18.

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"Yve, wo warst du so lange?" fragte mein Bruder leise, als er seinen Kopf langsam durch den Türspalt steckte. Ich brummte laut in die Dunkelheit meines Raumes hinein, immer noch wie ein Seestern in meinen nassen Klamotten auf dem Bett liegend. Ich konnte es nicht sehen aber wusste, dass Lennard in diesem Moment seine Nase rümpfte. Umständlich quetschte er sich durch den Türspalt und schloss leise die Tür hinter sich um unsere Mutter nicht zu wecken. Danach schaltete er das Licht ein und setzte sich zu mir aufs Bett. Ich rappelte mich langsam auf: "Ich bin so fertig mit den nerven Lennard." murmelte ich bloß, ohne auf seine Frage zu antworten und stand gezwungenermaßen auf, um endlich aus diesen nassen Klamotten heraus zukommen. Im Bad streifte ich sie mir von meinem kalten Körper und sprang unter die Dusche. Das warme Wasser prasselte wenig später auf meinen Körper und wärmte mich, nur innerlich war ich immer noch kalt. Ich musste ständig daran denken, was Scarlett denn so wichtig war oder ob sie es nur ahnte oder aufgeschnappt hatte das wir uns trafen und eben genau dieses Treffen stören wollte. Eigentlich aber hatte es mich gar nicht zu interessieren was die beiden zu klären hatten. 

Ein paar Tage später musste ich Lennard erneut vom Training abholen. Als ich mit einer fetten Erkältung dort aufkreuzte nahm ich ein wenig Abstand von den Zuschauern des öffentlichen Trainings und verschränkte frierend meine Arme vor der Brust und das, obwohl ich schon mindestens drei Lagen an Klamotten anhatte. "Ich hätte dich offensichtlich doch nach Hause fahren sollen." kam es plötzlich hinter mir. Verdutzt drehte ich mich zu Marco um und musterte ihn von oben nach unten. Dann schaute ich ihn mit hoch gerissenen Augenbrauen in die Augen und sah wieder zum Spielfeld. Er räusperte sich: "Hier nimm die." und legte mir aus dem Nichts eine BVB-Fleecedecke von hinten über die Schultern. Ich griff vorsichtig mit meinen Fingerspitzen um die Enden der Decke und umschlang damit meinen Oberkörper. Marco machte ein paar Schritte nach vorne, um sich neben mich an die Bande des Spielfeldrands zu stellen und warf mir einen Blick von der Seite zu. "Warum redest du nicht mehr mit mir Yve?" fragte er dann leise. Ich zuckte mit den Achseln. Ja, warum tat ich das? Ich hatte keine Ahnung. Vielleicht weil ich genervt von ihm war und erst recht nicht mehr wusste was ich von ihm halten soll. "Warum stehst du nicht auf dem Platz?" gab ich mir also einen Ruck. Er stieß leise Luft aus und vergrub seine Hände tief in die Hosentaschen seiner Jeans: "Hab mich wohl doch etwas mehr verletzt als gedacht." Ich nickte langsam, mit offenem Mund. Gerade als ich ihm mitteilen wollte, dass es glücklicherweise ja noch anderes gebe als Fußball, kam Lennard auf uns zu: "Hallo Schwesterherz! Ich beeile mich mit dem Duschen." zwinkerte er und drückte mir seine Trinkflasche in die Hand. Ich bestätigte ihn mit einem lauten Nieser und machte mich auf den Weg zum Auto. Ich stand echt zu lange in der Kälte. Laute Fußstapfen ertönten hinter mir und eine große Hand auf meiner zierlichen Schulter: "Yve bleib mal stehen, ich glaube wir müssen noch über Samstag sprechen." flüsterte der blonde Fußballprofi leise in mein Ohr, er war mir so nah, dass ich beinahe erstarrte. Langsam schüttelte ich meinen Kopf und fuhr meinen Weg zum Auto fort, sodass seine Hand von meiner Schulter rutschte. "Yve jetzt warte doch." Marco ließ nicht locker. In mir staute sich langsam die Wut an, die sich seit dem Wochenende entwickelt hatte. Ich ging also ein paar Schritte auf ihn zu und drückte ihm die Decke wieder in die Hand: "Marco! Ich bin nicht irgendein naives Mädchen, das von dir verarscht werden will. Ich bin fast siebenundzwanzig Jahre alt. Wenn du mit deiner Ex noch Sachen zu klären hast, dann macht das zu zweit, ohne mich wie ich dir schon Samstag gesagt habe. Mir geht das so auf den Sack." brummte ich also sauer. Marco, der so etwas nicht erwartete, sah mich baff an. Immer noch sauer verschränkte ich also meine Arme vor der Brust und gab ihm innerlich noch ungefähr dreißig Sekunden um mir zu antworten. Ansonsten würde ich ins Auto steigen und eben dort auf Lennard warten. Ich hoffte bloß, er würde bald kommen. "Yve, ich will nichts mehr von Scarlett und ich hätte auch nichts mit ihr zu klären, wenn sie nicht ständig irgendwelche Sachen erfinden würde um mich zurück zu erobern. Ich hätte Samstag echt gerne einen Film mit dir gesehen, aber...","-aber? Aber was? Aber deine Ex kam zum zigsten Mal an? Aber dann hast du dir doch gedacht mit ihr wäre es interessanter gewesen?" lachte ich hämisch und zog meine Augenbrauen hoch, gefolgt von einem Augenrollen. Marco fuhr sich ein wenig zweifelnd durch sein Haar und schaute sich kurz um. Ich folgte seinem Blick natürlich, da ließ er plötzlich die Decke fallen die ich ihm vor wenigen Minuten in die Hand gedrückt hatte und legte in Windeseile seine warme Hand auf meine kalte Wange. Ich fühlte mich, als wäre ich betäubt, als er seine Lippen stürmisch auf meine legte. Obwohl ich gar nicht wollte, erwiderte ich doch diesen unerwarteten Kuss. Nachdem er sich von mir löste schenkte er mir ein sanftes Lächeln und hauchte noch einen klitzekleinen Kuss hinter her. Mir wurde ganz heiß und höchstwahrscheinlich war mein Gesicht bereits feuerrot. Ich wusste gar nicht so richtig wie mir gerade geschah, war sauer und baff zugleich und zu allem Übel gefiel mir dieser Kuss auch noch. Impulsiv legte ich also meine Hände auf seine Wangen und drückte meine Lippen erneut auf seine, nachdem er mich an sich herangezogen hatte und meine Körpermitte eng umschlang. Der Kuss, direkt im Ausgang des Trainingsgeländes wurde immer inniger, bis ein Räuspern neben uns ertönte. Schnell lösten wir uns wieder voneinander und ich musste in die schockierten Augen meines kleinen Bruders sehen der seine Tasche mittlerweile auf den Asphalt fallen gelassen hatte: "Was macht ihr da?" fragte er verwirrt, während uns auch Marcel und Jenny anstarrten. Mist, was war denn los mit mir? Worauf hatte ich mich denn da gerade eingelassen? Ich hob also die Tasche vom Boden auf und lief in schnellen Schritten meinem Bruder hinterher der sauer in Richtung Auto flüchtete und ließ Marcel, Jenny und auch Marco ohne ein Wort stehen.

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