"Ich fahre dann zur Arbeit, bis später Große." lächelte meine Mutter durch den Türspalt und schaute mich prüfend an. Ich nickte und biss mir auf die Unterlippe. Hoffentlich hatte sie nicht bemerkt, wie hysterisch ich in meinem Kleiderschrank nach Klamotten gewühlt hatte. "Viel Spaß dir." lächelte ich also ein wenig ertappt. Sie lachte kopfschüttelnd und schloss leise wieder meine Tür. Erleichtert atmete ich auf und fuhr mit der Suche nach einem passenden Outfit für den heutigen Tag fort. Eine geschlagene halbe Stunde später wurden es natürlich wieder nur blaue Jeans, weiße Sneaker und ein enges schwarzes Oberteil mit Rollkragen, damit ich mich nicht erkältete bei diesem Wetter. Dann leuchtete auch schon mein Smartphone auf. Marco stand schon vor der Tür unten. Ein Glück, da war ich ja gerade so on time. Schnell schmiss ich das Zeug was ich den Tag über gebrauchen könnte in meine kleine Handtasche, schnappte mir meinen schwarzen Mantel von der Garderobe und achtete penibel darauf das Lennard nichts hörte, als ich das Haus verließ. Schließlich hatte er auch frei, da er sich ja momentan noch nicht für die Nationalmannschaft qualifizieren konnte. Er sollte nicht unbedingt mitbekommen, dass ich mich jetzt auch privat mit Marco traf. Mama war ganz schön verärgert als sie von der Sache mit meinem Auto erfuhr und fühlte sich natürlich darin bestätigt, dass er noch kein eigenes haben sollte. Mir war das inzwischen egal, in ein paar Tagen kam mein Auto auch schon aus der Werkstatt, ein hoch auf die Versicherung. "Hi" grinste Marco mich plötzlich an und riss mich ein wenig unsanft aus meinen turbulenten Gedanken. Mein irritierter Blick wandelte sich zu einem Lächeln: "Hi" "Zieh den lieber an" sagte er daraufhin abrupt und zeigte auf den Mantel, den ich über meinen Unterarm gelegt hatte. Ich runzelte verwundert meine Stirn: "Wieso? Mir wird warm im Auto mit dem Ding." murmelte ich. Er lachte amüsiert: "Wir fahren aber erstmal nicht. Komm mit." erklärte er mir und machte sofort kehrt. Ich zog mir schnell den Mantel an und schloss mit schnellen Schritten zu ihm auf: "Nicht so schnell." stoppte ich ihn. Er schaute mich aufmerksam an: "Ja?" "Wo willst du denn hin?" fragte ich zögerlich und biss mir wieder auf meine mittlerweile spröde Unterlippe. "Stell nicht immer so viele Fragen Yve." lachte mein Gegenüber nur und lief weiter. Ein paar Sekunden blieb ich irritiert stehen, aber als ich merkte, dass er sich nicht umdrehte, holte ich ihn erneut ein. Er sah so anders aus, wenn er keine Fußballklamotten trug. Fast schon normal, in den dunklen Jeans und dem Hoodie, der unter seiner Jacke zum Vorschein trat. Am liebsten hätte ich seine Kapuze gerichtet als ich bemerkte, wie schief sie saß. Er wusste, dass ich ihn von der Seite angaffte und lächelte nervös in meine Richtung: "Habe ich etwas in den Haaren?" fragte er dann unwissend und fuhr sich durch sein rot-blondes glattes Haar, welches ich noch nie so gestylt gesehen hatte. "Äh nein. Aber deine Kapuze sitzt komisch. Warte bleib kurz stehen, ich richte sie dir." gab ich zu und fummelte so lange an seiner Kapuze herum, bis sie gut saß. Er warf mir ein Lächeln zu: "Danke" und zwinkerte beinahe unauffällig. Nach einem kleinen Fußmarsch trat ein riesiger See zum Vorschein. "Was ist das?" fragte ich neugierig. "Der Phönixsee. Den muss man kennen wenn man hier in Dortmund wohnt. Ich wohne dahinten auf der anderen Seite seit dem ich aus dem Haus mit Scarlett ausgezogen bin vor einigen Monaten." erklärte er. Ich nickte bloß lächelnd und verkniff mir die Fragen, wieso sie denn in dem Haus wohnen blieb und er auszog. Das sie sich sowas überhaupt leisten konnte. Diese Gedanken nervten mich so, dass ich sie schnell beiseite schob und lieber dem Fußballprofi neben mir zuhörte. "Ich als waschechter Dortmunder kann nur sagen, dass es hier die besten Cafés gibt. Aber Kaffee mag ich nicht wirklich." Ich musste über diesen komischen Gegensatz lachen.
Wir entschieden uns für einen kleinen Spaziergang am See. Schließlich wollte ich den echten Marco kennen lernen und das ging einfach nicht, wenn er mir die Innenstadt gezeigt hätte. Besonders jetzt, wo so viele Fußballfans in Dortmund waren wegen des Spiels der Nationalmannschaft. Es war interessant, wie ruhig und gelassen er doch war ohne das ganze Tam Tam um ihn herum. "Du scheinst heute nicht so gesprächig zu sein wie sonst Yve." schmunzelte Blondie irgendwann. Ich löste meinem Blick von dem reflektierenden Wasser und schaute ihm in die Augen: "Ich höre dir nur zu. Ich finde es spannend was du erzählst." Marco schüttelte lächelnd seinen Kopf: "Ja total spannend, dass ich letzte Woche mit meinem Neffen im Kinderparadies war." grinste er. "Spannender als dein Fußballfetisch." lachte ich leise. "Ich habe heute vor dir noch kein Wort über den Fußball verloren." sagte er empört und blieb stehen. Ich tat es ihm gleich und grinste ihn an. Dabei fixierte ich seine Augen mit meinen: "Stimmt, da hast du dein Versprechen ja eingehalten." stimmte ich ihm schulterzuckend zu. Marco strahlte mich zufrieden an und nickte stolz.Im Stadion kamen wir erst sehr spät an. Marco war ganz gelassen, wir besorgten uns etwas zu trinken und eine Pommes bevor wir uns auf die Plätze fallen ließen. Wir stellten unsere Getränke ab und machten uns direkt über die Pommes her während die Spieler schon einliefen, das Spiel selbst war aber nicht der Rede wert. Es endete in einem Unentschieden und Marco war der festen Überzeugung, es liege an seinem Fehlen.
"Marco danke für den schönen Nachmittag, es hat echt total Spaß gemacht." lächelte ich dann, nachdem ich mich dazu überwinden musste, als wir das Stadion auch schon wieder verließen. Er lächelte mich von der Seite an und nickte: "Finde ich auch." Es war für ein paar Sekunden still zwischen uns. Kurz bevor wir an seinem Auto ankamen räusperte er sich beinahe schon verlegen und schaute mich fragend an: "Hast du vielleicht noch Lust zu mir na-" Noch bevor er weiter reden konnte, unterbrach ihn eine mir mehr als bekannte Stimme: "Yve, du hier? Das ist ja unglaublich." Ich runzelte, erschrocken von dem Anblick meines Exfreundes, die Stirn: "Ich wohne hier Leon." murmelte ich ein wenig genervt. Warum musste er denn genau jetzt schon wieder hier sein? Er war doch vorher sonst nie in Dortmund? "Hast du Lust noch etwas trinken zu gehen?" fragte er grinsend. Völlig von dieser unangenehmen Situation überrumpelt warf ich Marco einen hilflosen Blick zu. Zum Glück reagierte er sofort: "Kumpel es tut mir ja leid, aber dein Timing ist etwas schlecht. Wir wollten gerade noch zu mir gehen, einen Film gucken. Du weißt schon, wie man das als Paar so macht." grinste Marco plötzlich Leon an und legte seinen Arm beschützerisch um meine Schultern. Es war, als würde mich ein Blitz treffen. Gleichzeitig war ich einfach nur perplex von seiner schnellen, nennen wir es mal ausgefeilten, Reaktion. Leon fiel die Kinnlade herunter als er Marco so vor ihm stehen sah und schaute zwischen uns beiden hin und her. Ich zwang mich zu einem verschmitzten Grinsen: "Dann lass uns fahren." wendete ich mich schnell zu Marco nachdem ich mich räusperte. Er nickte, ich winkte Leon noch Zwecks der Schadensbegrenzung zu und stieg daraufhin zu Marco ins Auto. Dort atmete ich verzweifelt aus. Was war das denn bitte?

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Schmetterlingseffekt
Hayran KurguKann man alles einfach so stehen und liegen lassen für die Profikarriere des eigenen Bruders? Genau dafür entscheiden sich die 26-Jährige Yve Kühnert und ihre Familie. Obwohl sie in ihrem Alter schon für sich selbst sorgt lässt sie gemeinsam mit ihr...