42.

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Jenny und ich diskutierten nicht weiter über mein Liebesleben. Die in mir aufkommenden Zweifel versuchte ich zu unterdrücken. Natürlich war mir bewusst, dass ich mich relativ schnell für Leon entschieden hatte, aber das war doch nicht bloß eine Laune von mir oder? Ich dachte es sei das richtige ihn zu nehmen. Schließlich war ich auch nicht mehr die Jüngste und mit Ende zwanzig wollte ich mich nicht mehr einer Beziehungsmisere hingeben, die mich erniedrigte. Ich fühlte mich emotional von Marco entblößt. Ich hatte mich ihm geöffnet nachdem ich ihn monatelang von mir gestoßen hatte und wurde direkt von ihm verletzt. Das war keine gute Basis für eine Beziehung. So konnte das alles doch nicht funktionieren. Leon hingegen, er hatte mir noch nie weh getan. Wir waren immer glücklich miteinander. Aber war das richtig, zwei komplett unterschiedliche Menschen miteinander abzuwägen um herauszufinden wen ich wirklich liebte? Ich umklammerte mein Lenkrad fest, nachdem ich irgendeine Schnulze die gerade im Radio lief lauter drehte als ich nach Hause fuhr. Jetzt war es doch sowieso egal. Der Marco-Zug war abgefahren und das mit einem lauten Knall. Den könnte ich so schnell nicht wieder in mein Leben lassen. Vor allem nicht, wenn ich jetzt Leon hatte. Ich fühlte mich schon wieder schlecht Leon gegenüber. Er liebte mich wirklich und meine Gedanken schweiften immer wieder zu diesem blonden Idioten ab. Das musste aufhören. Ich wollte einen vernünftigen Mann, einen mit dem ich die Zukunft planen konnte, der mir die Sterne vom Himmel holte und das war Leon. Marco würde mir auch Sterne vom Himmel holen, aber sie im Endeffekt für sich selbst beanspruchen. 
Trotz meiner unzähligen Versuche mir Marco aus den Kopf zu schlagen, blieben auch Jennys Worte in meinem Hirn eingebrannt. Ich war komplett aufgewühlt und einfach froh, wieder zuhause angekommen zu sein. Lennard und Leon sind noch mit ein paar Mannschaftskollegen meines Bruders in eine Bar gefahren und meine Mutter schien auch noch arbeiten zu sein. Sie war zwar immer noch so oft und zu komischen Zeiten weg, aber ich war froh mir sicher sein zu können, dass sie ihren zwielichtigen Job für Lennard und mich aufgegeben hatte. Das war doch perfekt. Ich hatte genug Zeit mich neu zu sortieren. Vielleicht würde ich ein Bad nehmen und ein bisschen Lesen. Mit einem Glas Wein. Einfach mal abschalten und den Rechner herunterfahren. Hoffentlich würde Jenny nicht nochmal anrufen, dachte ich mir, als ich gerade das Auto abschloss. Plötzlich hörte ich wie sich Schritte näherten und schreckte auf. Durch mein ganzes Gedankenchaos wurde ich schon verrückt. Ich schaute kurz hoch um mich zu vergewissern, dass es eh nur ein langweiliger Passant war, der an unserem Haus vorbei ging, wurde dann aber doch misstrauisch. Vorsichtig ging ich zur Straße und schaute nach links. Mein Herz rutschte mir in die Hose. Da stand doch tatsächlich der Blondschopf und schaute mich bedrück an, während er auf seinen Lippen herumkaute. Lennards Schlag hatte ihn übel zugerichtet. Seine Nase war voller Blutkrusten und die Gegend um seine Augen herum blau angeschwollen. Ich zog meine Augenbrauen hoch und warf meine Stirn in Falten: "Was willst du hier?" Natürlich klang ich dabei nicht gerade einladend. Schließlich konnte ich ihn nicht gebrauchen, geschweige denn wollte ich auch nur noch ein Wort mit ihm wechseln. Marco räusperte sich: "Reden."Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und grübelte. "Was willst du denn bereden? Zwischen uns ist alles geklärt. Ich möchte nicht wissen wie es dazu kam, dass du mit Scarlett in die Kiste gesprungen bist oder das du tatsächlich wieder mit ihr zusammen bist." stellte ich klar. Marco seufzte laut. Er schaute eindringlich in meine Augen als könnte dieser Blick tatsächlich etwas in mir ändern. Nicht mehr. Ohne mit der Wimper zu zucken starrte ich also kalt zurück. "Ich kann das so aber nicht mehr." hauchte er leise: "Ich habe dich nicht betrogen." "Wie du hast mich nicht betrogen?" fragte ich leise. Eher gesagt rutschte es mir schockiert wie ich war heraus. Natürlich hatte er mich betrogen, beruhigte ich neu in mir erflammte Hoffnungen. Ich erinnerte mich wieder an den Anblick, als ich zu ihm gefahren bin. Scarlett sah vielleicht zerzaust aus. Marco aber war einfach nur nass. Er war duschen. Sie aber nicht. Hatte ich da etwas fehlinterpretiert? Nein. Bestimmt nicht: "Marco du brauchst mir keinen Bären aufzubinden." murmelte ich. "Ich habe dich nicht betrogen." wiederholte er nur und schaute mir schon wieder so in die Augen, wie er es eben getan hatte. Ich bekam irgendwie Angst vor ihm. "Bist du wieder mit Leon zusammen?" fragte er leise. Ich biss mir auf die Lippen und nickte. Marco schüttelte den Kopf und schaute genervt zur Seite. Ich beobachtete ihn, sah wie er sich selbst versuchte herunter zu bringen. Es kochte in ihm. Vor Wut? Vor Enttäuschung? Ich wusste es nicht. "Man Yve!" schrie er plötzlich fast und umklammerte meine Handgelenke. Er schaute sich kurz um und holte dann tief Luft: "Ich habe dich nicht betrogen, glaub mir das. Bitte! Ich war duschen, kam raus und Scarlett stand in meiner Wohnung. Ich muss vergessen haben ihr den Schlüssel abzunehmen. Ich wollte sie herausschicken aber sie-" er stockte. Ich schaute ihm diesmal ein wenig aufmerksamer in die Augen. Kaum zu glauben, dass ich mir das überhaupt noch anhörte: "Sie hat was?" hakte ich ungeduldig nach. "Erst hat sie gesagt sie wäre schwanger von mir. Dann kamst du, bist wieder weg. Ich wollte dir hinterher. Sie hat mich angefleht, dass ich es nochmal mit ihr versuche sie sei schließlich schwanger. Ich dachte mir, ich könnte dieses Kind doch nicht im Stich lassen bei dieser Mutter. Beim Arzt ist mir aber aufgefallen, dass der Arzt immer von vier Monaten sprach, so alt sei das Kind. In der Zeit waren wir gar kein Paar mehr und haben auch definitiv nicht miteinander geschlafen. Ich habe sie damit konfrontiert, aber sie ist total verrückt geworden und sagt sie geht damit an die Öffentlichkeit, würde ich sie verlassen. Sie würde das alles natürlich anders darstellen als es ist. Reus verschmäht sein Kind für Prostituierten-Tochter. Damit wollte sie an die Presse. Ja und jetzt stehe ich hier und frage dich was ich machen soll." erklärte er. Ich schaute ihn schockiert an. In mir stieg die Angst auf, ich fühlte mich wie gelähmt. Entweder er erzählte mir gerade eine unfassbare Lügengeschichte oder die Wahrheit. Jetzt durfte ich entscheiden.

SchmetterlingseffektWo Geschichten leben. Entdecke jetzt