Zuhause angekommen ließ mich dieser verdammte Kuss einfach nicht los. Es war nur ein Kuss, beruhigte ich mich immer wieder. Viel zu kurz war die Zeit, in der ich Marco kennen lernen konnte, um Gefühle zu entwickeln, dachte ich mir. Ich stand also eine Zeit lang vor dem Zimmer meines kleinen Bruders und grübelte darüber, wie ich ihm alles erklären konnte, damit er mir verzieh. Dreimal versuchte ich mich dazu zu überwinden, an seine Tür zu klopfen bis ich es dann beim vierten Mal endlich schaffte. "Ja!" kam die leicht aggressive Antwort, die mich zusammen zucken ließ. Vorsichtig öffnete ich seine Zimmertür und lehnte mich an den Türrahmen. "Was möchtest du?" murmelte er sauer. Er saß wie immer verzweifelnd über seinen Mathe Hausaufgaben und raufte sich die Haare. Ich konnte mir vorstellen, dass der Profifußball und die Schule gemeinsam echt anstrengend waren. Ich setzte mich also neben ihm auf einem kleinen Hocker der neben seinem Schreibtisch stand und schaute mir die Aufgaben an: "Soll ich dir helfen?" fragte ich wieder vorsichtig. Er warf mir einen skeptischen, beinahe unsicheren Blick zu, willigte dann aber nach wenigen Sekunden ein - das erste Eis schien gebrochen zu sein zwischen uns.
"Ich verstehe gar nicht wie du so ein As in Mathe sein kannst, Yve." grinste Lennard also nach einer halben Stunde voller Exponentialfunktionen und Tangentengleichungen. "Tja, irgendwas muss ich ja können." sagte ich bloß leise und räumte den Kugelschreiber zurück in sein Etui. "Ich frage mich immer noch warum du mit deinem Notendurchschnitt im Abitur nicht studiert hast.","Weil ich Mama helfen wollte und sie so finanziell unterstützen konnte.","Aber das kann ich doch jetzt. Ich kann auch dich unterstützen und dir die Unibeiträge bezahlen. Ich merke doch das du dich hier in diesem Sportshop nicht wohl fühlst.","Solche Worte von dir obwohl ich deine halbe Mannschaft durch vögele." murmelte ich daraufhin sauer. Lennard seufzte: "Es tut mir leid, ich war wohl ein wenig zu impulsiv. Du weißt, dass mir bewusst ist, dass du nicht so eine bist und wenn du mit Marco gl-","Halt! Nein, ich will gar nichts von ihm. Er hat mich überraschend geküsst. Ich kenne ihn doch kaum.","Ich glaube, er hat von Anfang an ein Auge auf dich geworfen." grinste Lennard. Ich riss meine Augenbrauen in die Höhe: "Ne, das ist eure Welt. Nicht meine. Ich will so wenig wie möglich etwas damit zutun haben." Lennard musste Lachen: "Ich glaube ja, dass da das letzte Wörtchen noch nicht gesprochen ist. Naja jedenfalls, wenn du ihn willst stehe ich dahinter, wenn er dir weh tut bin ich der erste der ihm eine reinhaut." vollendete Lennard seine Gedanken laut. Ich schüttelte den Kopf: "Hoff mal nicht Lennard. Ich sage es dir. Das wird nichts. Aber jetzt höre ich auch auf mit dir zu diskutieren, weil ich arbeiten muss." seufzte ich und stand ruckartig auf. Lennard schaute zu mir hoch und schenkte mir einen skeptischen Blick: "Verzeihst du mir?" fragte er mich dann leise. Ich nickte und wuschelte ihm durchs Haar, womit ich mir einen empörten Blick einhandelte, samt Handbewegung.Keine Stunde später stand ich wieder im Laden. Lennard hatte recht. Mich nervte das ständige Kassieren, Sortieren und Philosophieren tierisch. Es war noch nie so schlimm wie hier. Ich wollte nicht sagen, dass ich neidisch war auf meinen kleinen Bruder, dass er seine Träume ausleben durfte, aber vielleicht wehmütig. Jedenfalls war ich mittlerweile doch schon viel zu alt für ein Studium und außerdem hatte ich nicht mal einen Traum. Mich interessierte so großartig nichts, was ich studieren könnte, glaubte ich jedenfalls. Also stand ich da, verträumt und in Gedanken versunken wie noch nie und ordnete die Sportshirts neu auf dem Hänger. "Könnten sie mir mal helfen? Ich weiß nicht, ob mir das oder das besser steht." hörte ich plötzlich eine mir sehr bekannte Stimme hinter mir. Sofort drehte ich mich um und schaute in Marcos lächelndes Gesicht. Warum musste ich den plötzlich so grinsen? "Wenn du etwas fürs Training suchst, habe ich gelesen, dass das Shirt da in deiner linken Hand ein viel besseres Material hat, um dich und deine Muskeln bei diesem Wetter warm zu halten. Im Sommer aber, hält es deinen Körper von der Hitze fern. Aber du kannst momentan doch eh keinen Sport machen, also was treibt dich hier hin?" fragte ich und nahm ihm währenddessen diese Sportshirts aus der Hand. Plötzlich und unerwartet legte er seine Arme um meine Hüften und zog mich eng an sich heran: "Du scheinst dich echt mit den Teilen auszukennen." lächelte er. Ein wenig perplex fuhr ich mir mit den Fingern über die Stirn, um meine Haare von dieser überschwänglichen Bewegung aus dem Gesicht zu entfernen und konnte nicht anders als ihm ein Grinsen zu schenken: "Marco, was machst du hier?" hakte ich noch einmal nach und legte meine Hände vorsichtig um seine Handgelenke, um sie fest zu umgreifen. Ich mochte dieses Gefühl, was mich überkam sobald er mich auch nur ansah obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte. Schon wieder schwirrten Lennards Worte um meinen Kopf, dennoch wollte ich bei meiner Position bleiben. Gerade, als ich ihm mitteilen wollte, dass das so nicht geht, legte er diesmal vorsichtig anstatt stürmisch seine Lippen auf meine und brauchte mich zu diesem Zeitpunkt nicht mal zu einem Kuss überreden. "Marco" unterbrach ich den Kuss dann doch kurze Zeit später und löste mich von ihm. Seine Lippen lagen fast noch auf meinen als er mich gespielt böse ansah. Ein großes Fragezeichen schwebte über seinem Kopf. "Wir haben doch gesagt, es war nur ein Kuss." murmelte ich also gegen seine warmen und vor allem zarten Lippen die irgendwie nach Sprite schmeckten. Er kratzte sich den Kopf, mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen: "Ach haben wir das? Da kann ich mich gar nicht dran erinnern." antwortete er dann. Ich grübelte: "Ja vielleicht habe ich es mir auch nur so gedacht, aber das geht so nicht. Lennard der-" Schon wieder legte er abrupt seine Lippen auf meine. So sehr ich mich dagegen wehren wollte, es ging einfach nicht. Ich schaffte es nicht. Man, ich wurde noch verrückt von diesem Kerl, was fiel dem eigentlich ein?

DU LIEST GERADE
Schmetterlingseffekt
FanfictionKann man alles einfach so stehen und liegen lassen für die Profikarriere des eigenen Bruders? Genau dafür entscheiden sich die 26-Jährige Yve Kühnert und ihre Familie. Obwohl sie in ihrem Alter schon für sich selbst sorgt lässt sie gemeinsam mit ihr...