Im Treppenhaus von Taes Wohnung ließ ich nochmal die gestrigen und heutigen Ereignisse Revue passieren. Tae in Unterhose beim Malen, Ei Tempera, Gemüse am Balkon, zwei smäski Oberschenkel, Schwarze Löcher, der gelbe Pullover mit dem aufgenähten Bären, Schlaflosigkeit und ein Bussi in der Früh. War ganz schön viel passiert in dieser kurzen Zeit. Was wohl als nächstes passieren würde?
Klar, ich war grad ziemlich horny, aber ich wollte nicht nur mit dieser Erwartung in das Treffen mit Tae hineingehen. Vielleicht war er ja auch nicht bereit für sowas, was wusste ich schon. Von meiner Seite aus gab es jedenfalls grünes Licht und wenn der vibe passte, würde ich die Gelegenheit nutzen. Noch eine schlaflose Nacht wegen eines Ständers konnte ich echt nicht gebrauchen.
"Jeongguk, du schon wieder?", begrüßte Val mich mit einer hochgezogenen Augenbraue im Türrahmen zur Wohnung. Auch diesmal hatte sie nur einen dünnen Slip und einen dunkelgrünen Sweater an. Vielleicht hatte sie ja etwas gegen Hosen, genauso wie Patrick gegen Shirts.
"Ja, ich schon wieder", meinte ich und spähte in die Wohnung. Ah, Tae war schon da, er saß am Tisch und futterte irgendwas.
"Komm rein, wir essen grad"
Damit trat ich in die Wohnung ein. In der Tat roch es hier, als ob gerade noch gekocht worden wäre. Roch gut.
"Hi", nuschelte Tae mit Essen im Mund. Es gab irgendeinen Auflauf mit Erdäpfel anscheinend.
"Servus"
Val hockte sich wieder an den Tisch zu ihrem Teller und bot mir bei der Gelegenheit auch etwas von dem Auflauf an. Bei Essen sagte ich natürlich nicht Nein, also saß ich im Handumdrehen neben den beiden und gabelte die Erdäpfel und (mittlerweile hatte ich die anderen Zutaten identifizieren können) Melanzani auf, den geschmolzenen Käse ließ ich mir genießerisch auf der Zunge zergehen.
"Das ist echt gut", sagte ich und anscheinend war Val die verantwortliche Köchin, denn sie bedankte sich kurz bei mir, "Und wie war euer Tag so?"
"Fad", meinte die Schwarzhaarige und kaute unbegeistert auf ihrem Auflauf herum.
"Also meiner war gut", lächelte Tae, "Deiner?"
"War okay. Bin grad noch mit zwei Freunden im Starbucks gewesen"
"Hab mal in einem Starbucks gearbeitet", teilte Val mit.
"Lol, ur cool, hab ich auch mal überlegt. Wie war das so?"
Und so verbrachten wir das Essen bei angenehmem Plaudern. Vom Starbucks gelangten wir zum generellen Thema Arbeit und tauschten uns über unsere bisherigen Erfahrungen aus. Tae erzählte, dass er hin und wieder Geld mit dem Verkauf von Bildern verdiente, Val beschrieb ihre Arbeit auf einem Bauernhof letzten Sommer und ich berichtete von meinem Job als Bibliotheksassistent vorheriges Jahr.
Nach dem Essen zog Val sich zurück in ihr Zimmer, anscheinend war die Arbeitsaufteilung so, dass der, der nicht gekocht hatte, nachher den Abwasch machen musste. Tae stand nämlich in seinen kurzen Klamotten am Waschbecken und seifte kräftig die Teller und das Besteck ein. Meine Hilfe hatte er abgelehnt, also saß ich währenddessen untätig auf der Couch und sah ihn von hinten an. Da ich freien Blick auf seine Waden hatte, hingen meine Augen vor allem an ihnen. Die waren halt einfach lieb geformt.
"Passt es eh, dass ich schon wieder hier bin?", wollte ich wissen und spielte mit meinen zahlreichen silbernen Ohrringen.
"Ja klar. Lass dich nur nicht von Vals Begrüßung verunsichern, sie ist oft rauer als gewollt"
"Haha ja, aber sie ist cool"
"Find ich auch"
Tae beendete den Abwasch, trocknete die letzte tropfende Gabel ab und swagte sich dann zu mir auf die Couch. Unsere Knie berührten sich, ich richtete meinen Rücken auf und sah ihn aufmerksam an.
"Und, was möchtest du heute machen?", fragte Tae mit seinen kindlichen Augen.
"Äh, schauen wir mal, I don't know", druckste ich unsicher herum und fingerte weiter an den Ohrringen herum. So über ihn herfallen mit meinem thirst wollte ich dann doch nicht.
"Ich könnte dich zeichnen. Dauert nicht lang, ich hätt nur gern eine gescheite Skizze von dir"
"Fix, können wir machen"
"Okay, komm, gehen wir rüber"
Also wechselten Tae und ich in sein Zimmer, wo die Malutensilien schon eifrig auf ihn warteten. Es war eigentlich lustig, er hatte viele Zeichensachen, aber sonst fast gar nichts. Hätte man alles Kunstbezogene aus diesem Raum entfernt, wäre er wohl bis auf die nackten Möbel leer gewesen. Oh, und die paar Klamotten natürlich.
"Setz dich einfach aufs Bett, wie es bequem für dich ist. Ich mach nur kurz ein Portrait", wie Tae mich an.
Ich folgte ihm und machte es mir auf seinem breiten Bett gemütlich. Tae kramte währenddessen einen großen Skizzenblock heraus, von der Größe vielleicht A3, und schnappte sich dazu noch einen schlichten Bleistift. Er rückte den Hocker zurecht und setzte sich dann drauf.
"Ja, nicht bewegen please. Du kannst Musik aufdrehen, damit dir nicht fad ist"
"Alrighty"
Daraufhin fischte ich mein Handy aus der Hosentasche und drehte auf Spotify eine random Future Bass Playlist auf. Ich legte es neben mich und wandte dann wieder den Blick auf Tae, damit er beginnen konnte.
Er machte zwei Skizzen. Beim ersten Blatt bewegte sich sein Arm ruckartig, fast eilig fetzte er die Linien aufs Papier. Die tatsächliche Zeichnung konnte ich von meiner Position aus ja nicht sehen, aber allein wie er zeichnete, sah schon cool aus. Dabei sah er mich so intensiv an, like er schaute ja sowieso immer sehr aufmerksam und so, aber dieser Blick holy, der ging durch meine Haut durch. Radiergummi verwendete er by the way keinen, auch ein fetter Flex.
Bei der zweiten Skizze arbeitete seine Hand ruhiger und es kam mir vor, als würde er den Bleistift fast gar nicht mehr absetzen und nur in durchgängigen Linien zeichnen. Verrückt, wie easy er seine Arbeitsmethode ändern konnte...Mein Fokus beim Zeichnen lag allein darauf, dass die Linie richtig geformt war. Wie man die Linie zu Papier brachte, daran hatte ich noch nicht wirklich gedacht.
Nach einer kurzen Zeit jedenfalls war die Session auch schon wieder vorbei, Tae hatte die zwei Blätter wirklich geschwind fertig. Ich krabbelte rüber ans Bettende und glubschte auf seine Arbeiten.
Es war erstaunlich, wie sehr die gezogenen Linien zu den Armbewegungen von vorher passten. Die Umrisse meines Gesichts am ersten Blatt waren dynamisch und grober. Tae hatte nicht lang herumgefackelt und war hatte die Sache direkt in Angriff genommen. Mehrere Linien befanden sich auch mal nebeneinander, meine Nase hatte er zum Beispiel ein paar mal überzeichnet. Trotzdem war ich eindeutig zu erkennen. Auch mein Gesichtsausdruck sah wirklich authentisch aus und ich blickte dem Betrachter erwartungsvoll entgegen.
In der zweiten Skizze hatte er mich ganz anders umgesetzt. Er hatte die Konturen mit nur mehr einer Linie gezogen, die nicht mehr so rau wie vorher war, sondern eher fließend. Es wirkte irgendwie voluminöser, ich war nicht mehr so zweidimensional. Erinnerte mich ein bisschen an Akte von Klimt. Der hatte die Körper ähnlich weich und harmonisch skizziert.
"Ur cool. Der Unterschied von den beiden Bildern ist ja crazy", begeisterte ich mich.
"Hm ja...aber irgendwie passt das nicht zu dir", kritisierte Tae und sah abwechselnd zwischen den beiden Blättern und mir hin und her.
"Es schaut doch so aus wie ich"
"Ja, darum geht's nicht"
"Worum dann?"
"Na ja, um den vibe...Aber nevermind, du hast eh recht. Das ist ja nur eine Skizze, bei der richtigen Arbeit muss ich dann erst was verändern"
"Du willst mich nochmal zeichnen?"
"Klar. Da verwend ich dann die Skizzen und übersetze sie entsprechend. Aber das mach ich wann anders. Danke auf jeden Fall, fürs Modell sitzen"
"Ja, kein Ding", beschwichtigte ich ihn lächelnd.
Tae wollte ein richtiges Portrait von mir malen? Wie schmeichelhaft. Interessierte mich jetzt schon, wie er mich aufs Papier umsetzte.
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catching vibes like dreams || taeguk
FanfictionJeongguk und Taehyung, die beiden leben einfach ihr Leben, machen ihr Ding, kennen sich nicht. Doch bei dieser einen Kunstausstellung spricht Teilzeit Pokémontrainer Taehyung den angehenden Game Designer an und irgendwie verändert das alles. strang...