34.

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Mit schnellen Schritten schlug ich also den Weg nach Hause ein. Wie sollte es auch anders sein? Ich fühlte mich hundeelend. Was dachte ich denn, würde er mir sagen? Yvonne, ist doch egal und völlig normal? Ne. So dachte ich selbst doch nicht mal.
Energisch ließ ich die Haustür hinter mir ins Schloss fallen und regte mich weiterhin auf. Wie Lennard es gerne tat, kickte ich meine Schuhe in die Ecke und traf zu allem Übel im Wohnzimmer auch noch auf meine Mutter. Fragend schaute sie mich an: "Yve, ist etwas passiert?" fragte sie überrascht. Ich riss meine Augen auf bei dieser sagenhaft scheinheiligen Frage. "Ja" antwortete ich trocken. "Was ist denn los?" meine Mutter kam auf mich zu und wollte mir ihre Hand auf die Schulter legen, um mir ihr Mitgefühl besonders deutlich zu machen. Ich wich schnell zur Seite ehe sie mich berühren konnte und schüttelte mich kurz. Ihr fragender Blick wurde immer intensiver. "Ich möchte jetzt bitte alleine sein." murmelte ich daraufhin bloß und wollte in Richtung Zimmer verschwinden. "Yve bitte. Lass uns darüber reden." begann sie plötzlich. Ich blieb mit dem Rücken zu ihr gedreht stehen und biss mir erschrocken auf die Unterlippe: "Reden? Worüber denn?" fragte ich sie scheinheilig. Meine Mutter seufzte laut. Ich konnte genau hören, wie sie in Richtung Küchentheke ging und sich dort auf einen der Hocker setzte. Langsam drehte ich mich um, ich ahnte schon was sie meinte, konnte mir aber nicht vorstellen woher sie wusste, das ich es wusste. "Ich weiß, dass du von meinem neuen Job weißt." gab sie plötzlich zu. Ich warf ihr einen irritierten Blick zu. Mir wurde plötzlich so warm wie bei dreißig Grad in der prallen Sonne am See. Da wäre ich am liebsten auch gewesen in diesem Moment, anstatt das Gespräch mit meiner Mutter zu führen, das ich schon seit Wochen umging. "Woher?" stotterte ich leise und verschränkte verunsichert meine Arme vor der Brust. "Ich habe dich im Auto dieser blonden Spielerfrau gesehen, durch das Fenster." erklärte sie mir ruhig. In mir brodelte es. Wieso sagte sie dann die ganze Zeit über nichts und ließ mich alleine mit diesem Wissen? "Warum prostituierst du dich?" kam es plötzlich endlich aus meinem Mund. Genau so vorwurfsvoll wie es sich in meinen gedanklichen Szenarien es sich auch immer angehört hat. Schon wieder seufzte sie: "Ich hatte ganz schöne Geldsorgen durch den Kredit den ich aufgenommen habe für den Umzug. Ich habe mich wohl ganz schön über den Tisch ziehen lassen. Erst war ich wirklich in einer Firma und habe mich um die Finanzen gekümmert. Eine Kollegin hatte mir dann erzählt, dass sie im Bordell ordentlich Geld dazu verdienen würde, um ihr Haus ab zu bezahlen. Erst fand ich es sehr verwerflich - ich meine ihr eigener Mann wusste davon nichts. Dann habe ich aber gedacht, dass ich alleinstehend bin und es anders nicht gehen würde. Es wurde zu einem Selbstläufer. Ich wollte dich und Lennard nicht um Geld bitten." Ich hörte ihr ganz ruhig zu und war letztendlich selbst zwiegespalten. Trotzdem sollte diese Beschäftigung niemals der einzige Ausweg einer Frau sein. Doch für wen hatte sie es denn gemacht? Für uns. Für Lennard und für mich. Ich ging ein paar zaghafte Schritte auf sie zu und nahm sie in den Arm. "Bitte sag es nicht Lennard." flehte sie unter Tränen. Ich überlegte kurz. Was brachte es ihm wenn er es wüsste? Er würde sich nur Gedanken darüber machen und sich nicht mehr auf sein Comeback in den Kader konzentrieren. Ich löste mich von meiner Mutter, die sich umgehend die Tränen aus dem Gesicht wischte und schaute sie prüfend an: "Ich sage ihm nichts, aber dafür hörst du auf damit und nimmst seine Hilfe an." forderte ich. Meine Mutter nahm sich tatsächlich Zeit, noch zu überlegen. Ich zog gerade meine Augenbrauen in die Höhe, da knickte sie ein: "Okay." murmelte sie leise. Die Standpauke, dass sie unsere Familie auf dem Gewissen hatte sparte ich mir fürs Erste. Ich raufte mir die Haare. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen, aber gleichzeitig lag immer noch eine riesige Last auf meinen Schultern. "Wo ist Lennard eigentlich?","Der ist noch auf der Gartenparty von seinem Mannschaftskollegen." erklärte ich. "Kommst du da auch gerade her?" fragte sie lächelnd. Es fühlte sich komisch an, dass sie so tat als wäre nie etwas vorgefallen, aber erstmal spielte ich mit. "Ja ich war auch da. Ich bin mit der Gastgeberin befreundet." erklärte ich kurz angebunden: "Du ich bin auch total müde jetzt. Ich gehe lieber mal schlafen." fügte ich schnell hinzu und verschwand binnen weniger Sekunden in meinem Zimmer. Dort öffnete ich einfach nur den Rock, der mir die ganze Zeit schon die Luft abgeschnürt hatte und ließ mich ins Bett fallen. Natürlich kreisten meine Gedanken jetzt um den Blondschopf, der meinte er müsse innerhalb weniger Monate mein Herz im Sturm erobern. Meine Finger fuhren langsam über meine Lippen, auf denen vor kurzem noch seine lagen, in der Hoffnung ich konnte dieses Gefühl noch einmal erwachen lassen. Natürlich klappte das nicht. Andererseits - wenn Marco nicht zu mir und meiner Familie stehen konnte, dann konnte er es nicht wert sein. Irgendwie gab es mich doch nur zu dritt. Gerade, als ich meine Decke ganz tief ins Gesicht gezogen hatte und meine Augen schloss, klingelte mein Smartphone. Schnell sprang ich auf und kramte es aus der Seitentasche meines Jeansrocks den ich getragen hatte und ließ mich in einen Schneidersitz auf den Teppich fallen. So sehr ich mir eingebildet hatte, dass auf dem Display Marco stand, dort stand Jenny. Ein wenig geknickt drückte mein Daumen auf den grünen Hörer. "Liebes wo seid ihr?" hörte ich sie laut fragen. Ich hielt das Telefon etwas weiter von meinem Ohr weg: "Ihr?" hakte ich nach. "Marco und du, wer sonst? Erst macht ihr hier so einen Film und dann? Haut ihr von meiner Party ab oder was? Hat es sich wenigstens gelohnt?" der freche Unterton in ihrer Stimme bewies, dass sie von etwas anderem ausging, als es der Fall war. "Ich hab ihm gesagt, was mit meiner Mutter ist und bin dann gegangen, weil er nichts dazu gesagt hat. Kein einziges Wort." schluchzte ich dann doch verletzt auf, obwohl ich versucht hatte es zurück zu halten. Am anderen Ende hörte man plötzlich einige Türen knallen, bis die Party im Hintergrund nicht mehr zu hören war: "Wie bitte?" fragte sie dafür umso lauter und vor allem eins - sauer.

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