Krankenbesuch

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Ungefähr drei Wochen nach der Trennung klopfte Taehyung an meiner Tür. Ihr wundert euch jetzt vielleicht, warum er auf einmal dastand, wo ich doch noch im letzten Kapitel gesagt hatte, ich wollte ihn erstmal nicht sehen. Erstens, erstmal war eine ziemlich schwammig definierte Zeitspanne und konnte sich über mehrere Tage oder auch Monate erstrecken. Zweitens, und das war der Grund, warum Taehyung eigentlich hier war, hatte er mir geschrieben, er bräuchte meine Hilfe bei etwas. Kurz überlegt hatte ich schon, ob ich ihn nicht doch abweisen sollte, aber dann hatte ich mir selbst einen Ruck gegeben und eingewilligt. Vielleicht konnte er mir ja auch helfen, aus dieser Tristesse auszubrechen.

"Ist offen", rief ich ihm vom Bett aus zu. 

Es war später Nachmittag und ich lag nur in Boxershorts unter meiner Bettdecke. Lust aufs Anziehen hatte ich wirklich nicht, da hätte ich ja aufstehen müssen, oh hell nah. Schon lustig irgendwie, dass ich Kraft für 100 Situps hatte, vom Anziehen aber überfordert war. 

Ich hörte das Quietschen meiner Türklinke und kurz darauf das Öffnen der Tür. Taehyungs Schritte wurden begleitet von einem Rascheln, dass ich nicht identifizieren konnte. Für eine Jacke klang es irgendwie zu laut und knisternd, hm keine Ahnung. 

"Hey", begrüßte Taehyung mich und steckte seinen Kopf bei meinem Schlafzimmer herein. Wie lang hatten wir uns nicht gesehen? Circa einen Monat, schätzte ich. Seine Haare waren etwas gewachsen und kräuselten sich auf seiner Stirn. 

"Hi", erwiderte ich den Gruß. Taehyung trug ein glatt gebügeltes weißes Hemd, das er in eine ockerbraune Bundfaltenhose gestrickt hatte und sich schön an seinen Körper schmiegte. Richtig edel lol, da konnte ich mit meiner Unterhose nicht mithalten. 

Es fühlte sich schon irgendwie komisch an, so im Bett zu lungern, während Taehyung vor mir im Türrahmen stand. Ich war in keiner guten Verfassung, die Augen waren verklebt vom dauernden Weinen, meine Nase gerötet vom Schnäuzen und überhaupt sah man mir an, dass ich geschafft war. Taehyung konnte das sicher auch sehen, allein die ganzen benutzten Taschentücher am Nachttisch und das dreckige Geschirr am Boden bezeugten alles. Bei meinen Freunden juckte es mich nicht, wenn sie mich so sahen, aber bei Taehyung war es irgendwie schon anders. Immerhin kannten wir uns nicht so lange und gut, also war es schon ein bisschen scary, sich ihm so verletzt zu präsentieren. 

"Wie geht's dir?", fragte Taehyung mit seinen großen Augen und hockte sich auf den Boden, um halbwegs mit mir auf einer Augenhöhe zu sein. 

"Hm, es wird besser. Und du?"

"Mir geht's gut"

Ich nickte und richtete mich auf, sodass ich im Bett saß und die Decke von meinem freien Oberkörper runterrutschte. Brr, kalt, kalt, schnell zog ich die Decke über meine Schultern. 

"Wobei soll ich dir helfen?", kam ich gleich auf den Grund für das Treffen zu sprechen. 

"Ach so, das, ja das war vielleicht ein bisschen geschwindelt"

"Wie geschwindelt?", hinterfragte ich überrascht.

"Ich brauch nicht wirklich bei was Hilfe von dir. Hab nur eine Ausrede gesucht, um mal bei dir vorbeizuschauen und abzuchecken, wie es dir geht. Nach drei Wochen mach ich mir schon bisschen Sorgen", erklärte Taehyung grinsend und zuckte mit den Schultern. 

Lmao, der hatte mich schon wieder angeschwindelt. Wie bei der Ausstellung damals, als er gemeint hatte, sein Bild wäre einfach eine Kinderzeichnung. So ein Schlawiner, tz tz tz. Na ja, übel nehmen konnte ich es ihm wohl nicht, wenn er sich nur um mich gesorgt hatte. War eh cute, meine Freunde kamen ja auch hin und wieder aus diesem Grund vorbei. 

"Ähm okay", sagte ich schlicht. 

"Und", fuhr Taehyung fort, "Egozentrisch wie ich bin, hab ich vor, dir was zu kochen, damit du mir nicht böse bist wegen der Lüge"

"Du kochst für mich und nennst das egozentrisch?"

"Klar, will ja nicht, dass du mich raushaust"

"Lol", murmelte ich nur. 

Wenn er sich so begründete, ergab es schon Sinn. War wohl eine sehr positive Art des Egozentrismus, wenn ich dabei bekocht wurde. Aber ich wollte mich nicht weiter in abstrakte Gedankengänge vertiefen, war viel zu anstrengend für mein Hirn. 

"Ja, koch, wenn du willst. Soll ich dir zeigen, wo alles ist in der Küche?", bot ich an, auch wenn der Gedanke, das Bett zu verlassen, mir Angst einjagte. 

"Ich werde mich schon zurechtfinden, bleib ruhig liegen", lehnte Taehyung gottseidank das Angebot ab, "Passen Nudeln eh für dich?"

"Ja, mir egal. Ich weiß aber nicht, ob ich noch Nudeln da hab"

"Hab eh welche von mir mitgenommen. Schau"

Damit fischte Taehyung ein Sackerl aus dem Nebenraum und hielt es mir hoch. Ah, daher waren also diese komischen Raschelgeräusche gekommen. Sehr vorausdenkend dieser Bursche, wenn er von sich welche mitbrachte. Ich war nämlich echt schon lange nicht mehr einkaufen gewesen. 

"Nice", kommentierte ich weiterhin eher wortkarg. 

"Jap. Gut, dann fang ich mal an"

Und schon kam Taehyung wieder auf die Beine und machte sich auf in die Küche, die ja auch als Wohn-, Ess- und Vorzimmer bekannt war. Ein wahrliches Allroundtalent von einem Raum. Und Taehyung war deutlich zu hören, wie er planlos Schubladen auf- und zumachte, Töpfe aneinander klirren ließ, Besteck durchwühlte und Wasser in Behältnisse laufen ließ. War sicher nicht leicht, in einer fremden Küche ohne instructions was auf die Reihe zu kriegen, aber ich fühlte mich wirklich nicht danach, meine Bettdecke zu verlassen. Eine Trennung war mir erstmal genug. 

Hm, irgendwie schon komisch, dass Taehyung hier war. Drei Wochen war es erst her, dass Miri und ich Schluss gemacht hatten und jetzt kochte er schon für mich. Er, der ja irgendwie der Auslöser war, dass die Beziehung schlussendlich in die Brüche gegangen war. Ich gab ihm nicht die Schuld an irgendwas, nein nein, Schuld gab es ja in erster Linie sowieso nicht. Es spielten doch immer so viele verschiedene Faktoren zusammen und überhaupt hatte Taehyung ja nicht mal versucht, sich an mich ranzumachen oder so, also machte ich ihn auch für nichts verantwortlich. Dinge passierten nun einmal, so war das halt. 

Aber trotzdem war es mir nicht ganz geheuer, dass er hier war. Allein meine Bemerkung vorhin, dass sich sein Hemd auf eine schöne Art an seinen Körper schmiegte. Bro, das war doch nichts, was einer mit Liebeskummer denken sollte. 

Nein wartet...ich wollte doch nicht bestimmen, welche Art meine Gedanken in dieser Situation annehmen sollten. Damit würde ich mich ja nur selbst manipulieren lmao, nein danke. Ja, vielleicht hatte ich diese Nacht erst noch einen Heulkrampf wegen Miri gehabt, aber das hieß ja nicht, dass ich andere Leute nicht bewundern konnte. Schränke dich nur nicht selber ein, Jeongguk, deine Gedanken sind, was sie eben sind. 

Okay, irgendwie hörte ich mich wie der Meditationscoach meiner Mutter an...

Irgendwann begann Taehyung leise zu summen, während ich weiter in meinem Bett sinnierte. Seine tiefe, angenehme Stimme erreichte gerade noch meine Ohren, wurde zum Glück nicht vom Geräusch des blubbernden Kochwassers übertönt. Die Melodie erkannte ich sogar wieder, als ich in dieser einen Nacht bei Taehyung gewesen war, hatten wir ja Chet Baker gehört und da war dieses Lied dabei gewesen. Keine Ahnung, wie es hieß, aber es von Taehyung gesummt hörte es sich wirklich schön an. Entspannt schloss ich die Augen und genoss den Klang von Taehyungs Stimme. 

catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt