Kapitel 43

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Talias Sicht

Fassungslos und wirklich kurz vor einem Nervenzusammenbruch, stand ich am nächsten Tag gegen Mittag im Wohnzimmer meiner Eltern und konnte nicht fassen, was meine Mutter mir gerade in die Hand gedrückt hatte. 

,,Ist das euer Ernst?'' 

„Natürlich ist das unser Ernst, Talia. Du bist immerhin in wenigen Tagen 18, der Hochzeit steht also nichts mehr im Wege" hämisch grinste meine Mutter mich an und ließ mich nur auf diese verfluchte kleine Papierkarte in meiner Hand starren.

Es war also offiziell. In weniger als einer Woche würde ich mit Tom verheiratet sein, ob ich wollte oder nicht, meine Eltern zogen es wirklich durch. 

„Wie viel bekommt ihr?" emotionslos starrte ich wieder hoch in die Gesichter meiner Eltern, die nur verwirrt zurück sahen. 

,,Wie viel Geld bekommt ihr dafür, dass ihr eure Tochter gegen ihren Willen mit einem Mann verheiratet? Na los sagt schon. Wie wenig bin euch wert?'' mich selbst verlierend brüllte ich meine Eltern an, die mit meinem Ausbruch genauso wenig wie ich gerechnet hatten.

„Junge Dame, nicht in diesem Ton, wir sind immer noch deine Eltern" 

„Das seid ihr verdammt nochmal eben nicht, das wart ihr nie und das werdet ihr auch nie sein. Richtige Eltern würden nämlich Geld nicht dem Wohl ihrer Tochter vorziehen. Liebende Eltern würden ihre Tochter selbst entscheiden lassen, in wen sie sich verliebt, an wen sie sich bindet. Fürsorgliche Eltern würden den richtigen Jungen nicht anhand seines Kontostandes ausmachen, sondern verflucht nochmal daran, wie er ihre Tochter behandelt. Und wisst ihr was, keine von den drei Sachen trifft auf euch zu. Ihr habt Tom ausgewählt, weil er Geld hat. Ihr habt Tom ausgewählt, weil seine Eltern bereit waren, euch eine Menge Geld dafür zu geben. Ihr habt kein einziges Mal darauf geachtet, wie krank Tom im Kopf ist, wie krank sein Bruder ist. Nein, im Gegensatz, ihr schaut sogar weg, wenn er mit der Hans ausholt, ignoriert meine Hilfeschreie und macht einfach weiter, treibt mich weiter in diese Hölle. Also nein Papa, ihr seid nicht meine Eltern, ihr seid höchstens meine Erzeuger und selbst dafür schäme ich mich" 

Alles, was ich nach diesen Worten zu spüren bekam, war die Hand meines Vaters, die mit Wucht auf meiner Wange landete und einen brennenden Schmerz hinterließ. 

,,Raus aus meinem Haus, du undankbare Göre. Das lassen wir uns echt nicht bieten, wir tun schließlich alles nur für deine Zukunft'' 

Natürlich Papa, rede dir das ruhig ein. 

Die Tränen unterdrückend und den Schmerz ignorierend stürmte ich ohne noch was weiteres zu sagen aus dem Wohnzimmer und weiter zur Haustür. 

Gerade als ich schon dabei war, die Tür zu öffnen, hielt mich ihre engelsgleiche Stimme auf. 

,,Talia?'' sofort drehte ich mich zu Lilly um, die ihren Teddybären umklammerte und mich mit ihren glasigen Kulleraugen ansah. 

Und mein Wunsch, dass sie vielleicht von all dem nichts mitbekommen hatte, hatte sich damit auch in Luft aufgelöst.

Sofort öffnete ich meine Arme und wurde keine Sekunde später von meiner kleinen Schwester umarmt, die sich fest an mich klammerte. 

,,Pss alles ist gut, Lilly'' beruhigend strich ich meiner zitternden Schwester über den Rücken und spürte gleich wie mein Herz sich immer mehr zusammen zog, als ich sie schluchzen hörte. 

,,Du darfst mich nicht alleine lassen, ich hab doch nur dich, Lia'' ihre weinerliche verzweifelte Stimme ließ nur noch mehr Tränen in mir ansteigen während ich Lilly langsam von mir weg schob, um ihr ins Gesicht blicken zu können. 

Begegnung buchstäblich ins HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt