Ich blinzelte ihn ungläubig an nachdem wir uns lösten. Mir wurde es mit einem Mal klar. So konnte das alles zwischen uns doch gar nicht funktionieren. Immer dieses Hin und Her. Ich brauchte einen, wie sagte man, Detox? Er hatte mich schließlich aus seinem Leben geschossen und dort wo es mir am meisten weh tat getroffen. Ich Idiotin sollte einfach aufhören immer wieder zu hoffen, dass es zwischen uns zwei so richtig ernst wird. Vor allem wenn er jetzt nach England ging. Diese Entscheidung war endgültig, irreversibel. Er hätte mit mir reden können, aber aus seiner Heimat fliehen, das musste er nicht. Vielleicht bereute er es jetzt ja, aber was kümmerte es mich? Ich wartete also, bis man uns nicht mehr so anstarrte und schüttelte daraufhin langsam und unauffällig meinen Kopf.
Am nächsten morgen wachte ich auf, nachdem ich das erste Mal seit langem ausgeschlafen hatte. Ich kuschelte mich nachdenklich in meine Decke und beobachtete, wie die Regentropfen nur so gegen die Scheiben schlugen. Man, da hatten wir gestern echt Glück gehabt, dass die Sonne für unsere Eröffnung noch einmal so richtig schien. Irgendwann konnte ich mich aufraffen, es war leer in unserer Wohnung. Natürlich konnte ich meine Mutter nicht davon abhalten, den Job auszuüben den sie für richtig hielt, aber wenigstens spielte sie jetzt mit offenen Karten. Ich strich langsam über die Arbeitsplatte unserer Küche während mein Toast im Toaster vor sich hin brutzelte. Ob der Schritt nach Dortmund zu gehen im Endeffekt nun falsch oder richtig war, ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass sich viel verändert hatte. Ich war anders, das Verhältnis zu meiner Mutter war anders, Lennard war erwachsen. Ich schlüpfte schnell in meine ausgetragene Lieblingsjeans nachdem ich mir ein Toast herein gepfiffen hatte und zog mir einen verwaschenen Hoodie über den Kopf, bevor ich das Haus verließ und mich in Richtung Innenstadt machte. Jenny erwartete mich schon im Laden. Sie räumte die Deko von gestern fein säuberlich in Kisten und lächelte mich an: "Und hast du die Nacht bei Marco verbracht?" fragte sie und ließ ihre Augenbrauen tanzen. Ich schüttelte ein wenig scheu meinen Kopf. Der fühlte sich vor lauter Gedanken-Wahnsinn schon an als wäre Watte darin: "Nein. Ich möchte auch nicht mehr über ihn reden." entgegnete ich ihr nur, legte meine Jacke ab und half ihr dabei, die Deko zu verstauen. Sie starrte mich ungläubig an: "Wie jetzt? Aber er hat dich doch geküsst gestern?" fragte sie nach. "Das heißt ja nicht, dass es deshalb klappt zwischen uns." ich zuckte mit meinen Achseln. Jenny stemmte ihre Hände in die Hüften: "Du weißt aber schon, dass er heute geht oder? Alle sind da um ihm zu Helfen und du stehst hier dumm rum, anstatt klare Verhältnisse zu schaffen bevor er geht." warf sie mir vor. Irgendwo hatte sie ja recht, aber war das wirklich mein Job? Eigentlich schon, schließlich war ich es, die mit ihm abschließen wollte. "Ich stehe hier nicht dumm herum ich helfe." murmelte ich also lachend. "Hör auf es jetzt zu verdrängen.","Was soll ich denn deiner Meinung nach machen? Hinfahren?" blaffte ich kopfschüttelnd und schloss die volle Kiste voller Zeug vor mir. Ob die Jungs bei Marco schon damit fertig waren? Das Klirren von Jennys Schlüsselbund riss mich schnell wieder aus dem Sumpf meiner eigenen Gedanken. "Komm, ich fahre dich jetzt hin." Ich war zwar ein wenig unsicher, ob das jetzt wirklich notwendig war, aber Jenny hatte irgendwie recht. Wie sollte ich mich ansonsten von Marco verabschieden? Ich würde ihn schließlich Ewigkeiten nicht mehr sehen und es mit Sicherheit bereuen, mich nicht von ihm zu verabschieden.
So standen wir dann also vor Marcos Wohnung. Eine menge teurer Autos standen vor der Haustür. Das hieß sie waren zum Glück noch hier. Es sah aber so aus als wären sie in den finalen Zügen. Während die Kerle sich in ihrem Ausräumwahn uns Frauen gar nicht bemerkten, suchte ich die leere Wohnung nach Marco ab. Man fühlte sich das komisch an, alles war so kühl und nun wurde mir klar, es war wirklich war. Marco würde gehen. Irgendwann fand ich ihn zwischen all den Kisten auf einer sitzen wie er nachdachte. Mit einem Räuspern machte ich auf mich aufmerksam. Erschrocken schaute Marco hoch und lächelte leicht. Ich setzte mich neben ihn auf eine Kiste. "Ich hab dich nicht erwartet." grinste er schüchtern. "Ich mich auch nicht" murmelte ich leise und ließ meinen Blick durch den Raum wandern. "Marco hör zu. Ich glaube der Abstand wird uns gut tun. Ich meine nicht, dass ich dich nie wieder sehen will. Ich bin froh, dich kennengelernt zu haben, aber ich glaube wir beide brauchen Zeit für uns und du solltest dich nach den ganzen Turbulenzen wieder völlig auf deine Karriere konzentrieren." erklärte ich leise. Marco nickte langsam: "Du hast recht, obwohl ich mir wünschte es wäre anders gelaufen." murmelte er daraufhin. "Kommst du mich mal besuchen?" fragte er nach ein paar Sekunden Stille hoffnungsvoll. Ich musste lächeln: "Ganz sicher." Ich rückte zu ihm herüber und nahm ihn in den Arm. Es fiel ihm sichtlich schwer zu gehen. Sein Herz puckerte wie verrückt. Als ich mich von ihm lösen wollte, schlang er seine Arme noch einmal fester um mich. Ich atmete seinen Duft ein und konzentrierte mich darauf, nicht los zu heulen. Er war mir so wichtig und egal wie es zwischen uns lief, traf es mich wie sehr man es ihm ansah emotional und physisch, wie schlecht es ihm ging. Ob er es sich gut überlegt hatte vorher? Ich wusste es nicht aber ich würde ihn nie damit konfrontieren. War das nun das Ende? War es so weit? Ich wusste gar nicht wie ich mir ein leben ohne Marco hier vorstellen sollen. Wir hatten so viel gemeinsam erlebt und irgendwie hatte ich mir auch durch ihn hier etwas aufbauen können. Ich bedankte mich also bei ihm, als wir uns lösten. Wir lächelten uns an. Ich fühlte mich so befreit von all den schlechten Gedanken die ich zuvor hatte und war froh nochmal mit ihm gesprochen zu haben, mir fiel es nun leichter ihn erstmal gehen zu lassen.
Und wer weiß, was sich aus uns noch entwickeln würde? Manchmal musste man eben loslassen, um einander wieder zu finden.

DU LIEST GERADE
Schmetterlingseffekt
FanfictionKann man alles einfach so stehen und liegen lassen für die Profikarriere des eigenen Bruders? Genau dafür entscheiden sich die 26-Jährige Yve Kühnert und ihre Familie. Obwohl sie in ihrem Alter schon für sich selbst sorgt lässt sie gemeinsam mit ihr...