. Meine Mutter und ich waren eigentlich immer wie beste Freundinnen. Ich habe doch nicht meine ganze Bildung aufgegeben, damit sie im Puff ihr Unwesen treibt. Wie sollte ich das denn bitte Lennard erklären? Der sah doch direkt wenn ich etwas für mich behielt. 
Ich konnte nicht länger in der Wohnung bleiben. Ich fühlte mich einfach zu erdrückt von meinen Gedanken. Also ging ich eher zur Arbeit als ich eigentlich musste. Dort ging es mir zwar nicht wirklich besser, aber immerhin konnte ich mich so ein wenig ablenken. Auf meiner stinknormalen Arbeit. 
Diese Ablenkung war nach acht Stunden dann aber leider auch wieder vorbei. Ich schlenderte extra lange durch die Fußgängerzone, bis ich eine kleine neue Cocktailbar entdeckte. Schulterzuckend stand ich davor und beschloss mich dazu hinein zu gehen. So einen Cocktail oder zwei könnte ich jetzt gut gebrauchen. Ich setzte mich ohne ein Wort an die Bar, die relativ gut besucht war. Vielleicht wurden aus ein zwei Cocktails daraufhin, vier oder fünf. Wenigstens war mein Kopf jetzt voller dummer Gedanken anstatt den Gedanken, die ich mir ununterbrochen über meine Mutter machte. "Ich hätte gerne noch einen." bat ich den Typen hinter der Bar und drehte mein leeres Mojitoglas im Licht. "Sind sie sich sicher?" fragte er plötzlich ungläubig. Ich zuckte unbekümmert mit den Achseln und nickte. Was war das denn für einer? Der sollte sich eher über den Umsatz freuen den der Laden durch mich heute machte. Mein Smartphone, das auf dem Tresen lag, vibrierte vor sich hin. Gerade, als ich ohne auf den Anrufer zu blinzeln auf den roten Hörer drücken wollte, nahm der Barkeeper einfach so mein Smartphone vom Tisch und nahm das Telefonat an. "Hallo, ich kenne sie zwar nicht, aber sie müssen diese Frau unbedingt abholen, bevor sie sich in Alkohol ertrinkt." war das einzige was ich noch hörte bevor ich meinen Kopf auf den Tresen knallen ließ. Wie dreist war der denn? Lallte ich in Gedanken vor mich hin. "Sie werden gleich abgeholt. In der Zeit gebe ich ihnen ein Wasser aus." lächelte der Kerl mir zu, als ich mich eher weniger gut besonnen wieder aufrichtete und ihn anblickte. Ich nickte einfach nur. Er legte mein Smartphone vorsichtig wieder zu mir auf den Tresen. Das Glas Wasser trank ich in einem Zug leer. So langsam musste ich zugeben, dass es wahrscheinlich eher eine schlechte Idee war so viel zu trinken. Ich konnte kaum richtig sehen und mein Hirn schien auch nur noch auf Sparflamme zu arbeiten. Was war das bloß für ein verrückter Tag heute. So etwas hatte ich ja noch nie gemacht. Ich fühlte mich ganz schlecht. Vielleicht sollte ich mit sowas eher aufpassen, um nicht noch so zu enden wie mein Alkoholiker-Vater. Dann läutete die Türglocke und die Eingangstür sprang auf. "Abholservice!" hörte ich bloß kurz darauf.

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