Anfänge der Beziehung

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T und ich waren also ein Paar. Nichts Ungewöhnliches, aber für mich änderte sich die Welt in diesen Tagen komplett. Ich konnte ihn noch besser kennen lernen, Seiten an ihm sehen, die er nur mir zeigte, und schöne Momente erleben. Er mochte auch keinen Kaffee, wie ich, ur lustig. Wir machten uns fast nie fixe Treffen aus, sondern schauten einfach spontan beim anderen vorbei, wenn die Uni es uns erlaubte. Klar, manchmal endete man dann vor einer verschlossenen Tür, aber wir waren uns einig, dass die Überraschungsbesuche eine nette Abwechslung im Alltag boten. 

Zum Beispiel ging es mir manchmal so, dass ich viel Zeit in ein Projekt für die Uni aufwendete und mich dabei ganz im Arbeiten verlor. Ich würde nie auf die Idee kommen, T zu so einem Zeitpunkt einzuladen oder gar zu ihm zu latschen, einfach weil das Projekt mich so beanspruchte. Aber wenn er dann unangekündigt doch vor der Tür stand, freute ich mich im Endeffekt umso mehr. Manchmal machte ich dann eine kleine Pause, ging ein bisschen raus mit ihm und lüftete das Gehirn durch. Oder ich arbeitete weiter, während er einfach nur anwesend war. Das war nämlich ganz angenehm, fand ich, wenn eine zweite Person neben mir war beim Arbeiten. Er zeichnete dann oft, entweder mich vorm PC oder Bilder von Pinterest und wenn ich wollte, konnte ich einfach meine Hand auf seine legen und bisschen Kraft auftanken. In seiner ruhigen Anwesenheit konnte ich wirklich gut arbeiten. Und wenn ich dann fertig war, gab's Sex, yey. 

Am Wochenende schauten wir, dass wir uns zumindest einen Tag füreinander freihielten und das klappte auch gut. Wir spazierten dann an der Donau, gingen Eislaufen oder chillten einfach daheim. Lustige Randinfo, T erwies sich als blutiger Anfänger im Eislaufen. Mit wackeligen Knien wabbelte er übers Eis, hielt sich mit aller Kraft an der Bande an und gab sein Bestes, nicht umzufallen. Diese Eislaufhilfen für Kinder in Pinguinform lehnte er vehement ab, dafür hielt er sich gern an mir an. Ich fand's süß, also lernte ich ihm so das Eislaufen, während er sämtliche Handknochen unter meinen Fäustlingen zerquetschte. Er wurde schnell besser tho. 

Ich nahm Tae auch mit zu meinen Freunden, wenn es sich ergab und die verstanden sich alle ganz gut. Er hatte sich ja einmal dieses Treffen mit Finn ausgemacht, was mir am Anfang nicht so behagt hatte. Im Endeffekt stellte sich heraus, dass meine Bedenken ziemlich überflüssig gewesen waren, denn Finn hatte eine Freundin. Ja, ich hatte das nicht gewusst, bis T es mir erzählt hatte. Die kannten sich anscheinend seit der Schule, sie lebte noch in Tirol, also war es eine Fernbeziehung. Schon lustig, dass T das nach wenigen gemeinsamen Stunden mit Finn schon wusste, während ich nach einem Jahr keinen Plan gehabt hatte. Well, er schloss leicht Freundschaften, das hatte ich mittlerweile auch gecheckt. For real, manchmal gingen wir am Wochenende Essen oder in eine Bar und er startete einfach ein Gespräch mit unseren Sitznachbarn. Mein introvertierter ass konnte da echt nur staunen. 

Womit er mich auch hin und wieder überraschte, waren kleine Zeichnungen, die er mir ins Postfach warf. Ich hatte es mir nämlich zur Angewohnheit gemacht, den regelmäßiger zu checken und hin und wieder fand ich kleine Blättchen von T. Manchmal hatte er mich gezeichnet, manchmal etwas aus der Natur und es war auch immer auf ganz unterschiedliche Weise umgesetzt. Mal wirkte es wir gekritzelt mit vielen Herzen und krakeliger Stiftführung, mal hatte er mein ganzes Gesicht mit Linien durchzogen, um den ganzen mehr Volumen zu verleihen. Und dabei standen meist ein paar Worte, Gedanken oder Gefühle von ihm. Letztens hatte er unter ein Portrait von mir It's fine as long as I believe in you geschrieben. Es waren sehr persönliche Blätter und ich betrachtete jedes genau, bevor ich es in eine Mappe mit Klarsichtfolien einordnete. Obviously freute ich mich des Todes über jede Zeichnung und brachte die Tage mit lockeren Schultern hinter mich, bis ich T wieder sah. 

In dieser Zeit widmete ich mich wieder mehr dem Filmen und der Fotographie. Oft nahm ich T bei den verschiedensten Gelegenheiten auf, beispielsweise beim Entenfüttern an der Donau, beim Malen oder wenn er schlief. Im Schlaf war sein Gesichtsausdruck so unbeschwert, so zufrieden, ich sah mir das wirklich gern an. Hatte übrigens auch seine Erlaubnis dazu, nur so am Rande. 

Außerdem beschäftigte ich mich mehr mit Physik, vor allem mit Astrophysik. Ich hatte den Himmel schon immer spannend gefunden, aber in letzter Zeit ging mein Interesse echt steil bergauf. Färbte Ts Neugierde auf mich ab? Oder hatte ich einfach mehr Energie und Willen zum Lernen? Alles möglich, aber was es auch war, ich war der Sache dankbar. Denn nichts war für mich erfüllender, als mich leidenschaftlich in einem Gebiet zu vertiefen, sei es mein Freund oder die Physik. 

Sonst bereitete ich auch oft Überraschungen für T vor, da er das auch gern hatte, wie ich herausfand. Miri war ja nicht so der spontane Überraschungstyp gewesen und hatte Sachen lieber ausgemacht. Aber halt, halt, das war hier ein neues Kapitel, ich wollte das nicht mit der Beziehung zu Miri vergleichen. Jede Beziehung stand für sich selbst.

Gut, zurück zu den Überraschungen. Manchmal läutete ich mitten in der Nacht an seiner Tür an, in der einen Hand die alte Gitarre, in der anderen das Handy mit den Akkorden. Weil es gab so Songs, über die ich stolperte und die ich einfach sofort mit T verband. 10 000 Hours war so ein Lied, oder Lost Stars. Und ja, da konnte ich dann einfach nicht anders, als mir geschwind die Akkorde anzusehen und rüber zu T zu rushen, um ihm ein kleines Ständchen vorzusingen. Wenn es seine Mitbewohnerin Val war, die mir die Tür öffnete, beschwerte sie sich zwar immer, dass ich für diesen Kitsch ihren Schlaf störte, aber im Endeffekt ließ sie mich dann doch rein. Mit Val hatte ich überhaupt die Erfahrung gemacht, dass sie eher harsch und abweisend nach außen hin wirkte, aber trotzdem meistens dann nachgab. Sie war lieb und oft plauderte ich mit ihr, wenn T in der Früh noch schlief. 

Manchmal machten Tae und ich aber auch gehörigen Blödsinn. Einmal wollte er Val reinlegen, weil sie nahm sich zum Frühstück oft ein Müsli und das wollte er dafür ausnutzen. Er wollte die Milch nämlich austauschen gegen eine Milch der etwas andere Art. Dafür wurde ich die ganze Nacht gemolken, ich sag's euch. Es war's aber wert, denn Vals irritiertes Gesicht in der Früh, als die Milch ganz bitter und weird schmeckte, war Gold. Und als sie langsam begriff, was sie da trank und die Züge umschlugen in Ekel und Ärger, ui ui ui, das war lustig. Als Rache leerte sie die Milch über T und mich. Ihn störte es nicht, aber bei mir hieß der erste Halt danach gleich mal Dusche. 

Ja, so ging der November vorbei und ehe ich mich versah, war auch schon der Dezember fast vorüber. Ich war auf ein paar Christkindlmärkten mit T gewesen, manchmal auch mit Patrick und den anderen. Geschenke hatten wir keine gekauft, es war nur der Punsch, der uns hinzog. Weihnachten selbst verbrachte ich bei meinen Eltern, die ebenfalls in Wien wohnten, T fuhr zu seiner family raus aufs Land. Wir fanden beide das Konzept von Weihnachtsgeschenken komisch, also hatten wir uns diesem Brauch entzogen. Wenn ich eine Idee hatte, wie ich ihm eine Freude bereiten konnte, setzte ich das lieber gleich um, als da auf irgendein Datum zu warten. Noch komischer fand ich es, wenn man sich nur weil Weihnachten war, etwas zum Schenken einfallen ließ. Es gab echt Leute, die zerbrachen sich ewig den Kopf darüber, was sie wem anderen unter den Christbaum legen konnten. Aber für mich war es voll okay, wenn mir meine Freunde nur was gaben, wenn sie halt eine coole Idee hatten. Das war viel lockerer und dabei kamen dann wenigstens auch Geschenke raus, mit denen ich was anzufangen wusste. 

Tae war übrigens die ganze Woche von Weihnachten bis Silvester bei seiner Familie, was hieß, dass ich ihn in dieser Zeit nicht sehen konnte. Wir telefonierten zwar und schrieben auch ein bisschen aber das war halt echt nicht dasselbe. Am 30. hatte er ja bekanntlich Geburtstag und auch da war ich nicht bei ihm. Ich fühlte mich ein bisschen mies deswegen, prinzipiell hätte ich ja einfach aus der Stadt fahren können und zu ihm, so weit war es ja nicht, aber irgendwie hing ich noch im Arbeitsrhythmus der Uni fest und arbeitete an den Aufgaben, die die Professoren uns über die Ferien gegeben hatten. Dafür hatte ich danach wenigstens Ruhe und konnte entspannen. Deswegen stieg ich schlussendlich erst am 31. in die Bahn und fuhr raus aus Wien, um bei T erstens seinen Geburtstag nach zu feiern, zweitens eine Silvesterparty zu schmeißen und drittens mal seine Familie kennenzulernen lol. Und da wollen wir die Erzählung im nächsten Kapitel anknüpfen. 


catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt