Ich warf Jenny einen verschmitzten Seitenblick zu und schüttelte gleichzeitig grinsend meinen Kopf. Nachdem der Milchkaffee seinen Weg herunter in meinen Magen bahnte, schüttelte ich mich kurz, um einen Zuckerschock zu vermeiden, was aber nicht so klappte wie ich es mir vorgestellt hatte. War wohl doch viel zu viel. "Übrigens" sagte Jenny während sie wie wild auf ihrem Smartphone herumtippte: "Mir ist dein schelmischer Blick nicht entgangen meine Liebe. Da geht doch mehr bei euch." "Ne, da geht nichts." murmelte ich als ich an den Händedruck von ihm heute Morgen zum Abschied dachte und versuchte verzweifelt die Zuckerklumpen mit meinem Löffel aus dem Kaffee zu schöpfen. "Bestell dir doch einfach einen Neuen. Das nervt." lachte Jenny, als sie mich beobachtete. "Ne, warum auch? Bin ja selbst schuld." murmelte ich wieder leise. Sie warf mir einen genervten Blick zu: "Hätte ich gewusst, dass du so drauf bist, hätte ich dir nicht zugewunken. Definitiv nicht. Was ist denn los mit dir? Es kann doch nicht nur an deinem Bruder und Marco liegen?" hakte sie nach. Ich biss mir nervös auf meine Unterlippe als ich darüber grübelte, wie ich meine Sorgen am besten verpacken könnte. "Wenn du nicht wüsstest, wo deine Mutter überhaupt arbeitet und sie aber ständig weg ist, würdest du dir dann sorgen machen?" fragte ich sie daraufhin. Jenny zuckte mit ihren Achseln: "Bestimmt. Wieso fragst du?","Naja meine Mutter ist seit dem wir hier hergekommen sind so anders. Ich weiß kaum, was sie eigentlich den ganzen Tag macht und sie redet auch nicht mit mir darüber. Eben war ich kurz Zuhause und dann habe ich in einer Kurzschlusssituation in ihrem Zimmer nach Unterlagen gesucht. Jetzt fühle ich mich schlecht." erklärte ich endlich und fühlte mich direkt erleichtert als es raus war. Jenny grübelte sichtlich erstaunt über meine Worte und legte sogar ihr Smartphone zur Seite: "Hast du denn wenigstens etwas gefunden?","Nein. Ich habe mich eher gewundert und stehe noch mehr auf dem Schlauch. Keine Unterlagen, nur Klamotten überall. Dabei ist sie eigentlich so eine penible Person." Mitfühlend legte Jenny ihre Hand auf meinen Unterarm: "Ich verstehe, dass du dir Gedanken machst, aber ich glaube es hilft nichts anderes als ein persönliches Gespräch." riet sie mir. Ich seufzte: "Ja ich weiß. Aber erst wenn es Lennard wieder besser geht." antwortete ich. Jenny nickte bestätigend. Apropos Lennard. Er müsste schon lange wieder aus dem OP heraus sein. Mittlerweile waren einige Stunden vergangen. Ich schob also diese Gedanken wieder beiseite und verabschiedete mich kurzerhand von Jenny, da mein schlechtes Gewissen mich schon wieder von innen auffraß, nicht bei meinem kleinen Bruder zu sein. Der Gedanke, dass er alles im Krankenhaus alleine durchstehen musste zermürbte mich total. Ich hätte ihm am liebsten alle Strapazen abgenommen. Welche große Schwester denn auch nicht? Auf meinem kleinen Fußmarsch durch Dortmund ins Krankenhaus dachte ich über die vergangenen Monate nach und wie viel sich geändert hatte. Es hatte sich eigentlich alles um 180 Grad gedreht, nur war ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher ob zum Guten oder zum Schlechten.
Als ich vorsichtig Lennards Zimmer betrat, versuchte ich so leise wie möglich zu sein und hielt meinen Atem solange an, dass ich schon fast nach Luft hätte ringen können. Ich ließ meinen Blick zunächst schnell durch den Raum schweifen und sah, wie Marco am Bett meines Bruders saß und ihm Mut zu zureden schien. Ein wenig stolz musste ich lächeln und wollte diese schöne Situation nicht stören. Mir wurde richtig warm ums Herz. Doch der plötzliche Hustenanfall den ich plötzlich bekam machte dann doch auf mich aufmerksam. "Hi Yve" strahlte Lennard glücklich. Wenigstens war er gut zufrieden und die Depri-Phase schien ein Ende zu nehmen. "Bist du immer noch nicht gesund?" fragte Marco verwundert. Ich schüttelte den Kopf: "Aber das ist nicht so wichtig momentan." winkte ich schnell ab und ließ mich auf den Bettrand von Lennards kleinem Krankenhaus Bett plumpsen. Ich war froh, dass das Thema Grippe damit erstmal abgehakt war. "Wie geht es dir nach der OP?" fragte ich ihn daraufhin also besorgt. "Gut, ich hoffe das alles wird schnell wieder." antwortete Lennard, schon nicht mehr ganz so geknickt wie zuvor. Ich nickte euphorisch: "Mit Sicherheit. Habe ich dir doch gesagt." grinste ich und wuschelte ihm durchs Haar. Marco zwinkerte mir zu. Wir unterhielten uns noch ein wenig, bevor eine Krankenschwester uns bat zu gehen. Schließlich wurde Lennard ja heute operiert und brauchte jetzt erstmal Ruhe. Also liefen Marco und ich still nebeneinander durch den Flur ins Krankenhaus, um zum Parkhaus zu kommen. Gerade als ich mich von ihm verabschieden musste, weil mein Auto in einer anderen Richtung stand als seins, griff er nach meiner Hand und zog mich eng an sich heran. Sein Blick durchbohrte mich förmlich als er tief in meine Augen schaute und sanft das Lächeln begann, bevor er gefühlvoll seine Lippen auf meine legte während die Neonröhren über uns vor sich hin flackerten. Irgendwie war er ja schon ein toller Mann. "Danke, dass du das für Lennard getan hast." lächelte ich, als wir uns voneinander lösten. "Was denn?" fragte er verwundert. "Du hast für ihn deine Krankenhausphobie überwunden, um ihm Mut zu machen. Das hat er echt gebraucht." Marco winkte ab: "Ach das" und zwinkerte mir zu. Dann legte er seine Hände auf meine Hüften und drückte mich noch enger an sich heran: "Möchtest du nicht lieber mit zu mir kommen? Ich könnte uns etwas kochen." säuselte er daraufhin leise. Mir lief das Wasser schon bloß bei dem Wort Essen im Mund zusammen. "Ja gerne." Marco schaute mich verwundert an: "Echt?" "Ja echt. Wieso tust du denn jetzt so schockiert?" fragte ich und lachte leise. Er zuckte mit den Achseln: "Ich dachte es würde mich mehr Überzeugungskraft kosten." entgegnete er. Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe: "Wie kommst du denn darauf?" "Ich weiß es nicht. Anscheinend gefällt dir endlich meine Nähe." scherzte er. Ich verdrehte bei dieser Flirtoffensive eher meine Augen: "Vielleicht hat mich auch das Wort Essen einfach angesprochen." konterte ich also. Marco schüttelte bloß lachend seinen Kopf. Daraufhin griff er einfach so nach meiner Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Ein wohliges Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Man, dieses Gefühl, das hatte ich ja ewig nicht mehr.

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Schmetterlingseffekt
FanfictionKann man alles einfach so stehen und liegen lassen für die Profikarriere des eigenen Bruders? Genau dafür entscheiden sich die 26-Jährige Yve Kühnert und ihre Familie. Obwohl sie in ihrem Alter schon für sich selbst sorgt lässt sie gemeinsam mit ihr...