49.

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Etwas Gutes hatte es ja, dass ich gestern Abend früh zuhause war. Ich stand mit frischen neuem Elan auf und gönnte mir erstmal eine Dusche. Plötzlich hörte ich es an der Badezimmertür klopfen, gerade als ich das Wasser abdrehte. Ich wickelte meinen Körper in ein großes Badehandtuch und schloss meinem kleinen Bruder schnell die Tür auf.
"Guten Morgen" lächelte er. Ich nickte ihm zu. "Ich wollte mich noch bei dir bedanken, für die Überraschung. Du warst gestern Abend so schnell weg." erwähnte er dann mit vollem Mund, während er sich die Zähne putzte. Ich winkte ab: "Es ist alles gut. Das haben wir gerne gemacht.","Wir?","Ja, Marco und ich haben uns nochmal zusammen hingesetzt und alles fix gemacht." erklärte ich ihm kurz. Energisch kämmte ich meine Haare. Er beobachtete mich ein wenig irritiert. Von Marco wollte ich mir heute nicht Jennys und meinen Tag versauen lassen. "Wann geht es heute los?" versicherte er sich und lenkte somit endlich vom Thema ab. "Ich fahre sofort schon hin, offiziell geht es aber um vier los." grinste ich ihn an: "Es wäre toll, wenn du ein paar aus der Mannschaft dazu überreden könntest mit zu kommen. Bessere Garanten für ein wenig Aufmerksamkeit für unseren Laden gibt es nicht in Dortmund." fügte ich erwartungsvoll hinzu. Er zwinkerte mir zu: "Da lässt sich bestimmt etwas machen." und verließ den Raum. Kurze Zeit später knallte auch schon die Haustür. Er musste wohl schnell zum Training. Achselzuckend griff ich nach dem Föhn und hübschte mich ein bisschen auf. Danach zauberte ich mir mehr oder weniger erfolgreich ein paar Wellen ins Haar und legte ein bisschen mehr schminke auf als sonst. Daraufhin schlüpfte ich in ein verspieltes kurzes Blümchenkleid und machte mich mit vollem Kofferraum auf den Weg in die Innenstadt. Jenny wartete schon im Laden auf mich. Ihr stand der Abend im Gegensatz zu mir aber noch ins Gesicht geschrieben. "Wow, du siehst toll aus. Aber Sneakers zu dem tollen Kleid?" grinste sie amüsiert. Ich hielt nur wortlos meine nude-farbenden hohen Hacken in die Höhe. Wie immer sah sie toll aus. Sie hatte ein wunderschönes dunkelblaues Kleid an und extrem hohe Schuhe. Die sahen super teuer aus. Aber sie gefielen mir. Nur ihr Gesicht sah nach Alkohol aus - das würde sie aber mit Sicherheit noch retuschieren. Gemeinsam dekorierten wir den Laden. Durch ihren Bekanntheitsgrad hat sie das ein oder andere Angebot bekommen. Confiserien, Dekorateure, Fotografen, Musik. Um alles wurde sich gekümmert. Es sah perfekt aus. Schon bald war es so weit. Während ich nur in meine Schuhe schlüpfen musste und einmal durch meine Haare wuschelte, stand Jenny vor dem Spiegel auf der Kundentoilette und retuschierte ihr verkatertes Gesicht. Wie ich erahnt hatte, sah man danach nichts mehr vom gestrigen Abend. "Süße, lass dich mal umarmen. ich bin so froh, dass wir das schon mal erreicht haben." grinste sie. Ich fiel ihr beinahe in die Arme und stimmte ihr zu: "Du hast recht und es fühlt sich super an."
Nachdem nach und nach die geladenen Gäste einströmten, eröffnete sogar Aki Watzke zu unseren Ehren den Shop mit ein paar lieben Worten. Das war wohl Marcels Werk. Er betonte nochmal, dass unser Shop der einzige in der Innenstadt war, mit dem der BVB Hand in Hand zusammen arbeitete. Kurz darauf erfüllte eine lockere Stimmung den Raum und es wurde beherzt nach dem Fingerfood und den Getränken gegriffen. Jenny kam auf mich zu und reichte mir ein Glas Sekt. "Ist ja wie ein Konterbier für dich." schmunzelte ich. Sie schlug mir lachend gegen den Arm. Zusammen stießen wir an. Hoffentlich würde der Laden so funktionieren wie wir es uns erhofft hatten. Wir beide ließen gleichzeitig unseren Blick durch den Raum schweifen. Da sah ich meinen Bruder durch die Tür treten samt Mannschaftskollegen, wie er es versprochen hatte. "Wow, das sieht super hier aus!" umarmte Lennard mich überrascht. Ich strahlte ihn an und nickte ebenso begeistert. Ich begrüßte und bedankte mich bei einigen aus seiner Mannschaft, da stand ich plötzlich vor Marco. Mit ihm hatte ich gar nicht gerechnet. Morgen stand nämlich sein großer Umzug an. Zumindest meinte Lennard, er müsste zum Kisten schleppen kommen. Die und seine Möbel werden dann alle von einer Spedition Richtung Frankreich gekarrt und dann per Fähre nach England geschifft. Hoffentlich würde das ein oder andere dabei kaputt gehen. Misstrauisch schaute ich zu ihm hoch. Wie immer lächelte er mich an: "Du siehst toll aus Yve." murmelte er plötzlich und schaute mir dabei tief in die Augen, nachdem er mich einmal von oben bis unten abscannte. Meine ganze Haut kribbelte, dafür brauchte er mich nicht einmal zu berühren. Ich konnte nicht anders, als ihm ein zaghaftes Lächeln zu schenken: "Danke." murmelte ich also ebenso. Was sollte ich ihm denn in diesem Moment sagen? Das er umwerfend heiß aussah in der dunklen Jeans und dem weißen Hemd? Das seine Haare perfekt saßen, bis auf eins, das ich ihm gerne wegstreichen würden? Das ich seine roten Lippen gerne geküsst hätte? Und überhaupt wie fühlte man sich eigentlich als Fußballspieler wenn man wechselte? Hatte man gar kein Fünkchen Schuldgefühle? Warum ging er überhaupt nach England? Hat er es sich gut überlegt oder war das eine spontane Entscheidung? Das würde ich wohl nie erfahren. Das einzige was ich nach den zwei Tagen die er noch hier in Dortmund verbrachte von ihm hören würde, wäre von seinem Liebesleben in der Klatschpresse. Vielleicht war es auch besser so und ich sollte mich einfach damit abfinden. "Können wir reden?" fragte er mich plötzlich. Ich fühlte mich ein wenig ins kalte Wasser geschmissen. Noch bevor ich ihm antworten konnte, nahm er meine Hand in seine und zog mich in eine ruhige Ecke. Ich schaute ihn fragend an: "Es tut mir leid, dass ich dir nichts erzählt habe von meinem Wechsel. Das war alles ziemlich kurzfristig und ich wusste nicht, wie ich es dir erklären sollte. Ich wollte nicht, dass du dich wieder schlecht fühlen musst, weil du mit Sicherheit mit mir Schluss gemacht hättest. Hättest du eine Fernbeziehung gewollt, dann hättest du damals ja auch nicht mit Leon Schluss gemacht." platzte es förmlich aus ihm heraus. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust: "Du verstehst es nicht, oder? Das, egal wie unsere Ausgangssituation gewesen wäre, wir mit Sicherheit trotzdem zueinander gefunden hätten. Das mit Leon, das war vorbei. Das mit uns das hat gerade erst angefangen. Ich dachte, wir wollten nochmal ganz von vorne anfangen. Du warst immerhin derjenige der meinte es stehe uns nun nichts mehr im Wege." warf ich ihm an den Kopf. Marco seufzte nur, legte seine Hände auf meine Wangen und zog mich an sich heran, bevor er seine Lippen auf meine legte und es um uns herum unangenehm still wurde. 

SchmetterlingseffektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt