Jeongguk trauert

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Die nächste Zeit verging...komisch. Ich war mehr als nur neben der Spur, der ganze Alltag fühlte sich plötzlich so ungewohnt an. Miri und ich hatten uns früher zwei-, dreimal die Woche gesehen, sonst hatten wir des Öfteren geschrieben und telefoniert, ihre Anwesenheit war also mehr als nur ein Fixpunkt in meinem Wochenplan. Und jetzt war sie einfach weg. 

Am Wochenende wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich konnte nicht mehr für sie kochen oder mit ihr in Wien spazieren gehen. Was sollte ich nur mit der ganzen Zeit jetzt anfangen? Na ja, oft lag ich eh einfach nur im Bett und schwamm in meinem blaugrauen Kummer. Die Taschentücher am Nachttisch bekamen mehr Tränen als Sperma ab. Auch wenn ich mir öfter einen runterholte, um wenigstens ein paar positive Gefühle zu haben. 

In den Sport stürzte ich mich auch. Gleich in der Früh machte ich Krafttraining, am Nachmittag ging ich laufen und am Abend gab's nochmal Krafttraining. Ich brauchte einfach etwas, in das ich meine Energie reinstecken konnte. Okay, Energie war vielleicht nicht das passendste Wort, denn generell fühlte ich mich eigentlich eher kraftlos und niedergeschlagen. Vielleicht traf es das Wort Leidenschaft besser. Etwas, worauf ich mich konzentrieren konnte und das mich aufsaugte. Klar, Sport war nicht mal ansatzweise vergleichbar mit der Beziehung zu Miri, aber es gab mir trotzdem irgendwie Halt in meinem sonst so verschwommenen, tristen Alltag. 

Verschwommen war mein Alltag, weil sich die Tätigkeiten auf einmal alle glichen. Es war verrückt, aber das Lernen für die Uni hatte quasi denselben Spaßfaktor wie Zocken. Auch wenn meine Freunde manchmal vorbei kamen und mir Essen oder so brachten, hockte ich mehr oder weniger desinteressiert daneben und hörte kaum zu. Dabei war es ja nicht so, als hätte Miri mir so viel Spaß ins Leben gebracht und diese ganzen Aktivitäten allein wegen ihrer Anwesenheit spannend gemacht. Zocken und Lernen hatte ich ja sowieso immer ohne sie getan, also verstand ich den Zusammenhang da nicht ganz. Na ja, hatte halt Liebeskummer, vielleicht wirkte sich das einfach auf alles aus. 

Mein Schlaf wurde jedenfalls auch in Mitleidenschaft gezogen. Das Einschlafen war ja kein Problem, durch den ganzen Sport konnte ich mich gut auspowern, aber das Durchschlafen war fast unmöglich. Meine Träume waren größtenteils Flashbacks von der Beziehung, glückliche Momente spulten sich vor meinen geschlossenen Augen ab. Oft wachte ich davon dann aber auf und in der ersten Sekunde dachte ich, es wäre alles wie früher und Miri wäre meine Freundin. Doch spätestens wenn mein Blick auf die angerotzten Taschentücher am Nachttisch fiel, wurde mir wieder klar, dass wir uns getrennt hatten und damit begann auch schon die nächste Heulsession. Meine Nächte waren also nicht gerade die erholsamsten. 

Wie gesagt, meine Freunde schauten hin und wieder bei mir vorbei, da ich die Wohnung eigentlich nicht verließ, solange ich nicht musste. Sie machten sich Sorgen um mich, weil sie meinten, ich wäre ganz schön dünn geworden und meine Augenringe wären so schwarz wie meine Klamotten. Das mit dem Gewicht war wohl unumgänglich, wenn ich Sport wie ein Wahnsinniger machte und gleichzeitig weniger aß. Schmeckte halt ziemlich fad das Essen, warum hätte ich mir da mehr als notwendig reinstopfen sollen? Aber davon ließen sich meine Freunde nicht abhalten und so kochten sie mir immer wieder was oder bestellten mein Lieferservice für mich. War eh lieb von ihnen. 

Lini hatte ich die Sachen von Miri gegeben, Klamotten, Zopfringerl, Binden und Tampons, Bücher, Schmuck und Schminkzeug. War schon einiges zusammen gekommen, und noch immer kugelte so viel Kram herum, der einen Bezug zu ihr hatte. Allein die ganzen Fotos, die ich ausgedruckt hatte und in meiner Schreibtischschublade aufhob. Aber von denen wollte ich mich erst einmal nicht trennen. 

Hin und wieder fragte ich Lini und Hannah, wie es Miri so ging, da die beiden Kontakt zu ihr hatten. Sie antworteten mir nur spärlich, aber laut ihnen wäre sie halbwegs okay. Halbwegs okay interpretierte ich in diesem Kontext so, dass es ihr scheiße ging, sie aber damit klar kommen konnte. Jedenfalls hoffte ich das. 

Mit Taehyung schrieb ich ein bisschen während dieser Zeit, doch ich hatte ihm gesagt, dass ich jetzt lieber allein sein wollte und zuhause blieb. Die Vorstellung, Taehyung wiederzusehen, machte mich ein bisschen ängstlich. Warum das so war, wusste ich nicht. Vielleicht einfach, weil ich eben keinen Plan hatte, was mich mit ihm erwartete. In dieser Nacht, in der wir Rotwein zu Jazzmusik im Hintergrund getrunken hatten, hatte ich ihm ja basically gesagt, dass ich nach der Trennung mit Miri zu ihm gehen würde, um Sachen mit ihm auszuprobieren. Ob er sich wohl noch daran erinnern konnte? Bezweifelte ich stark, immerhin war er schon dezent betrunken gewesen und Rotwein begünstigte den Filmriss immer sehr, bei mir zumindest. Ach ja, entschuldigen wollte ich mich ja auch noch bei ihm, weil ich bei seinen philosophischen Erzählungen weggepennt war...

Wie dem auch sei, das alles musste warten, denn im Moment fühlte ich mich nicht in der Verfassung, mich mit Taehyung auseinanderzusetzen. So antriebslos wie ich war, wenn mich nicht grad der Sport in Beschlag nahm, würde ich wohl kaum mit seinem interessanten vibe mithalten können. Zum Glück zeigte Taehyung hierfür viel Verständnis und beschränkte sich auf den SMS Kontakt. 

Was wäre das auch, wenn wir jetzt einfach ins Bett miteinander steigen würde? So kurz nach der Trennung mit Miri, da fühlte ich mich irgendwie schuldig. Wenn ich mir vorstellte, Taehyung auch nur irgendwie zu berühren, schob sich sofort Miris enttäuschtes Gesicht vor meine Augen. Nein, ich wollte grad echt nicht daran denken, irgendwas mit Taehyung zu starten. Als ich so salopp gesagt hatte, dass ich nach der Trennung eben mit ihm Sachen ausprobieren würde, war mich wohl nicht klar gewesen, welche immensen Auswirkungen dieses Ende mit sich bringen würde. Ich konnte nicht einfach vergessen und weitermachen. Mein Kopf hielt mich gefangen. 

So vergingen also die Tage, einer glich dem anderen und ich stand sie mühselig durch. Draußen wurde es kälter, der November schritt voran. Die Bäume verloren an Blättern, das Laub türmte sich auf den Gehsteigen und eisiger Wind wirbelte sie durcheinander. Der Himmel war bedeckt und stahlgrau, das Sonnenlicht hatte es schwer, durchzukommen. Die Leute packten ihre Mützen und Schals aus, steckten die kalten Finger in Handschuhe.  Und ich sah von meinem Zimmer aus dabei zu. Irgendwie lustig, wie das Wetter genau so aussah, wie ich mich fühlte. 

catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt