Sehnsüchtig am Songs schreiben

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Ich arbeitete also an dem Track für T, während er im Nebenzimmer malte. Damit er die Sounds nicht hörte, hatte ich mir Kopfhörer aufgesetzt. Original wollte ich das Lied eigentlich für die Gitarre schreiben, aber die war bei mir in der Wohnung, deshalb wich ich auf das Musik Programm auf meinem Laptop aus. Da konnte man alle möglichen Sounds herstellen und es war wirklich spannend. Vielleicht würde ich beim nächsten Lied mehr herumexperimentieren, jetzt beließ ich es erstmal bei der Gitarre. 

Die Melodie im Refrain hatte ich schon ungefähr so, wie ich sie haben wollte. Die Strophen stellten mich noch vor eine Herausforderung, weil ich nicht ganz wusste, wie ich den Text da klanglich schön verpacken konnte. Worüber ich singen wollte, hatte ich nämlich ziemlich klar vor Augen. Es ging um T, dass er mich irgendwie gestartet hatte. Hörte sich das weird an? Vielleicht, aber es war so. Was war ich vor ihm gewesen? Jemand, der an seiner Beziehung aus Gewohnheit festgehalten hatte, seine Leidenschaften vernachlässigt hatte. Aber durch seine Anstöße hatte er mich auf Zack gebracht. Als wäre ich davor auf Standby gewesen und er hatte mich aktiviert. 

For real, I mean, ich saß hier und schrieb an einem Song. Das wäre mir doch vor ein paar Monaten nie in den Sinn gekommen. Oder Die Flugmaschine. Wir bauten ein Flugobjekt, wie krass war das? Ich beschäftigte mich viel mehr mit Physik, kam auch langsam auf den Geschmack der Chemie. Ich entwarf Skizzen für Charaktere, die ich eventuell mal in Videospiele einbauen wollte. Durch T konnte ich irgendwie mein volles Potenzial ausschöpfen, ich machte ein Level Up und veränderte mich zu einer neuen Version von mir. Und dabei gab ich ihm selbst genauso viel Energie wie mir, es baute sich alles aufeinander auf. Kein Wunder, dass er inspirierter war in letzter Zeit. 

Ja und darüber sollte es in meinem Song gehen. Dass ich durch ihn anfangen hatte können. Ich wollte, dass er das wusste, auch wenn ich es ihm gefühlt schon hundertmal gesagt hatte. Und es machte mir auch einfach Spaß, daran zu arbeiten. Sich kreativ auszudrücken, war nämlich ganz spannend in meinen Augen.

Hin und wieder machte ich Pausen beim Arbeiten, was ich ja normalerweise nicht machte, aber an diesem Abend checkte ich immer mal wieder Ts Schlüsselloch und sah ihm von dort ein bisschen beim Malen zu. Klar, durch die kleine Öffnung konnte ich nicht viel erkennen, ich sah lediglich seinen Arm, der sich in expressiven Strichen bewegte. Manchmal kam auch sein Wuschelkopf ins Bild, wenn er sich nach rechts beugte, um nach etwas zu greifen. Ich sah ihm gern zu. Das war T quasi in seiner natürlichsten Form, er wusste nicht, dass ich ihn beobachtete. Ähnlich wie beim Schlafen, da war er auch in seiner eigenen Welt. Ich hätte ja auch Fotos gemacht, aber die wären ugly durchs Schlüsselloch geworden. 

Nach diesen kurzen Pausen arbeitete ich umso motivierter an dem Track weiter und probierte Melodien für die Strophen und Bridge aus. Ich kam ein ganzes Stück weiter, aber richtig in den flow stieg ich irgendwie nicht ein heute. Immer wieder checkte ich die Uhrzeit auf Ts Handy, das er eben auf den Tisch gelegt hatte, und ließ mich leicht ablenken. Na ja, war vielleicht noch, weil ich vorhin so angespannt gewesen war, da T so lange weggewesen war. 

Vier Stunden mit dem Professor gemalt, hm? Und dann kam er heim und wollte gleich weitermalen? Das war doch irgendwie weird. Essen wollte er auch noch nicht, dabei hätte er ja seit dem Frühstück nichts essen können, wenn er dann gleich beim Prof war. Zwischendurch Jausnen tat er nämlich fast nie, er wollte sich genügend Zeit für ein ordentliches Essen nehmen. Aber wenn er dann seit der Früh nichts gegessen hatte, wieso war er dann jetzt nicht hungrig? Elf Stunden ohne Essen hielt doch kaum einer gern freiwillig durch. 

Unruhig hockte ich mich nochmal vors Schlüsselloch und presste meinen Kopf so gegen die Tür, dass ich möglichst viel erkennen konnte. Er hatte sein Hemd genauso in die Stoffhose eingestrickt wie in der Früh, ganz sorgfältig und faltenfrei, nur ein kleiner Zipfel hing ihm hinten raus. Der Kragen seines Hemds stand aufrecht und die Socken hatte er weit nach oben gezogen, sie hielten gut. Er sah fast genauso aus, wie als er in der Früh mit mir die Wohnung verlassen hatte. Haare waren halt auch etwas chaotischer. 

Ich setzte mich wieder an meinen Laptop und versuchte, in den flow des Musikschreibens hineinzukommen. T war ja wieder da, ich brauchte mir keine Sorgen mehr zu machen. Später, wenn er fertig mit dem Malen war, könnte ich ihm anbieten, ihn zu massieren. An der Staffelei zu malen, ging nämlich mit der Zeit ziemlich in den Rücken. Ja, das würde ich machen. Bei der Gelegenheit könnte ich ihn dann auch gleich wegen des Professors fragen. Irgendwie ließ mich das nämlich nicht in Ruhe. 

Irgendwann gab ich die Musik schließlich auf, als ich merkte, dass ich mich nicht konzentrieren konnte und nur Blödsinn machte. Ich schloss alle Tabs, klappte den Laptop zu und räumte ihn wieder weg. Dafür holte ich meine Unibücher raus und bereitete die Vorlesungen von heute nach, das hatte ich nämlich noch nicht gemacht. War zwar auch bisschen zach, aber da musste ich wenigstens nicht in diesen Tunnelblick kommen, den ich für den Song brauchte. 

Ich schlug mir also mehr oder weniger erfolgreich die Zeit, bis T genug gemalt hatte, um die Ohren. Gute zwei Stunden später kam er auf leisen Sohlen aus seinem Zimmer getapst. Noch immer saß ich am Küchentisch über meinen Notizen, die ich zum wahrscheinlich zehnten Mal durchlas. Als ich ihn erblickte, das Gesicht und Hände voller Farbtupfer, musste ich lächeln. 

"Eine Sekunde", meinte T und verschwand mit Pinseln und Bechern in den farbigen Händen ins Bad. 

Der Wasserhahn war zu hören, das Pumpen der Seife aus dem gläsernen Gefäß und Plätschern. Er wusch seine Utensilien immer sorgfältig, gab darauf Acht, dass sie nicht kaputt gingen. Nachdem er also Pinsel ausgewaschen und Becher gereinigt hatte, kam er wieder aus dem Bad. Die Sachen hatte er zum Abtrocknen dort gelassen und seine Haut hatte er auch gleich sauber gemacht. 

"Was machst du?", fragte T, als er zurück zu mir kam. 

"Uni"

Er setzte sich neben mich auf den nächsten Sessel und rückte ihn näher heran, sodass er sein Köpfchen auf meiner Schulter ablegen konnte. Seine krausen Strähnen fielen auf die sensible Haut rund um meinen Hals und ich streichelte etwas mit der Hand über seinen Schopf. Ich fühlte mich schon wieder besser. Die Gedanken wurde leiser somehow, wenn er in meiner Nähe war. 

"Magst du eine Massage?", schlug ich ihm vor, als meine Finger durch seine Locken glitten. 

"Hast du noch Power dazu? Ist doch schon spät"

"Nein, nein, passt schon. Hab genug Power"

"Okay, dann ja, wär schon nice"

Ich machte Anstalten aufzustehen und T gab mir noch kurz ein Bussi auf die Schulter, bevor er sich erhob. Während er in sein Atelierzimmer ging, um sich schonmal auszuziehen, holte ich noch das Massageöl aus dem Bad. Supreme Haushalt, wie der hier war, gab's natürlich das duftende Öl, das ich an dieser Stelle jeder Person empfehlen möchte. 

catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt