Harry blinzelte und versuchte, mit den Armen vorwärts zu kriechen und seinen bewegungsunfähigen Unterkörper in Richtung des Tores zu ziehen. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass Ron es ihm gleich tat. Er hatte sich nicht getäuscht. Was sie beide so entnervend lange versucht hatten, war Snape scheinbar mühelos gelungen. Er stand auf der anderen Seite des Tores.
Harry drückte seine Hand ebenfalls in das Tor und wiederholte Snapes Worte. Es passierte nichts. Sie waren dazu verdammt, draußen zu bleiben.
Der Tränkemeister bewegte sich mit schleichendem Gang um den großen Stein herum, jedoch immer darauf bedacht, dem Kessel nicht den Rücken zuzudrehen. Laut las er die eingravierten, verschnörkelten Buchstaben auf dem Schwert. „Salazar Slytherin."
Der Rauch verdichtete sich, begann zu wirbeln, feste Formen anzunehmen. Ein Schemen zeichnete sich ab, nahm Umrisse an. Die Gestalt eines Mannes löste sich, wurde von Sekunde zu Sekunde realer. Und dann stand er da - ein massiger, beeindruckender Zauberer, so groß wie Snape, aber mit breiteren Schultern, einem kantigen Schädel mit langem, dunklem Haar und stechenden blauen Augen.
Er trug statt eines Umhangs ein wollenes Wams, weiche dunkle Wildlederhosen, einen breiten, braunen Ledergürtel und über Knie und Ellenbogen schwere lederne Schützer. Die Kleidung eines Kriegers.
„Wer hat mich gerufen?", hallte seine Stimme, als gäbe es irgendwo ein Echo. Harry und Ron konnten jedes Wort verstehen.
„Mein Name ist Severus Snape", sagte der dunkle Mann. Mit wuchtigen Schritten trat Salazar Slytherin neben ihn, seine Finger liebkosten die Waffe, dann schloss sich seine Hand um den Schwertgriff und er riss es mit einem Ruck aus dem Stein. Er stieß es in die Luft und betrachtete verzückt die matt schimmernde schwarze Klinge.
„Ich kenne dich, Severus Snape", sagte er dann mit donnernder Stimme. „Du bist das Oberhaupt meines Hauses!" Snape wirkte nicht beeindruckt, aber vielleicht war er auch abgelenkt. In dem Moment, als Slytherin das Schwert aus dem Felsen zog, war auf der anderen Seite ein zweites Schwert aufgetaucht.
Er ging hinüber. Der alte Mann hatte wieder einmal Recht gehabt. Dieses Schwert trug ebenfalls eingravierte goldene Buchstaben und so schwarz Slytherins Schwert war, so hell und leuchtend war dieses. Natürlich. Godric Gryffindor. Diesmal sagte er den Namen nicht laut.
„Nun, Severus Snape, komm an meine Seite. Ich bin wieder da. Sei bei mir, wenn ich das Blut dieses Mädchens nehme und zu alter Größe und Macht zurückkehre. Ich werde der Welt wieder meinen Stempel aufdrücken. Ich bin Salazar Slytherin!" Er brüllte den letzten Satz so laut, dass selbst Harry und Ron erschrocken zurück wichen.
Snape schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, du irrst dich in den entscheidenden Punkten", erklärte er ruhig. „Ich werde nicht bei dir sein, du bist nicht wieder auferstanden und du bist nicht einmal Salazar Slytherin. Genau genommen bist du nicht einmal ein Geist. Du bist das, was man landläufig einen Horkrux nennt."
„Was?", zischte Slytherin, und sein Zischen war Furcht erregender als sein Schreien. Es schien aus allen Ecken und Enden zurück zu kommen und sich zu wiederholen, und Harry wurde bewusst, dass Slytherin Parsel sprach.
„Sieh mich an, du Narr!" Seine Worte waren wieder verständlich. „Hier bin ich, hier stehe ich!" Er streckte die Hand aus und ballte die Faust. „Fleisch, Blut, fester Körper!" Er hieb mit dem Schwert auf den Stein und Funken stoben; das Metall klirrte.
„Ja", stimmte Snape zu. „Das haben Horkruxe so an sich. Und du bist der mächtigste Horkrux des mächtigsten schwarzmagischen Zauberers der Welt. Trotzdem wirst du nicht wieder auferstehen und Macht haben. Ich kann dir auch nicht das Mädchen überlassen, genauso wenig, wie ich zulassen kann, dass du existierst!"
Das Wesen, der Horkrux, Salazar Slytherin, sah ihn fassungslos an. „Du bist wie ich! Du bist ein Slytherin!"
Über Snapes schmale Züge huschte kurz ein Schatten, den man fast für Emotionen halten konnte. „Ja, ja", murmelte er. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass Hermione Granger ruckartig aus ihrer Ohnmacht erwachte. „Nett, dass Sie sich geistig wieder zu uns gesellen, Miss Granger", bemerkte er samtig. Nur ein kurzes Aufkeuchen verriet, dass sie ihn und ihre eigene Situation erkannt hatte.
Slytherin wandte ihr seine volle Aufmerksamkeit zu. Kalt funkelten seine blauen Augen in einem unnatürlich hellen Licht auf. Er machte einen Schritt in ihre Richtung, und diesen Moment nutzte Snape, um mit einer fast beiläufigen Bewegung das silberne Schwert Gryffindors aus dem Stein zu ziehen.
Fast genauso nebenbei stand er plötzlich zwischen Hermione und Slytherin und seine Schwertspitze zeigte auf Slytherins Hals. Mit gespieltem Bedauern schüttelte Snape den Kopf. „Es ist immer dasselbe Problem mit euch Möchtegernwelteroberern. Ihr könnt einfach nicht zuhören. Ich habe gesagt, du kannst das Mädchen nicht haben."
Ein Horkrux in menschlicher Gestalt hat immer auch die Fähigkeiten der tatsächlich für ihn verwendeten Person, und es war klar, dass der echte Slytherin vor tausend Jahren nicht gerade der Schnellste im Denken war. „Du bist also nicht für mich!", stellte der Horkrux nach einer Weile fest.
Severus Snape zog eine Augenbraue hoch. „Was meinen Sie, Miss Granger", schnurrte er ohne sich zu ihr umzudrehen, „sollte ich meinem eigenen Haus jetzt Punkte für das Feststellen von etwas Offensichtlichen abziehen?"
„Du bist ein Verräter!", brüllte Slytherin in wachsenden Zorn.
Snapes Lippen kräuselten sich sardonisch. „Das, mein Lieber, habe ich mittlerweile so oft gehört, dass es für mich nicht mehr wirklich originell klingt."
„Dann werde ich dich töten!"
„Ach, wirklich?", höhnte Snape, als die Klingen das erste Mal aufeinander prallten. „Diese Aussage rangiert auf meiner persönlichen Hitliste gleich danach auf Platz 2!"
Der wahre Slytherin mochte vielleicht kein geistiger Überflieger gewesen sein, aber er erkannte Spott, wenn er gegen ihn verwendet wurde. Und, was noch wichtiger war, er war ein Krieger. Er reagierte auf die einzige ihm logisch erscheinende Weise: er kämpfte. Mit einem wahrhaft ohrenbetäubenden Wutschrei hieb er mit seinem Schwert auf den Mann ein, der zwischen ihm und seiner Beute stand.
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A snake, with a Gryffindors heart
FanfictionDann traf es sie bis ins tiefste Mark. Sie drehte sich wieder zu ihrem Schulleiter um. „Aber verdammt noch mal!", schrie sie dann. „Warum hat er dann jetzt seine Tarnung aufgegeben?" Dumbledore und McGonagall wechselten einen Blick. „Der Horkrux"...