Mit einem unguten Gefühl im Magen betrete ich das Schulgebäude. Zum Glück muss ich hier nur noch ein halbes Jahr hin. 89 Tage um genau zu sein. Am liebsten hätte ich 84 drauß gemacht. Ernsthaft, ausgerechnet jetzt wieder zur Schule zu gehen ist so was von ungünstig. Ich habe meine Mutter angefleht doch dieses mal hielt sie fest zu meinem Vater. Ich weiß ja auch, dass sie recht haben. Schule ist wichtig. Aber mein Wohlbefinden doch auch, oder nicht? Und das Paddy sich seit Samstagabend nicht mehr gemeldet hat, macht die Situation nur noch unerträglicher. Wenn ich nur wüsste wie es ihm damit geht. Es würde mich einfach enorm entlasten, zu wissen, dass er nicht sauer auf mich ist.
Mit gesenktem Kopf laufe ich durch die Gänge, zu meinem Kursraum, damit so wenige wie möglich mein Gesicht sehen. Und dennoch habe ich das Gefühl, dass sie mich alle anstarren. Auch wenn dem nicht so ist.
,,Amelie" höre ich Kerstin rufen. Oh nein. Ihre schnellen Schritte sind immer deutlicher zu hören, bis sie, zusammen mit Eva, vor mir steht. ,,Oh mein Gott" kommt es von Kerstin, mit leichten Schnappatmungen. ,,Hast du die Bilder gesehen?" fragt sie. ,,Welche?" versuche ich so ahnungslos wie möglich zu klingen. Natürlich weiß ich von welchen sie spricht. Und ja, ich habe sie gesehen. Wie sollte ich ihnen auch umgehen? Seit gestern zieren sie das Cover der Sonntags-Zeitung. ,,Na, die von Paddy und seiner angeblichen Freundin" will Eva mich aufklären. ,,Und sie sieht dir übrigens mega ähnlich. Vielleicht hast du ja doch irgendwann eine Chance bei ihm" grinst Kerstin und stupst mir leicht gegen den Oberarm. ,,Wäre toll" lächle ich gequält. ,,Ich glaubs nicht" sagt Eva überwältigt. ,,Er hat wirklich eine Freundin". ,,Ja, scheint so" antworte ich. Die Situation ist mehr als nur komisch.
Die Fotos, die aufgetaucht sind, bilden Paddy und mich ab oder zeigen ihn gar vor meinem Haus. Mann er kennt aber weder dieses noch mich richtig. Es sind Bilder dabei, die schon mehrere Monate alt sein müssten. Aber auch Bilder von Samstag, wie er mit meinem Koffer in der Hand, mein Haus betritt. In dem Artikel ging es gleich darum, dass Paddy das Schloss verlassen hat und zu seiner, wie sie es schrieben, neuen Flamme zog. Was ein Blödsinn.
,,Die sieht einfach aus wie du" sagt Kerstin und hält sich das Stück Papier so dicht vor die Augen, dass ich schwören könnte, dass sie nichts mehr klar sehen kann. ,,Iss den Artikel doch gleich" lache ich. ,,Sie hat aber Recht" sagt Eva und reißt ihr die Zeitung, die sehr unsauber ausgeschnitten wurde, aus der Hand. ,,Leute..." flüster ich. ,,Man, ich wünschte sie würde mir ähnlich sehen.". Wir sind auf dem Weg zum Kursraum und ich wünschte mir grade nichts sehnlicheres, als endlich dort anzukommen. Es wird nämlich echt unangenehm. ,,Jetzt ist er offiziell vergeben" merkt Kerstin an. ,,Naja..." äußer ich mich und ziehe gleich vier neugierige Augen auf mich. ,,Also, es wurde ja nichts offiziell gemacht" sage ich. ,,Die Bilder sind schon eindeutig" entgegnet Eva lachend. Ja, da hat sie recht. Trotzdem wünschte ich mir, es wäre nicht so. Ich hätte gern selbst den Schritt gemacht. Mit Paddy.
,,Buh" schleicht Emilie sich von hinten an. ,,Hey". Sie wirft ein Blick auf Evas Hand und weiß sofort worum es sich handelt. ,,Oh mein Gott, das hab ich auch gesehen". ,,Wer nicht.?" grinse ich. ,,Musst du grade sagen. Das Mädchen sieht aus wie du. Weshalb ich dich gestern auch angerufen habe. Aber du bist ja nicht rangegangen" beschwert sie sich. ,,Ja, sorry. Ich konnte nicht" entschuldige ich mich beiläufig und beschleunige meinen Gang. Ich konnte nicht mit ihr telefonieren, damit die Leitung frei ist, falls Paddy anruft. ,,Weil du mit Paddy unterwegs warst" lacht Kerstin und bringt die anderen ebenfalls zum grinsen. ,,Psstt Leute, nicht so laut!" werde ich etwas panisch und schaue mich kurz um. ,,Das war doch nur ein Scherz" sagt Kerstin und schlingt ihre Arme um meinen Körper. ,,Von mir aber nicht". Sie schauen mich fragend an. ,,Es ist wahr. Das Mädchen bin ich" platzt es aus mir heraus und irgendwie fühlt es sich doch recht gut an.
Die Schulglocke ertönt und damit sind wir offiziell zu spät zum Unterricht.
,,Jo" lacht Emily. Toll. Was hab ich getan? Erstens, habe ich es tatsächlich verraten und zweitens, glauben sie mir nicht. Ich komme rüber wie ein Trottel. ,,So wie vor Monaten schon?" fragt Eva. Die anderen sind verwirrt. ,,Sie war angeblich mal bei den Kellys Zuhause" erklärt sie. ,,Oh Amelie..." sagt Kerstin belustigt und mitleidig zugleich. ,,Leute. Wir müssen zum Unterricht" beende ich diese Situation beschämt.
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,,Wollen wir heute etwas unternehmen?" fragt Eva während wir in der Pausenhalle sitzen. ,,Wir könnten zum Schloss Gymnich" schlägt Emily vor. ,,Warum das denn?" frage ich geschockt. ,,Na, ich will sehen ob es wahr ist. Mit Paddys Freundin". ,,Das ist wahr" antworte ich wie aus der Pistole geschossen. ,,Also ich meine, so sieht es zumindestens auf den Bilder aus" fahre ich fort. ,,Ja, das stimmt aber sehen würde ich die beiden auch gern mal" gibt Eva zu. ,,Vielleicht ist es auch nur ein Mädchen für eine Nacht" kichert Emily. ,,Paddy der Player" lacht Kerstin. Die Wut und Trauer kommt in mir auf. ,,So ist Paddy doch gar nicht." sage ich. ,,Ja, stimmt schon" antwortet Emily. ,,Aber trotzdem würde ich mir wünschen er wäre single" ergänzt sie. ,,Können wir von was anderem reden?" frage ich genervt. ,,Was bist du denn so gereizt?" will Eva wissen. ,,Es nervt mich. Es ist doch unser Leben" antworte ich wütend. ,,Unser? Denkst du immer noch, Paddy wäre wirklich dein Freund?" fragt Kerstin. ,,Ja, weil es so ist!" flüster ich agressiv. ,,Das kann nicht sein" sagt Emily und zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. ,,Weil er mein Freund ist. Wir haben uns gestern noch geküsst". ,,Ich kann es euch beweisen!" schießt es aus mir heraus. Ich weiß nicht wieso. Aber es hat mich sauer gemacht und verletzt. Ich konnte mich nicht zurückhalten. Und es sind ja auch nur meine engsten Freunde. Ein Grund mehr, reinen Tisch vor ihnen zu machen. ,,Du meinst das wirklich ernst?" fragt Eva, doch mir reicht es. Ich schnappe meine Jacke und gehe schon einmal allein in Richtung Klassenzimmer. Ich brauche eine Paus, um meine Gedanken strukturieren zu können.
Ich hatte das Glück die nächsten Stunden nicht mehr mit ihnen zu haben. So gemein sich dies auch anhören mag, aber so konnte ich nicht noch ein weiteres Mal in irgendwelche unangenehmen Situationen gelangen. Weshalb ich auch ganz froh bin endlich daheim zu sein. Allein.
Ich warte auf einen Anruf von Paddy doch mal wieder gibt es kein Lebenszeichen von ihm, weshalb ich selbst die Initiative ergreife und versuche ihn zu erreichen.
,,Amelie..." höre ich seine Stimme am anderen Ende der Leitung. Sofort befinde ich mich wieder näher an Wolke sieben. ,,Hey". ,,Hey". ,,Hast du es gesehen?" frage ich vorsichtig nach. ,,Of course" lacht er auf, doch wird sofort wieder ernst. ,,Wir werden bombardiert mit Anfragen. Interviews, Statements. Sie wollen es wissen". ,,Und was hast du gesagt?". ,,Nothing. Wir haben es bis jetzt ignoriert" erklärt er. ,,Bist du sauer?" frage ich. ,,No. Why should I?". Ein Stein fällt mir vom Herzen. ,,Ich weiß nicht". ,,Wenn dann auf diese Tiere da draußen. Aber doch nicht auf dich". ,,Und warum hast du dich dann nicht gemeldet?". ,,A lot of work" antwortet er. ,,Und jetzt?", ich will wissen wie es weiter geht. ,,Wir sitzen das aus". Ich kann sein Lächeln auf den Lippen förmlich hören. ,,Wir machen es nicht öffentlich?" frage ich. ,,That was not my plan. Yours?". Einen Moment überlege ich, ob und was ich darauf antworten soll, doch ich beschließe lieber das Thema zu wechseln. ,,Meinst du, hast du am Wochenende Zeit?".
Ich will ihn meinen Freundinnen vorstellen. Es ihnen irgendwie besweisen. Und mein Verlangen nach ihm stillen. Letzteres vermutlich am meisten. Sollte ich ihn einweihen? Das ich gern wieder mit ihm schlafen möchte? Ich weiß nicht. Das könnte ihn eventuell umso mehr überzeugen, sich am Wochenende Zeit zu nehmen. Sollte ich ihm allerdings auch sagen, dass ich ihn mit meinen Freunden bekannt machen möchte? Wohl besser nicht. Dann würde er nicht kommen.
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i just wanna feel you
Teen FictionZwei Seelen, die sich von Anfang an völlig zueinander hingezogen fühlen