31.

2.2K 113 6
                                        

Leon blieb nicht nur ein paar Tage, er blieb zu lange. Ich hatte wenigstens das Gefühl es tat meinem Bruder ganz gut neben der Reha jemanden zuhause zu haben, mit dem er jeden Spaß haben konnte. Aus ein paar Tagen wurden ein paar Wochen. Wochen in denen ich meiner Mutter aus dem Weg ging und Marco auch. Wie sollte ich ihn auch sehen? Im Stadion war ich nicht, bei Schmelzers lief er auch nicht herum wenn ich da war und auf der Arbeit sah ich ihn erst recht nicht. So langsam wurde aus dem regnerischen Frühling aber ein angenehm warmer Sommeranfang. Mit Kopfhörern in den Ohren brachte ich den Müll heraus. Der Haushalt blieb auch an mir kleben. Ich konnte immer wieder über meine Mutter lachen. Als ob sie wirklich dachte keiner wüsste von ihrem Beruf, den sie mittlerweile mehr Beachtung schenkte als uns in den Monaten in denen wir hier in Dortmund waren. "Yve!" hörte ich plötzlich die Stimme von - das konnte doch nicht wahr sein: "Marco?" brummte ich abgelenkt vor mich hin, als ich einen Kopfhörer aus meinen Ohr nahm und prüfend die nahegelegenen Straßen abscannte. Marco kam aus dem nichts und völlig aus der Puste zu mir herüber gejoggt. In voller Sport-Montur stand er dann also vor mir. Ich rang mit den Worten, wollte so viel sagen aber irgendwie doch nichts. Dann platzte es aus mir heraus: "Ist die Verletzung weg?","Ja" strahlte er: "Darf übermorgen wieder mitspielen." freute er sich. Ich lächelte nickend. Sein verschwitztes Haar, das in sein Gesicht fiel wischte er schnell weg und lächelte mich unsicher an. "Du meldest dich gar nicht mehr." sagte er daraufhin kritisch, aber verpackte es mit einem Lächeln, das aber keineswegs ehrlich war. Die Frage, warum er ausgerechnet hier vor meinem Haus herjoggte sparte ich mir also lieber und kratzte mich nachdenklich am Hinterkopf: "Ja, du, ich hatte echt viel zutun. Glaube ich." log ich schlecht. Tolle Ausrede, Yve. Am liebsten hätte ich mir auf die Stirn geschlagen. Marco nickte: "Willst du zum Spiel kommen?" erneut machte er einen Schritt auf mich zu, doch wieder wehrte ich ab: "Lennard, der braucht noch Zeit." schob ich meinen Bruder vor. Marcos Blick änderte sich von unsicher in enttäuscht. Ich betete nach Oben, dass er nicht nocheinmal versuchte auf mich zu zugehen. Mir gingen so langsam die Ausreden aus. Marco setzte zum Reden an - da meldete sich plötzlich ausgerechnet Leon von der Haustür aus zu Wort: "Yve, Lennard braucht dich in Mathe!". Als sich die Blicke von meinem Exfreund und Blondie trafen entstand eine unglaublich angespannte Situation aus der ich an liebsten geflohen wäre. Leon verschwand schnell wieder im Haus und ich hoffte, dass Marco ihn nicht wieder erkannt hatte. "Dein Ex ist hier?" fragte er leidend und irgendwie genervt. Ich nickte wortlos und kaute nervös auf meiner Unterlippe herum. "Also es ist nicht so wie du denkst. Er-... Außerdem, ich habe gerade gar keine Zeit für einen Mann in meinem Leben. Ich habe genug Probleme wegen Lennard und meiner Mutter..." begann ich los zu stammeln, aber Marco winkte ab: "Ach weißt du Yve, das geht mich gar nichts an." versuchte er mir gespielt unbekümmert zu verklickern, mit einem schulterzucken. Daraufhin joggte er auch schon wieder davon. Seine Wut konnte er jedoch nicht unterdrücken, denn ich sah genau wie er denn Stein der vor ihm lag mit voller Karacho in ein Nachbarsbeet kickte. "Ich Esel!" ärgerte ich mich laut über die Situation und mich selbst. Als ich zurück ins Haus kam fragte ich mich wozu das alles noch führen sollte. Ich hatte echt keinen Bock mehr, dass Leon ständig um mich herum schwirrte. In einem günstigen Moment schlich ich mich zu Lennard ins Zimmer und schmiss mich neben ihm ins Bett. "War das Marcos Stimme eben? Warum kam er nicht rein?" fragte er verwundert. "Ja war es. Leon wollte mir sagen, dass du Hilfe brauchst in Mathe. Dann hat Marco die Biege gemacht." ärgerte ich mich erneut. "Hab die Aufgabe doch alleine hinbekommen." grinste Lennard entschuldigend. "Egal." murmelte ich, mich insgeheim immer noch ärgernd. "Du willst ihn nicht mehr hier haben oder?","Leon?","Ja wen sonst?","Ehrlich gesagt reichen mir diese 6 Wochen vollkommen aus. Dir nicht?" lachte ich nervös in der Hoffnung er sah es so wie ich. "Er reist ohnehin morgen ab. Tut mir leid falls du deshalb Stress mit Marco hast.","Schon in Ordnung. Da ist nichts mehr zwischen uns. Mach dir keinen Kopf." beruhigte ich meinen kleinen-großen Bruder liebevoll. Er schüttelte seinen Kopf: "Ihr macht alles so kompliziert.","Kann sein." ich zuckte mit den Achseln.
Am nächsten morgen war es endlich so weit. Ich fuhr meinen Ex-Freund sogar gerne zum Bahnhof. Lennard und ich verabschiedeten uns von ihm, danach saßen wir recht schnell wieder im Auto auf dem Weg nach Brackel: "Ich bin gespannt, was die Therapeuten heute sagen." munterte ich meinen Bruder auf. "Ich hoffe ich darf langsam mit der Belastung anfangen." lächelte Lennard. Ich nicke. "Sag mal" begann er: "Hast du nicht Lust, morgen zusammen mit mir ins Stadion zu gehen? Ich würde die Jungs echt gerne mal wieder sehen." fragte er mich grinsend. Ich überlegte länger. Was sollte Marco denn dann denken? Nicht, dass er dachte ich renne ihm hinterher. Aber Lennard zu liebe nickte ich: "Ja klar."
Angekommen in Brackel begleitete ich Lennard bis zum Therapieraum, wartete jedoch freiwillig davor. Ich brauchte mal Zeit zum Nachdenken und Herunterkommen. Die letzten Wochen waren echt anstrengend. Leon hatte sich oft fast vor Lennard verplappert wegen unserer Mutter. Schon bald hatte ich es bereit ihm davon überhaupt erzählt zu haben. Kaum auszudenken, was dann los gewesen wäre zuhause, hätte Lennard es erfahren. Obwohl bei Lennard so langsam auch die Alarmglocken zu Leuten begangen. Mama war einfach immer öfter und vor allem länger weg. Wie lange das noch gut gehen würde, wusste ich nicht. Wir redeten kaum noch miteinander. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis Lennard endlich fertig war und stolz aus dem Räumchen kam: "Ab Montag darf ich zum Radfahren kommen." grinste er stolz. Ich zeigte ihm einen Daumen nach oben: "Perfekt!" relativ glücklich machten wir uns langsam, aber gemeinsam wieder auf dem Weg zum Parkplatz, als Lennard stehen blieb: "Guck mal! Da ist Marco doch!" sagte er verblüfft. Ich blieb stehen: "Stimmt." bemerkte ich trocken. "Geh doch hin und kläre das mit ihm." schlug Lennard dann zuversichtlich vor. Auch ich hatte umgehend daran gedacht, zögerte aber. "Gib dir einen Ruck." murmelte Lennard leise. Ich nickte, setzte gerade einen Fuß vor den anderen, da trat Blondchen aufeinmal zum Vorschein. "Nein" wisperte ich leise zu mir selbst. Ich konnte in diesem Moment eins und eins irgendwie nicht mehr zusammen zählen und die Enttäuschung war mir ins Gesicht geschrieben. Scarlett, an die hatte ich ja gar nicht mehr gedacht. ich wurde irgendwie wütend. Er war wohl doch nur ein hohler Fußballprofi. Als Marcos und meine Blicke sich dann auch noch zufällig trafen, schluckte ich laut und schloss verletzt die Augen. Er schien total überrascht zu sein mich hier zu sehen und machte schon Anstalten herüber zukommen, Lennard schaute aber hilflos zwischen den Fronten hin und her und entschied sich dazu, mich mit sich in Richtung Auto zu ziehen. Zum Glück.

SchmetterlingseffektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt