44.

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Ich löste mich vorsichtig aus der Umarmung mit Marco und schaute tief in seine wunderschönen Augen. Er lächelte ein wenig unsicher und ich tat es ihm natürlich gleich. Warum fühlte ich mich bei ihm bloß so wohl und geborgen? Warum konnte ich mich so nicht bei Leon fühlen? Warum musste alles denn immer so kompliziert sein? Irgendwie hatte ich mir das alles selbst eingebrockt, also sollte ich aufhören zu meckern. Aber wo konnte ich denn jetzt anfangen etwas zu ändern? Und vor allem, für wen sollte ich mich denn jetzt bloß entscheiden?
Ich hatte mich dazu entschlossen, diese Gedanken erstmal hinten anstehen zu lassen und mich auf Marco zu fokussieren. Ich war hier, in seinen Armen, dass war etwas, dass ich mir unterschwellig schon die ganze Zeit über gewünscht hatte, wonach ich mich gesehnt hatte. Manchmal wollte ich es verfluchen, dass ich ihn kennengelernt hatte, aber eigentlich brachte er so viel positives in mein tristes Leben. Marco legte seine Hand behutsam auf meine Wange und schaute mich genau so ratlos an. Noch immer stand ich in seinem Hausflur, vor keiner halben Stunde aus der Wanne gesprungen, mit nassen, ungekämmten Haaren, einer viel zu großen Jogginghose und wusste gar nicht wie ich mich überhaupt wieder hier her verirrt hatte. Ich konnte diese Blicke und die Spannung zwischen uns nicht mehr aushalten und legte ohne großartig darüber nachzudenken meine Lippen auf seine. Er musste in den Kuss hinein lächeln. Der Kuss steckte voller Sehnsucht. Obwohl ich mich so nach seinen Lippen gesehnt hatte, konnte ich mich jedoch nicht fallen lassen. Ich betrog gerade den Menschen, der immer für mich da war und nicht mal mit der Wimper zuckte, als ich ihn zurück wollte, den der mich aufgebaut hatte und mir trotzdem nicht vorwarf, warum ich ihn verlassen hatte, den der eigentlich schon Teil meiner Familie war. Aber was sollte man gegen seine wahren Gefühle tun? Ich wusste langsam nicht mehr wo mir der Kopf stand. Ich konnte mir etwas einbilden oder ehrlich sein, aber bei wem bildete ich mir etwas ein und bei wem war ich ehrlich? War es denn nun Liebe zwischen Marco und mir oder nicht? Ich löste mich abrupt wieder von ihm. Marco wusste genau woran ich in diesem Moment denken musste und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Ich seufzte laut, Marco machte die Tür endlich hinter mir zu und ich zog meine Jacke aus. "Ich komme mir völlig verrückt vor." murmelte ich leise und rieb mir das Gesicht, als ich mich auf sein Sofa gesetzt hatte und meinen Kopf in Richtung Schoß bewegte um ihn in meinen Händen zu vergraben. Marco legte wortlos seine Hand auf meinen Rücken und streichelte ihn aufbauend. "Wie soll ich das Leon nur alles erklären? Das geht nicht. Ich kann mich nicht schon wieder von ihm trennen. Das wäre so unfair. Eigentlich bin ich doch gar nicht so, ich weiß wirklich nicht was aus mir geworden ist." redete ich schon fast hysterisch ohne Punkt und Komma. "Ich kann sehr gut verstehen, dass du verwirrt bist. Du solltest erstmal alles mit Lennard klären und dann wird er dich mit Sicherheit verstehen und dir helfen. Den Rest regelst du dann Schritt für Schritt und ich persönlich könnte jede deiner Entscheidungen nachvollziehen." Ich zuckte mit den Achseln und war verwundert wie gelassen er das mit Leon und mir nahm: "Oder Lennard weist mich ein." sagte ich trocken. Obwohl die Situation durchaus eine ernste war, lachten wir gemeinsam. Ich drehte mich zu dem Blondschopf und musterte ihn: "Ich konnte eben nicht zuhause in der Badewanne liegen und daran denken, wie du hier alleine in deiner Wohnung sitzt." gab ich zu. Nun war es Marco der seufzte: "Ich weiß auch schon gar nicht mehr was ich denken soll. Ich gucke eine Serie nach der anderen und denke langsam wir wären in einem schlechten Film." Schon wieder lachten wir beide leise. Ich lehnte mich nach hinten und legte meinen Kopf auf seine Schulter ab. Ich saß zwischen zwei Stühlen und hatte keine Ahnung wie ich da wieder heraus kam. Schon wieder hatte ich völlig impulsiv entschieden hier her zu fahren, wie vor einigen Wochen zu Leon. Nur diesmal hatte ich vergessen, dass alles nun Konsequenzen haben würde. Wie konnte das nur alles passieren? Ich war immer eine Person die versuchte, möglichst rational zu handeln. Irgendwie hatte ich mir selbst einen Streich gespielt. Die Schuld lag alleine bei mir, aber ein schlechtes Gewissen mein gegenüber, das hatte ich nicht. Hätte ich nicht so impulsiv gehandelt, wäre ich nicht zu Leon gefahren. Ich hätte doch auch zu Marco fahren können an dem Abend und ihn nochmal zur Rede stellen können. Ich genoss es, wie Marco mir immer wieder langsam über meine Haare und meinen Oberarm streichelte mit der Hand, die er um meine Schultern gelegt hatte, während wir beide still waren, um für uns zu überlegen, was wir denn nun tun sollten. Diese Stille war beinahe unerträglich für mich. Am liebsten hätte ich jetzt sofort auf der Stelle eine Lösung gehabt. Ich ging so weit, mir schon Kräfte zu wünschen wie Bibi Blocksberg sie hatte, um meine Probleme einfach weg zu zaubern oder um einen Rückhexspruch zu benutzen, der mich nochmal anders hätte handeln lassen können. Doch es konnte keiner mir helfen, außer ich mir selbst indem ich endlich ehrlich war. Zu mir, zu Lennnard, zu Leon und zu Marco. Alle drei hatten es verdient. Leon, der würde wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit mir wechseln und sofort nach Hause fahren. Wer konnte es ihm verübeln? Ich war echt ein schlechter Mensch. Riss unsere Beziehung und Freundschaft auseinander und spielte mit seiner Liebe. Ich war fast schon wie Scarlett, nur unkontrollierter. Marco gab mir jedoch kein einziges mal das Gefühl, dass ich etwas falsch gemacht hätte. Er ging so verständnisvoll und liebevoll mit mir um und machte das Drama nicht noch größer, sondern übte sich in Gelassenheit. Zun ihm hatte ich eine ganz andere Ebene und Bindung als Leon und ich jemals hatten. Kein Wunder warum ich sofort auf den Weg zu ihm gemacht hatte. Und jetzt? Jetzt lag es alleine an mir wie ich alles wieder gerad bog, ohne die wichtigsten Menschen zu verlieren, die ich hier hatte. Ich musste morgen unbedingt zu Jenny fahren. Nur sie wusste was ich tun konnte. Sie würde mir einen ganz schönen Einlauf geben und sauer sein. Ich hatte echt glück, sie kennen zu lernen. Hoffentlich hatte sie wenigstens einen Ansatz zur Lösung, denn Marco und ich saßen immer noch wie versteinert auf seinem Sofa und starrten Löcher in die Luft. Keiner von uns wusste wie wir das wieder hin bekamen, geschweige denn wo wir anfangen sollten. Das hatte ich noch nie. Mein Schädel fühlte sich an, als wäre er mit Watte gefühlt, kein Gedanke ging so richtig durch oder machte Sinn. In Gedanken verloren spielte ich also mit Marcos Fingern, nachdem er seine Hand auf meinem Oberschenkel platzierte. Dann räusperte er sich plötzlich laut: "Ich weiß das hört sich jetzt vielleicht bescheuert an Yve, aber du bist mir sehr wichtig. Ich glaube daran, dass wir das irgendwie hinbekommen, sodass möglichst wenig Schaden entsteht. Zusammen schaffen wir das schon. Auch wenn ich jetzt noch nicht weiß wie." erklärte er mir ehrlich. Ich schaute in seine strahlenden Augen und hatte nun selbst ein wenig Hoffnung bekommen. Als ich endlich wieder sanft, aber aufrichtig lächelte, drückte er mir zufrieden einen Kuss auf die Stirn. Den hatte ich eigentlich garnicht verdient.

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