15.

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Marco und ich gingen in ein kleines gemütliches Restaurant in der Innenstadt. Deutsche Küche. Man hatte ich da Hunger drauf. Ich dachte wirklich, er konnte meine Gedanken lesen. Hätte mich jemand gefragt, ob ich denken würde das es ein Date war, hätte ich dies natürlich verneint. Erst als er mir die Jacke abnahm und den Stuhl zurecht rückte, erahnte ich wirklich was der Hintergrund war. Obwohl mir mein Herz beinahe aus der Brust sprang, schob ich es auf die plötzliche Nervosität. Nachdem wir unser Essen bestellt hatten und unser Getränk bereits gekommen war, grinste Marco mich an: "Ich hätte nicht gedacht, dass du dich von mir einladen lässt." "Wieso? Du tust immer so, als wäre ich total kaltherzig." murmelte ich leise. Er schüttelte seinen Kopf: "Tue ich gar nicht. Trotzdem werde ich manchmal nicht schlau aus dir." wehrte er meinen Kommentar ab. Ich winkte ab: "Alles gut. Wie geht es dir?" fragte ich also mit einem zarten Lächeln auf den Lippen. "Perfekt" er strahlte mich an: "das Spiel gewonnen, ein schönes Essen vor mir, ein paar Tage frei." fuhr er fort. Ich sah ihm dabei zu wie er seine Hände vor seinem Bauch faltete und verträumt zur Decke blickte während er weitere Dinge aufzählte. Ich musste lachen und erntete einen fragwürdigen Blick, welcher aber in einem grinsen mündete. "Warum hast du frei?" fragte ich also, immer noch grinsend. "Weil ich für das nächste Länderspiel ausfalle." sagte er ohne seine Mimik zu verziehen. Ich jedoch erwartete eher, dass er verärgert darüber war. "Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen." "Da gibt es nichts großartiges hinter. Ich muss geschont werden, dass ist alles. Ich bin schon alt." scherzte er. Ich schüttelte meinen Kopf und verdrehte meine Augen: "Mit dreißig ist man als Fußballprofi also alt in deinen Augen? Lass das nicht Pizarro hören." schmunzelte ich amüsiert. Marco konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Dann kam auch schon unser Essen. Während ich meine Spätzle verschlang, machte er sich an sein Gulasch mit Kartoffeln und wir redeten über Gott und die Welt. Mit der Zeit wurde ich gelassener und bemerkte, dass unser Date völlig unbefangen war. Nachdem wir noch ein zwei Getränke genossen und er sogar trotz meines Protests bezahlte, legte er seine Hand behutsam auf meinen Rücken, als wir uns aus dem mittlerweile vollem Lokal hinaus drängelten.
"Und was man so wenn man frei hat als Fußballspieler?" fragte ich ihn dann als ich die Stille im Auto nicht mehr aushielt. "Karten für das Spiel bekommen, weil natürlich in Dortmund gespielt wird." lachte er und konzentrierte sich auf die bereits dunkle Fahrbahn. Ich nickte bloß. Mich hätte wirklich interessiert wie er außerhalb des Ballspiels war, aber vielleicht gab es diese Seite von ihm gar nicht. "Hat dir schon mal jemand die Stadt gezeigt?" fragte er mich plötzlich. Ich schüttelte meinen Kopf: "Da hatte ich noch gar keine Zeit zu." gab ich zu. Diesmal war er derjenige der wortlos nickte. Er schien zu grübeln, also störte ich ihn nicht weiter dabei. Als ich aus dem Fenster sah, beobachtete ich die unzähligen Menschen und Lichter die ihre Form verloren je schneller er fuhr. "Sag mal, hättest du übermorgen Lust mich zum Spiel der Nationalmannschaft zu begleiten? Wenn du möchtest kann ich dir auch die schönen Orte der Stadt zeigen. Wenn man sich hier nicht so auskennt kommt sie manchmal ein wenig trist und trostlos herüber." fragte er mich plötzlich. Ich schaute ihn ein wenig schockiert an, schob aber direkt ein Lächeln hinterher, um kein falsches Signal zu senden: "Gerne. Was besseres kann mir doch gar nicht passieren." Er strahlte mich zufrieden an: "Da hast du natürlich recht. Ich als waschechter Dortmunder kann dir die Stadt am besten zeigen." "Unter einer Bedingung." wendete ich ein. Aufmerksam blickte er zu mir herüber, als er gerade an einer roten Ampel halten musste und begann damit, nervös mit seinen Fingerspitzen auf den Lenkradrand zu tippen. "Bevor und nach dem Spiel möchte ich den echten Marco Reus kennen lernen und keinen Fußballfanatiker." verkündete ich meine Bedingung. Er lachte entspannt auf: "Versprochen." und hielt mir während er wieder anfuhr seinen kleinen Finger unter die Nase, in dem ich meinen einhackte. Plötzlich klingelte mein Smartphone in der Jackentasche. Lennards Name prangerte mir entgegen und ich ahnte schlimmes. "Lennard. Wenn etwas mit dem Auto ist, dann leg bitte direkt wieder auf." warnte ich meinen kleinen Bruder, nachdem ich den grünen Hörer drückte. Am anderen Ende faselte er hin und her ohne wirklich zum Punkt zu kommen. "Soll das heißen, dir ist jemand hinten aufgefahren?" fragte ich also extra nochmal nach. Marco warf mir einen kritischen Blick zu und fuhr bei der nächsten Gelegenheit vorsichtshalber rechts heran. "Schick mir einfach deinen Standort und dann komme ich. Aber du musst die Polizei auch rufen, auch wenn das Auto parkt. Sonst bekommst du Ärger wegen Fahrerflucht Kleiner. Bis gleich." "Sag jetzt nicht, dass Lennard einen Unfall mit dem Auto deiner Mutter hatte?","Es ist mein Auto, leider. Sagen wir mal so, er hat das Autofahren nicht erfunden. War wohl nur ein kleiner Auffahrunfall." "Hinten oder vorne?" "Wie jetzt?" "Ja, ist er aufgefahren oder ist ihm aufgefahren worden?" "Ich glaube ihm wurde aufgefahren." antwortete ich und warf meinem Gegenüber einen irritierten Blick zu. "Kennst du den Spruch etwa nicht? Wenn es hinten knallt gibt es vorne Geld." schmunzelte er. Ich lachte laut auf und war begeistert, wie er diese eigentlich schlechte Situation so positiv aufheiterte. Als Lennard mir dann seinen Standort zusendete, musste ich Marco nicht mal fragen, ob er mich dort hinbringen konnte. Gleichzeitig stiegen wir aus und liefen auf Lennard zu, der sich verzweifelt die Haare raufte. "Hängt ihr immer noch aufeinander oder schon wieder?" fragte dieser irritiert. Ich runzelte meine Stirn: "Wir waren etwas essen während du mein Auto zerstört hast." brummte ich nur. "Die Polizei hat alles aufgenommen und der Verantwortliche hat sich sogar darum gekümmert, dass der Abschleppdienst kommt. Wir müssen jetzt gucken was die Versicherung sagt." erklärte Lennard etwas geknickt. Ich seufzte mindestens doppelt so geknickt. Marcos Hand legte sich daraufhin unauffällig, aber behutsam auf meinen Rücken und strich in regelmäßigen Abständen immer wieder drüber. In mir kribbelte schon wieder alles, wahrscheinlich war ich diese Empathie einfach nicht gewohnt. "Tja Lennard, ich glaube du hast bei deiner sehr geduldigen Schwester einiges wieder gut zu machen." bemerkte er daraufhin. Lennard nickte nur überfordert und warf mir einen entschuldigenden Blick zu, jedoch winkte ich ab: "Das wird schon.".

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