Als Leon durch die Tür der Bar kam, blieb für einen kleinen Moment mein Herz stehen. Schnell trank ich den letzten Rest aus meinem Glas, der sich durch das schmelzen der Eiswürfel gebildet hatte und versuchte meinen verwirrten Kopf ein wenig zu sortieren. Ich brauchte nach diesem weiteren Schock eigentlich noch einen Tequila. Musste es ausgerechnet Leon sein der mich abholte? Warum war der überhaupt schon wieder in Dortmund? Geknickt schaute ich ihn an und wartete schon auf meine Standpauke, aber er grinste bloß liebevoll und legte seinen Arm um meine Schultern, bevor er mich fest an sich drückte. "Soll ich fragen stellen?" fragte er leise, sodass nur ich es hören könnte. Ich schüttelte langsam meinen Kopf. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass Marco derjenige wäre der mich angerufen hatte. Aber es war besser, dass er mich nicht so sah. Vor meinem Exfreund konnte ich mich wenigstens blamieren. Was würde Marco nur von mir denken wenn er das von meiner Mutter wüsste? Schon jetzt beschloss ich, es ihm nicht zu erzählen. Sowas konnte er sich doch gar nicht leisten, so sehr wie er in der Öffentlichkeit stand. Am liebsten hätte ich ihn ganz davor geschützt, deshalb an den Pranger gestellt zu werden. Deswegen wäre Abstand waren jetzt wohl angesagt. "Tust du ja schon" antwortete ich ihm auf seine Frage. Er musste lachen. Daraufhin nickte er dem Barkeeper zu und schob mich nach draußen. Meine Beine konnten mich fast nicht mehr tragen vor lauter Alkohol. "Leon" murmelte ich leise. Das Reden viel mir schwer. "Hm?" lächelte er und sah mir direkt in die Augen. "Meine Mutter... ist 'ne Schlampe." lallte ich. "Yve!" ermahnte Leon mich schockiert. Ich zuckte mit den Achseln: "Ist doch so." murmelte ich also wieder. "Wie kannst du sowas zu ihr sagen?" fragte er mich erschüttert. "Na ich habe ihr Auto heute morgen auf dem Parkplatz eines Bordells gesehen.","Was hast du denn bei dem Bordell gemacht?" fragte er irritiert. "Ich habe ihr hinterherspioniert." grinste ich. Leon stöhnte genervt auf. "Was machst du eigentlich hier?" fragte ich irgendwann, als es mir wieder einfiel. Er schien ziemlich froh über den Themenwechsel zu sein: "Ich habe Lennard im Krankenhaus besucht. Er ist aber seit heute Abend wieder zuhause.","Im Ernst?" fragte ich erschüttert. In meinem Magen drehte sich alles, aber das versuchte ich gekonnt zu unterdrücken. Ich glaube, die frische Luft war gar nicht optimal für mich. "Ja, wusstest du das nicht." Ich zuckte mit den Achseln: "Wie denn auch? Ich kam heute nicht dazu ihn zu besuchen.","Man Yve sowas hast du noch nie gemacht. Was soll das denn? Du warst immer gegen sowas. Vor allem wegen deines Vaters." meckerte Leon genervt. Mir war es ehrlich gesagt egal. Mich nervte es, dass Leon hier herum rannte und den Guten spielte. So ein Mist, dass er und Lennard sich noch so gut verstanden. "Danke fürs abholen." sagte ich daraufhin, um ihn etwas zu besänftigen. Er winkte bloß ab. "Hast du deine Mutter zur Rede gestellt?","Ne, will ich auch nicht.","Warum? Damit dein Fußballer-Freund keinen Wind davon kriegt? Warum holt der dich denn nicht ab?" fragte er provozierend. Bei dem Wort Fußballer-Freund musste ich erst einmal überlegen wen er meinte bis ich darauf kam, dass er auf Marco anspielte. Wahrscheinlich wegen der Sache nach dem Fußballspiel vor einigen Wochen. "Marco ist nicht mein Freund." sagte ich bloß wütend. "Oh, da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen." grinste Leon blöd. Ich war ehrlich gesagt ab diesem Zeitpunkt nur noch genervt von ihm. "Was soll das jetzt? Bist du eifersüchtig?" fragte ich also langsam. Mein Hirn musste ganz schön arbeiten, um dem Gespräch folgen zu können. "Wieso auch nicht?" Leon zuckte mit den Achseln. Irritiert blieb ich stehen. "Jetzt ehrlich? Leon ich habe doch nicht wegen Marco mit dir schluss gemacht." sagte ich klar und deutlich. "Was meinst du wie die Zuhause über mich lachen nachdem das am Stadion passiert ist und alle meine es auch noch Freunde mitbekommen haben.","Das tut mir leid." sagte ich nur. Was auch sonst. Für mich war Marco trotzdem nur ein Mensch wie Leon und ich es waren. "Du solltest Marco nochmal richtig kennen lernen. Er ist ein toller Mensch." lächelte ich daraufhin ehrlich. "Da kann ich ehrlich gesagt drauf verzichten." antwortete Leon ebenso ehrlich. Also zuckte ich mit den Achseln. Meine Gedanken schweiften auch unmittelbar ab, als es still zwischen ihm und mir wurde. Ich musste daran denken wie es war als wir noch zusammen waren. Als die Welt noch heile und vernünftig war und nicht so kompliziert und stressig. Das konnte doch nicht wahr sein, dass das alles nur wegen Dortmund zerbrach. Wie konnte ich das mit meiner Familie nur wieder gerade biegen. Aber war das überhaupt meine Aufgabe? Ich hoffte immer noch, dass meine Mutter endlich bemerkte, dass das was sie tat ein großer Fehler war. Vielleicht sollte ich ausziehen. Aber ob das richtig war? Ich konnte Lennard doch nicht alleine bei ihr lassen. Eins war sicher. Es blieb erstmal ein Geheimnis. Lennard hatte sich auf das Fit werden zu konzentrieren und seinen Ruf und Marcos Ansehen würde ich nicht zerstören wollen. Das hieß für mich nun volle Konzentration auf Lennard und dafür Abstand zu Marco und meiner Mutter. Das wäre das Beste. So blieb alles wenigstens wie es war und ich würde nicht noch mehr verlieren, was mir wichtig war. An meinem Auto angekommen reichte ich Leon meine Schlüssel. "Yve, ich werde nichts verraten." sagte er nur noch zu mir: "Auch nicht das über deine Mutter Lennard und das du so ausgeartet getrunken hast auch nicht." Ich nickte: "Danke." Wenigstens konnte man sich auf ihn verlassen. Das war doch schon mal viel wert. In Gedanken konzentrierte ich mich während der Fahrt auf einen Plan für die nächsten Wochen. Ich schob meine Pläne hinten dran. Es stand so viel für Lennard an; sein Abitur, der Fußball. Der arme hatte ja sogar beinahe Existenzängste. Da konnte ich nicht einen auf egoistisch machen. Vor allem nicht jetzt, wo die Hütte zuhause brannte. Das war nicht mein Stil. Trotzdem sehnte ich mich. Nach Freiheit, nach Erfolg im eigenen Leben auch wenn ich noch nicht ganz wusste wo mich mein Berufsleben noch hinführen würde. Und nach Liebe. Danach sehnte ich mich sobald ich wieder nüchtern wurde irgenwie ganz besonders. Aber auch das unterdrückte ich. Auch das musste nun hinten anstehen.
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Schmetterlingseffekt
Hayran KurguKann man alles einfach so stehen und liegen lassen für die Profikarriere des eigenen Bruders? Genau dafür entscheiden sich die 26-Jährige Yve Kühnert und ihre Familie. Obwohl sie in ihrem Alter schon für sich selbst sorgt lässt sie gemeinsam mit ihr...