Val, keine Einbrecherin

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Vom schrillen Piepen meines Handys wurde ich unsanft aus dem Schlaf gerissen. Na ge, schon acht? Wie brutal...

Verschlafen schaltete ich den Wecker in meine Hosentasche aus, rollte mich grummelnd auf die Seite und stieß auf einmal gegen etwas. Es war warm? Oh, Taehyung...ups. Ach ja, ich war bei Taehyung, stimmt...voll vergessen. Er schien noch zu pennen, gut, dann hatte ich ihn wenigstens nicht mit de Gepiepse aufgeweckt. 

Weit gähnend blinzelte ich durch den Raum, um etwas Orientierung zu gewinnen. Ja, war noch dasselbe Atelier mit weichem Bett wie in der Nacht davor, sogar mein Weinglas stand noch am gleichen Platz am Boden. Nur war es leer? Ich dachte, ich hätte nicht alles ausgetrunken. Na ja, ein müdes Hirn war wohl auch nicht am verlässlichsten, was das Speichern von Informationen anging.

An dieser Stelle noch ein paar Worte zu Taehyungs und meiner Liegeposition, weil das ganz amüsant war. Also, zur Verfügung hatten wir ja ein breites Bett, dass so ein Mittelding zwischen Doppel- und Einzelbett war. Würde sich chillig ausgehen, da nebeneinander zu liegen mit einem angemessenen Abstand, kein Problem. Nur Taehyung und ich hatten uns, warum auch immer, anders arrangiert. 

Statt nämlich der Länge nach auf der Matratze zu liegen, wie man es normalerweise tat, hatten wir uns quer drüber platziert. Logischerweise reichte die Breite des Betts aber nicht für unsere Körpergröße aus, also hingen unsere Beine ab den Knien vom Rand hinunter auf den Boden. Wenn ich mich recht erinnerte, waren wir eben in der Nacht so an der Bettkante gesessen und der schnellste Weg in eine Liegeposition war da nun einmal Oberkörper nach hinten und fertig. Tja, jetzt taten mir die Kniegelenke weh, aber das kam davon, wenn man faul war. 

Hinzuzufügen war außerdem, dass es nur eine Decke und einen Polster gab. Anscheinend hatte ich im Schlaf die Decke an mich reißen können, Taehyung musste sich mit dem Polster zum Zudecken begnügen. Sorry for that, TaeTae. Schnell warf ich beim Aufstehen die Decke über seinen Körper. 

Tja, jetzt stand ich hier also in seinem Zimmer, wusste aber auch nicht recht weiter. Ich sollte mich wohl beeilen, um neun fing die Vorlesung an und davor musste ich noch zu mir, um meinen Kram zu holen. Erfrischungsdusche würde sich wohl nicht ausgehen, sigh. 

Aber irgendwie wollte ich mich nicht verpissen, ohne mich von Taehyung verabschiedet zu haben. Es tat mir auch irgendwie leid, dass ich gestern einfach weggepennt war...Immerhin hatte er mir da tief persönliche Philosophien von ihm erklärt, da hätte ich mich ruhig dankbarer zeigen können, als dass ich ihn dann anschnarchte. Na ja, jetzt hatte ich es eh schon verkackt...

Als Kompensation fürs Verabschieden schrieb ich auf einen kleinen Zettel, den ich von seinem Schreibtisch mopste, meine Nummer und ein kleines Danke, weil er mir ja so geduldig zugehört hatte. Man, ich fühlte mich echt schlecht, dass ich eingeschlafen war, schon unfair ihm gegenüber...bei Gelegenheit würde ich mich entschuldigen. 

Stift und Zettel legte ich behutsam auf das hölzerne Nachtkästchen. Bei den Utensilien hatte ich natürlich darauf geachtet, möglichst billig aussehende zu verwenden. Ich wollte hier echt nicht irgendeinen Hightech Bleistift zerstören oder sau teures Papier verschwenden. 

Innerlich verabschiedete ich mich also von Taehyung und musterte noch kurz sein selig schlafendes Gesicht. Schon ein lieber Bursch. Aber egal, keine Zeit für Stalker Aktivitäten, jetzt ging's erst mal in die Uni. Nur hatte ich nicht damit gerechnet, das ein wirklicher Stalker sich in Taehyungs Wohnzimmer befinden würde. 

Ich wollte mich gerade verpissen, da saß auf einmal ein schwarzhaariges Mädchen in Taehyungs Wohnung und glotzte mich an. Erschrocken taumelte ich in sein Schlafzimmer zurück. Einbrecher? Hatte Taehyung vergessen, die Tür zuzusperren? Fuck, was sollte ich jetzt machen?

"Bist du Jeongguk?", hörte ich die weibliche Stimme. 

Scusi? Woher kannte die meinen Namen? Warte, warte...hatte Taehyung nicht gemeint, er lebte in einer WG? Hm, das würde wohl auch den anderen Namen auf dem Türschild unten erklären...Wow, man merkte gleich, dass mein Hirn um einiges frischer als in der Nacht war. Vorsichtig schaut ich also wieder ins Esszimmer und traf das Gesicht der Frau, die ihre Augenbrauen fragend nach oben gezogen hatte. 

"Ähm, ja ich bin Jeongguk", bejahte ich ihre Frage. 

"Ah okay. Ich bin Val, Taes Mitbewohnerin", erklärte sie sich und widmete sich wieder ihrem Frühstück. 

 Neugierig trat ich ins Zimmer ein und musterte sie genauer. Ihr ebenholzschwarzes Haar war circa so lang wie meins geschnitten, nur waren ihre Haare glatt und vorne länger als hinten. Sie war von blassem Teint und tiefe Augenringe hingen an ihr, was einen ziemlichen helldunkel Kontrast gab. Ihre hellbraunen Augen wirkten warm, auch wenn ihre vollen Lippen skeptisch nach unten gekrümmt waren und im Pjyama hockte sie da breitschultrig vor mir. 

"Magst du was frühstücken?", bot Val mir über ihrem Müsli an. Val kam vielleicht von Valentina? Oder Valerie? I don't know, die besser Frage war, woher sie mich eigentlich erkannt hatte. 

"Nein danke, hab nicht so viel Zeit. Muss zur Uni. Aber woher kennst du mich?"

"Hm? Wir haben uns doch im Loop am Freitag gesehen"

"Im Loop? Da war ich mit Taehyung"

"Ja, und du hast ihn ja Saxophon spielen sehen. Ich hab gesungen" 

"Oooh, stimmt, jetzt wo du's sagst. Kann mich schon wieder erinnern"

Ach ja, die Sängerin, die später zum Kontrabass geswitcht hatte. Voll, die hatte solche schwarzen glatten Haare gehabt...Funny. 

"Wieso habt ihr eigentlich diese Band? Also wie...ist das so gekommen?", fragte ich holprig nach. 

"Na ja, Phil, Hannes und ich haben schon länger hin und wieder Auftritte. Tae war halt mal dabei zufällig und danach haben wir noch geplaudert und er hat uns was vorgespielt am Sax und ja, hat sich irgendwie so etabliert"

 "Cool cool. Mir hat eure Musik gut gefallen"

"Danke. Und was machst du so?", erkundigte Val sich und löffelte weiter ihr Müsli. Es waren Cini Minis, soweit ich das erkennen konnte. Man, hätte ich mehr Zeit gehabt, würde ich mir auch schnell welche gönnen. 

"Ich studiere an der TU. Software and Information Engineering, drittes Semester"

"Mein Bruder ist auch an der TU, aber er macht Physik"

"Wie heißt er? Ein paar Physiker sind nämlich bei mir im Wohnheim"

"Marci. Also Marcel mit ganzem Namen"

"Hm, na kenn ich nicht", meinte ich und checkte kurz die Uhrzeit auf meinem Handy. Fuck, schon 20 nach? Genug Plausch hier geführt, schnell heim und dann zur Uni! "Du, Val, ich muss jetzt echt los, Uni"

"Okay. Soll ich Tae irgendwas ausrichten von dir?", bot sie netterweise an. 

"Äh nein, passt schon, danke. Hab ihm eh einen Zettel geschrieben", lehnte ich lächelnd das Angebot ab. Den würde er schon finden. 

"Oho, ein Romantiker", schmunzelte sie und mir fiel auf, dass es das erste Mal war, dass ihre Mundwinkel sich hoben. 

"Über meine romantische Seite kann dir meine Freundin sicher noch mehr erzählen. Na ja, genug geplaudert, ich verpiss mich dann mal"

"Bis dann"

"Tschau"

Und schon headete ich aus der TaeVal Wohnung und tauchte wieder in meinen Alltag ein. 




catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt