5.

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"Ich kann immer noch nicht glauben, dass du dir dieses Trikot einfach aus der Hand hast reißen lassen! Wo ist denn deine Schlagfertigkeit geblieben?" schimpfte meine Mutter, als wir aus dem Stadion spazierten - diesmal etwas gelassener, denn die Massen an Fans waren scheinbar immer genau so schnell weg, wie sie kamen. "Ach ist doch jetzt wirklich ganz egal. Das ist ein blödes Trikot das gibt es hier doch echt an jeder Ecke." murrte ich bloß mit gerümpfter Nase, während ich eine Energydose vor meinen Füßen weg kickte, welche mit einem lauten Scheppern in die Richtung eines Mülleimers schoss, in welchen ich sie sann versenkte. Ich bemerkte, wie sie hinter meinen Rücken immer noch mit dem Kopf schüttelte und leise vor sich hin maulte, aber ich hörte ihr einfach nicht mehr zu. "Komm, dahinten steht Lennard schon und wartet auf uns." lenkte ich sie also ein paar Schritte später von der Trikot-Misere ab und zeigte in Richtung unseres Autos, an dem mein kleiner Bruder lehnte. Was dachte sie denn was ich mit dem Teil machen würde? Das wäre eh in irgendeiner Ecke gelandet. Meine Mutter, die hätte es höchstwahrscheinlich ganz stolz eingerahmt und ihn womöglich noch nach einer Unterschrift gefragt. Der Schritt meiner Mutter wurde nachdem ich Lennard erwähnte plötzlich noch schneller als mein eigener. Nachdem sie ihr Überholmanöver beendet hatte, fiel sie meinem Bruder, wie die Spielerfrauen eben ihren Männern, in die Arme und teilte ihm mit, wie stolz sie auf ihn war. Auch ich hatte meinen Bruder mittlerweile erreicht und wuschelte ihm durch die frisch gewaschenen Haare. Diesmal ernte ich dafür keinen bösen Blick: "Sauber Bruderherz, besser hätte es nicht laufen können." Nachdem Mama sich löste sah ich zum ersten Mal sein erschöpftes Gesicht. Aber er grinste noch, also keinen Grund zur Sorge: "Danke, danke für die Blumen. Aber das war echt nur Glück." spielte er seinen Erfolg auch noch herunter. "Ach quatsch" widersprach ich ihm direkt: "das war doch hundert prozentig pures Talent, nichts anderes."

Kurz bevor wir in unser Auto einsteigen wollten, tauchte Blondie plötzlich mal wieder aus dem nichts auf: "Lennard, das hast du echt gut gemacht, besser hätte es nicht laufen können." grinste dieser. Die beiden umarmten sich kurz und klopften sich auf die Schulter. Daraufhin schaute er herüber zu mir. Ich warf ihm ein schiefes Lächeln zu und wartete ab, was er jetzt schon wieder von mir wollte. Schon wieder erreichte mich dieses unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden, sobald er mich auch nur eines Blickes würdigte. "Wo hast du denn mein Trikot?" fragte er frech und zog seine rechte Augenbraue hoch. Ich überlegte kurz was ich sagen sollte und wusste immer noch nicht, wie ich seine Aufdringlichkeit überhaupt deuten musste. Auch Lennard war ein wenig irritiert, er schaute mindestens so verwirrt hin und her wie unsere Mutter zuvor, als die zickige Scarlett ihrem Ruf nacheiferte. Ich ließ meinen Blick kurz über den Parkplatz schweifen. Es dauerte nicht lange bis Blondchen, an einem schwarzen Sportwagen gelehnt, in mein Radar fiel, sodass meine inneren Alarmglocken läuteten. Ich räusperte mich, schaute erneut an diesem Tag in diese präsenten grün braunen Augen und setzte dann endlich an zu reden: "Frag doch deine Freundin dahinten mal warum sie zwei Trikots bei sich hat." konterte ich also selbstbewusst, obwohl er doch gar nichts dafür konnte. Aber es musste sein, denn nur kurz darauf konnte ich eine Kopfbewegung machen, die meine Familie dazu verleitete ins Auto zu steigen, während er zu seinem Sportwagen herüber sah. Aus dem Fenster sah ich noch wie der Fußballprofi ein wenig perplex und wie angewurzelt an Ort und Stelle stehen blieb, während der Wagen los rollte und sich dann den Hinterkopf kratzte, bis er sich auf den Weg zu seinem Auto machte, um eine hitzige Diskussion mit der zickigen Blondine zu führen. Man was waren das denn bloß für Unannehmlichkeiten? Ehrlich gesagt wollte ich einfach nur noch in mein Bett und nicht mehr an das alles denken. Ich verstand sowieso nicht, was das alles plötzlich von ihm sollte. Ich fühlte mich irgenwie überhaupt nicht für voll genommen von ihm. Dachte er etwa ich wäre einer seiner wild gewordenen Teenie-Fans? Das wär's ja noch.
Jedenfalls durfte ich mich erstmal noch nicht auf mein weiches Bett freuen. Meine Mutter wollte unbedingt noch mit uns zweien Essen gehen, um die Ankunft in Dortmund endlich gebürtig zu feiern. Mir sollte es recht sein. Pizza ging doch immer, oder lag ich da falsch? Lennard war begeistert. Den ganzen Abend lang durfte ich daraufhin Teamstrategien und Mannschaftsinsidern lauschen. Auch das sollte mir recht sein, ich freute mich einfach für ihn, dass er sich so wohl fühlte. Mittlerweile schien es doch die richtige Entscheidung gewesen zu sein für ihn und seine Karriere nach Dortmund zu ziehen. Ich konnte trotzdem nicht aufhören, an diese verwirrende Situation mit Marco zu denken. Hatten Trikots in diesem Zusammenhang irgendeine geheime Message? Und warum klopften seine Kollegen ihm auf die Schulter? Vor allem fragte ich mich, wieso er sogar nach fragte wo es sei. Am meisten aber schlauchte mich der Gedanke an diese blonde Göre. Was fiel der eigentlich ein? War es in ihrer Welt etwa normal eine sterbliche Person ohne Wert zu behandeln? Man war ich in diesem Moment froh, nicht so eine Person zu sein. "Worüber denkst du nach mein Schatz?" ertönte die Stimmer meiner Mutter plötzlich in meinem weit entfernten Gedankenstrudel. Ich schaute von meiner Pizza zu ihr hoch und bemerkte ihren besorgten Blick. Erst jetzt nahm ich wahr, dass ich gar nicht meine Pizza schnitt, sondern in die leere meines Tellers. "Ach über nichts, ich bin bloß erschöpft von diesem Tag." log ich.

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