Kapitel 9

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Nach einem Moment der Stille war es schließlich Tonks, die spöttisch sagte: „Ach!" Stimmengewirr brandete auf, alle redeten durcheinander und eine Zeitlang kam niemand mehr dazu, irgendetwas hinzuzufügen oder zu erklären. Es war schließlich Professor McGonagall, die von dem Sonoruszauber Gebrauch machte und sie damit wieder zum Verstummen brachte.

„Hört zu, alle!", sagte sie scharf. „Es begann irgendwann vor mehr als zwanzig Jahren, dass Tom Riddle anfing, Unheil mit seiner schwarzen Magie anzurichten, und Albus und ich wussten, dass wir etwas unternehmen mussten, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis die Dinge eskalierten."

„Allerdings hatten wir nicht erwartet, dass sich die Situation so schnell drehen würde", setzte Dumbledore nach. „Ich traf meine Entscheidungen zu spät, und wer im Endeffekt darunter zu leiden hatte, waren unter vielen anderen deine Eltern, Harry, und leider auch Severus." Harry wurde es eiskalt. Was wollte der Schulleiter damit sagen?

„Ich habe Severus nicht erst mit elf, sondern schon mit neun Jahren nach Hogwarts geholt. Für ihn war das kein Problem, er war ein heller Kopf, und aufgrund seiner Größe fiel er in dieser Hinsicht auch nie auf. Er kam wie verabredet nach Slytherin, um die Augen aufzuhalten."

„Das nenne ich mal Augen aufhalten, wenn jemand sich von der schwarzen Magie so beeinflussen lässt, dass er Todesser wird!", sagte Ron aufsässig.

Severus konnte sich gerade noch davon abhalten, zusammen zu zucken und senkte den Kopf. Er hasste es. Er wusste, dass jetzt sein ganzes Leben seziert werden würde, und eine Menge Leute würden peinlich berührt sein, und er verabscheute es schon jetzt. Er presste unauffällig seine Hand an die Seite. Die Wunde blutete wieder.

Dumbledore hob die Hand und sah Ron an. „Warten Sie, bis Sie die ganze Geschichte kennen, Mister Weasley, und dann werden Sie vielleicht mich verachten und sich bei Professor Snape entschuldigen!" Ron sah so aus, als wäre das das Letzte, was er jemals tun würde.

„Zur selben Zeit, als Severus eingeschult wurde, begannen Minerva und ich, nach und nach und unauffällig die Gedächtnisse einiger Leute, die für Voldemort entweder als Verbündete oder als Feinde wichtig wurden, zu verändern."

Er nickte reuevoll zu Lupin hinüber. „Die Rumtreiber gehörten dazu. Sie begannen aktiv gegen Voldemort vorzugehen, indem sie seine Handlungen und Taten kritisierten und offen legten, welch inhumane Hintergründe ihn beherrschten."

Remus runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht. Wir begriffen erst in unserem sechsten oder siebten Jahr, was da passierte..."

„Eben", bestätigte Dumbledore.

„Deshalb haben wir unter anderen James, Sirius, Lily, Peter und auch dir ein paar falsche Erinnerungen vermittelt. Wir wollten, dass Severus mächtige Gegner hatte. Wir wollten, dass Tom Riddle so schnell wie möglich auf ihn aufmerksam wurde.

Wenn allgemein bekannt wäre, dass ihr euch hasst, wäre er geradezu begierig, ihn in seine Reihen zu holen, zumal sich als Bonus noch herausstellte, dass er ein überdurchschnittlicher Schüler war und ganz besonders in Zaubertränke brillierte. Severus war nie im ersten Krieg mit Voldemort involviert, dazu ist er zu jung."

So richtig verstand noch immer niemand, was Dumbledore ihnen eigentlich vermitteln wollte, obwohl einige von ihnen wohl langsam eine Ahnung von der Ungeheuerlichkeit des langwierigen Planes des alten Mannes bekamen.

„Warte mal", murmelte Remus langsam. Er musterte den Tränkemeister, als sähe er ihn zum ersten Mal. „Du bist also jünger als wir." Das Nicken des dunklen Mannes war so kurz, dass man es fast übersehen konnte. „Du warst nie in unserer Altersstufe?" Severus reagierte daraufhin nicht mehr.

Ein Feuer glomm in den Augen des Werwolfs auf, als er sich langsam und kontrolliert an Dumbledore wandte. „Albus? Hast du uns dazu gebracht, jemanden zu hassen, der uns nie etwas getan hat? Sind meine Erinnerungen alle falsch? Wir haben uns nie gegenseitig in den Gängen verflucht, ich habe nie versucht, Severus zu fressen? Er hat Lily und James nie verraten?"

Dumbledore schüttelte den Kopf. „Nein", bestätigte er leise. „Severus war nicht alt genug, um auch nur eure Aufmerksamkeit zu erregen. Er kam erst in eurem letzten Jahr nach Hogwarts."

Remus Lupin stand abrupt auf. „Bei Merlin, das heißt ja...", er schnappte nach Luft, als er das Ganze noch einmal überdachte. „Snape, verdammt, und du hast die ganze Zeit mitgespielt? Du hast dich lebenslangen Hass und Angst und Abscheu ausgesetzt, nur um einen verrückten Plan eines alten Mannes umzusetzen? Du meine Güte, du bist ja selbst noch fast ein Kind. Wie alt bist du? Neunundzwanzig?"

Severus wich den brennenden Augen des Werwolfs aus. „Fast", murmelte er. Er konnte das intensive und ungläubige Starren der anderen nicht mehr ertragen. Die fassungslose Stille, die jetzt in dem Raum lastete, war schlimmer als jeder Cruciatus, den er je erlitten hatte. Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. „Können wir jetzt mal über etwas anderes reden?", fauchte er.

„Vielsafttrank", sagte Hermione leise, doch deutlich vernehmbar. „Oder eine Art davon, etwas, womit man sich verändern kann, ohne sich in jemanden Reales zu verwandeln. Das ist es, warum Sie so ... anders aussehen. Sie haben Vielsafttrank benutzt, um älter zu erscheinen, damit sich niemand wundert... um von Anfang an erwachsener zu wirken. Seine Wirkung lässt nach, weil sie ihn in den letzten Tagen nicht mehr benutzt haben."

Severus hob den Kopf und sah sie direkt an. „Ich könnte mich fast dazu hinreißen lassen, Gryffindor Hauspunkte zu geben", sagte er, doch es fehlte die übliche Schärfe. „Ja, die Wirkung lässt nach, wie gerade Sie, Miss Granger, wissen sollten, normalerweise schon nach einer Stunde. Aber ich habe den Trank ein wenig modifiziert, und nach fünfzehn Jahren regelmäßiger Einnahme ist es sowieso fraglich, ob die Wirkung jemals gänzlich unumkehrbar ist."

Er erhob sich unvermittelt. „Ich gehe jetzt, Albus. Ich bin euch sowieso nicht mehr von Nutzen, und wie ich bereits zu Beginn dieser fruchtlosen Diskussion sagte: Fragt am besten Draco nach unbekannten Gütern der Malfoys. Das wird noch am ehesten Erfolge bringen." Er ging sehr gerade zum Kamin, warf das Flohpulver hinein und verschwand.

In seinem Kerker angekommen, taumelte er gegen die Wand und rutschte hilflos an ihr herab. Und zum ersten Mal seit seiner Kindheit weinte er, tiefe Schluchzer entrangen sich seiner Brust, und er schrie seinen Schmerz und sein Leid heraus, sicher, dass aus den dicken Mauern seines Quartiers nie etwas nach außen dringen konnte. 

A snake, with a Gryffindors heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt