Frustsaufen

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Überfordert von der ganzen Situation schloss ich meine Wohnungstür wieder und ließ mich an der Innenseite hinunter auf den Boden gleiten. Was war nur in mich gefahren? Das war doch verrückt...Zuerst erzählte ich Miri, ohne mir groß Sorgen darüber zu machen, dass ich mir lieber vorstellte, mit Taehyung Sex zu haben. Und dann ließ ich sie auch noch nicht gehen und versperrte ihr die Tür. Ich erkannte mich selbst kaum wieder. 

Man, und wie verletzt sie dreingeschaut hatte. Kein Wunder, diese Information war heavy, ja sie stellte doch unsere ganze Beziehung in Frage. War ja nur verständlich, wenn sie da allein sein wollte. Erst mal Situation überdenken, alles verarbeiten und so. Ach, aber ich hatte jetzt wirklich keinen Nerv mehr, darüber nachzudenken. Stattdessen wollte ich mich nochmal bei Miri entschuldigen. Ich hatte mich ja unmöglich benommen. 

Also kam ich auf die Beine, schleppte mich ins Schlafzimmer, wo mein Handy lag, und ging auf unseren Whatsapp Chat. Lange überlegte ich nicht, was ich schreiben sollte. 

es tut mir leid

lass dir zeit und schreib mir bitte wenn du zum reden bereit bist

ich liebe dich immernoch

Eine Weile starrte ich gedankenlos auf den Chat, doch mehr als ein graues Hakerl erschien nicht neben den Nachrichten. Miri hatte ihr Handy wohl ab geschalten, hm. Hoffentlich passierte ihr nichts. Würde sie jetzt die ganze Nacht zuhause weinen? Fuck, genau sowas hatte ich vermeiden wollen. Nun ja, vielleicht heiterte ihre Mitbewohnerin Sophie sie ja auf. 

Ich checkte währenddessen meine SMS, da Taehyung mir noch etwas geschrieben hatte und ich mich irgendwie ablenken wollte. Sonst saß ich hier bald auch noch heulend da und darauf hatte ich wirklich keinen Bock. 

Hi - bin Taehyung

Lust was zu unternehmen? 

Auch diese Nachrichten glotzte ich eine Weile mit leerem Hirn an. Was sollte ich darauf nur antworten? Was wollte ich darauf antworten? Boah, ich hatte grad echt keinen Nerv für sowas. Ich war...zu aufgewühlt. Grad eben war meine Freundin noch heulend aus meiner Wohnung gestürmt und jetzt sollte ich mich mit dem Typen beschäftigen, der irgendwie der Auslöser für das ganze Drama war? Hell nah. Ich haute das Handy in irgendeine Ecke und kroch wieder unter meine Bettdecke.  

Vielleicht sollte ich einfach schlafen. Da konnte ich mich beruhigen und mit ausgeschlafenem Köpfchen dachte es sich bekanntlich auch besser. War eh sicher schon zwei Uhr oder so. 

Also schloss ich die Augen und versuchte, in den Schlaf zu sliden. Doch kaum hatte ich meinen Sehsinn auf Standby geschalten, verlagerte sich mein Fokus auf meine Ohren. Und das hieß, nervige Partymusik und Geschnatter.

Meine Güte, die scheiß Party war wirklich im ganzen Gebäude zu hören, wie sollte ich da schlafen? Die Wände waren so dünn, ich glaubte sogar, irgendjemanden stöhnen zu hören. Dazu noch meine innere Unruhe, nein, Schlaf war unmöglich. 

Frustriert setzte ich mich wieder auf. Und jetzt? Ich könnte nochmal rauf gehen und mich volllaufen lassen. Dann würde ich sicher gut schlafen. Oder jemand hatte Weed dabei, davon wurde ich nämlich auch immer ganz müde. Hm, war vielleicht die leichteste Ablenkung. 

In dem Moment klopfte es plötzlich an meiner Wohnungstür. Irritiert richtete ich mich auf. Miri? Schnell kam ich auf die Beine, zog mir noch kurz meine Hose an und öffnete die Tür. Es war Patrick.

"Ey, Jeongguk, was los?", fragte er und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. 

"Hm?", machte ich nur. 

"Lini sagt, sie hat Miri grad heulend wegrennen sehen. Bist in ihr Auge gekommen, oder was?"

"Ähm, nein"

Patrick lachte nur und drängte sich dann an mir vorbei ins Innere der Wohnung. Ich bemerkte, dass er eine Flasche Sourz in der Hand hielt. Flink snatchte ich sie ihm weg und trank drei kräftige Schlucke davon. 

"Na servus, muss ja ordentlich was gewesen sein, wenn du so trinkst", kommentierte Patrick nur und ließ sich auf einen Sessel beim kleinen Küchentisch fallen. Ich lehnte mich an den Kühlschrank. 

"Ich hab ihr gesagt, dass ich an jemand anderen beim Sex denke", erzählte ich tonlos und trocken. 

"Du hast an wen anderen gedacht? Du? Lol, hätte ich nie erwartet"

"Danke", meinte ich nur sarkastisch und nahm noch einen Schluck. Bah, brannte schon ganz schön das Zeug. 

"Sorry, aber...das ist schwer vorstellbar irgendwie. Bist ja so ein treuer dude immer und so lieb zu ihr. Und-"

"Bitte, hör auf", unterbrach ich ihn, "Das macht es nicht leichter"

"Oh ja, man sorry", entschuldigte er sich flüchtig und schwieg kurz, ehe er fortfuhr, "Habt ihr euch jetzt getrennt?"

"Nein"

"Lol, okay"

"Aber wir müssen drüber reden. Miri ist einfach abgehauen, wie ich ihr das gesagt hab"

"Naheliegend irgendwie...An wen hast du eigentlich gedacht?"

"An den Kunststudenten, von dem ich dir letztens erzählt hab. Taehyung", antwortete ich schlicht und trank noch etwas mehr vom Sourz. Es war Apfel Geschmack, mein favourite. 

"Oh lol, der", meinte Patrick nur erstaunt und schien gleichzeitig nur verwirrter zu werden. Ich hatte aber relativ wenig Lust, das Thema mit ihm durchzukauen, das sollte ich lieber mit Miri machen. Brachte ja nichts, wenn ich bei Patrick rantete, ihn betraf das Ganze ja gar nicht. 

"Gehen wir wieder rauf zu den anderen?", schlug ich also vor, da eine Party mit ohrenbetäubender Musik und betäubendem Alkohol mich sicher ablenken konnte. 

"Hm, ja passt. Wird dich sicher auf andere Gedanken bringen, du schaust echt scheiße drein"

"Ich fühl mich auch so", bekannte ich seufzend und trank weiter von der Flasche. Patrick stand auf und stellte sich zu mir. 

"Wird schon wieder, mein Freund", versuchte er, mich aufzumuntern und schlug mir nochmal nett auf die Schulter, "Ihr seid doch ein Traumpaar wie in Hollywood, das kriegt ihr schon wieder hin"

Meine Güte, Patrick wusste wirklich, wie man jemanden nicht aufheiterte. Hollywood Traumpaar? So hatten uns ein paar Klassenkameraden damals in der Schule genannt. Wir würden ja so gut zueinander passen, hatten sie damals gesagt. Allein wenn wir beim Schulball gemeinsam aufgekreuzt waren, Miri in ihrem bodenlangen türkisen Kleid mit den funkelnden Glitzersteinchen und ich mit dem perfekt sitzendem schwarzen Anzug und einem Tuch in meiner Brusttasche, dass farblich auf ihr Kleid abgestimmt war. Man hatte es uns ja gleich angesehen, dass wir ein Paar waren. Und wie verliebt ich in sie gewesen war. Romantische Lieder auf der Gitarre hatte ich für sie einstudiert, Blumen hatte ich für sie gepflückt, sogar in die Tanzschule hatte sie mich mitgeschleppt. Es war wirklich ein bisschen wie in Hollywood gewesen. 

Aber nur deswegen wollte ich mich nicht beeinflussen lassen. Anfänge waren immer leichter, als die Sachen auch konsequent durchzuziehen. Und nur weil irgendein Außenstehender unsere Beziehung als perfekt betitelte, wollte ich mir das selber noch lange nicht einreden. Mir doch egal, ob das jetzt für Patrick ein Schock war, wenn ich ihm von meinen Vorstellungen erzählte. Ich gab wirklich keinen Fick auf die Erwartungen anderer, das war eine Sache, die sich nur zwischen Miri und mir abspielte. 

catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt