"M-Miri?"
Erhobenen Hauptes stand Miri vor mir. Die lavendelfarbenen Haare waren wieder braun und viel kürzer, gingen ihr grad über die Ohren. Aus kecken Augen sah sie mich an und ich trat erstmal einen Schritt zurück, da ich definitiv nicht mit ihr gerechnet hatte.
"Hallo Jeongguk", begrüßte sie mich flach und trat einfach an mir vorbei in die Wohnung.
"Hi, ich bin Taehyung", stellte T sich vor und nickte ihr kurz zu.
"Ah der Künstler. Ich bin Miri"
"Magst du vielleicht auch eine Palatschinke?", bot er ihr deadass an, während ich noch immer hilflos im Türrahmen stand. Er konnte echt durch fast nichts ins Wanken gebracht werden.
"Nein, danke, ich bleib nicht lang"
Ich starrte sie komplett überrumpelt an. Sie sah so anders aus. Abgesehen von der Naturhaarfarbe, trug sie gar kein Makeup, was sie früher ja schon meistens drauf gehabt hatte. Und ihre Haare waren jetzt einfach halb so lang. Sogar ihr Auftreten wirkte viel selbstbewusster, als ich es in Erinnerung hatte. Allein der Mantel war noch derselbe, grau und bis zu den Knien.
"So Jeongguk", meinte Miri und wandte sich wieder zu mir.
"Huh?", machte ich lediglich überfordert.
"Pack deinen Koffer, wir fahren weg"
"Was?"
"Einpacken sollst du. Wir fahren nach Kitzbühel"
"Hä?"
"Ach, planlos wie eh und je", seufzte sie und und verdrehte die Augen.
Langsam löste ich mich aus meiner Schockstarre und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Was wollte sie mit mir in Kitzbühel? I mean, schön, wenn sie über den Liebeskummer hinweg war und sich wieder meldete, aber so ein spontaner Trip, oder was auch immer das werden sollte, war schon etwas heavy. Vor allem wollte ich ja mit T aufs Land.
"Ähm, ich weiß nicht, was du willst, aber wir fahren heut noch in Taes Dorf"
"Perfekt, dann hast du sicher schon gepackt", erwiderte Miri und klatschte begeistert in die Hände.
"Äh ja...aber..."
"Könntest du vielleicht kurz deinen Plan erklären?", half T mir netterweise aus.
"Urlaub in Kitzbühel, sag ich doch", antwortete sie und sah sich flüchtig in der Wohnung um, "Der Rucksack da ist dein Gepäck?"
"Ja..."
"Perfekt"
Miri jumpte rüber ins Schlafzimmer und griff sich den Rucksack. Erst jetzt klickte es in mir, dass sie das wirklich ernst meinen könnte. Dass sie, meine ehemalige Freundin, mit der ich mich so traurig getrennt hatte, in den Skiort Kitzbühel fahren wollte. Wie absurd, dabei hatten wir doch seit der Trennung keinen Kontakt gehabt, monatelang. Als ob sie annahm, dass ich einfach mitfahren würde. Ich hatte schon Pläne für diese Ferien.
"Miri, Tae und ich verbringen die Ferien miteinander. Ich fahr nicht nach Kitzbühel"
"Stell dich nicht an. Nimm meinetwegen die ganzen Fotos vom Künstler mit, die du hier aufgehängt hast, mir egal, aber komm jetzt"
Sie kam zu mir und nahm kräftig meinen Arm. Die Überforderung kickte wieder rein und ich konnte nichts anderes, als meine Augen aufreißen und hilfesuchend zu T schauen, als sie versuchte, mich wegzuziehen. Mein Körpergewicht war hier von Vorteil, denn sie tat sich ziemlich schwer. T stand vom Tisch auf und stellte sich mit blankem Gesichtsausdruck vor Miri hin. Kurz hob er seine Hand, als wollte er irgendwas machen, aber er ließ sie dann doch wieder sinken. Miri konnte mich eh nicht vom Fleck bewegen, von da her war's wurscht.
Nur dann kam auf einmal ein character ins Spiel, mit dem ich genauso wenig gerechnet hatte. Patrick. Patrick, den ich ja letztens so dumm verletzt hatte, stand plötzlich in meiner Tür, eingepackt in dicke Jacke und mit entschlossenem Gesichtsausdruck.
"Patr-", begann ich noch mehr verwirrt, doch wurde von ihm abgeschnitten.
"Komm mit"", sagte der Blonde nur, packte mich am anderen Arm und versuchte mit Miri, mich wegzuziehen.
"Hä, nein. Hört auf", protestierte ich und stemmte mich mit den Füßen gegen den Boden, da beide zusammen doch etwas mehr Kraft hatten.
"Schnauze", fuhr Patrick mich an and zog mich stärker, sodass ich ein paar Schritte nach vorne stolperte.
Und dann kamen auch schon die nächsten Leute in meine Wohnung geplatzt, Hannah und Lini, war hier heute Tag der offenen Tür oder was? Die beiden girls sagten nicht mal irgendwas, sondern stapften unverschämt hinter mich und schoben kräftig an meinem Rücken an.
"Was macht ihr alle hier?", fragte ich verloren, als die vier mich immer mehr in Richtung Ausgang verrückten. Auch wenn ich mich mittlerweile mit voller Kraft dagegen wehrte, brachte mein Widerstand nichts gegen die power von vier Leuten.
"Du musst mal weg hier", presste Lini zwischen den angestrengt zugedrückten Lippen heraus.
"Wir wollen doch eh aufs Land"
"Weg vom Künstler, du Hirn!"
Geschockt glotzte ich das nussfarbene Mädchen an. Was hieß hier weg vom Künstler? Wollten die T und mich trennen? Hä, was ging hier für 'ne Verschwörung ab, das waren doch nicht mehr meine Freunde. Mit neuer Willensstärke rammte ich meine Füße in den Boden, verkeilte sie im Türrahmen, damit ich mehr Widerstand bot. Und es klappte, die vier kriegten mich nicht aus der Tür.
"Jetzt mach es nicht so schwer, Jeongguk. Das wird dir guttun, vertrau uns", meinte Hannah angestrengt, als sie sich mit der Schulter gegen meinen Rücken stemmte.
"Ich will bei Taehyung bleiben", trotzte ich wie ein Kind.
"Du kannst ihn nicht zu deinem Lebensinhalt machen"
"Kann ich wohl"
Hannah seufzte nur und drückte fester gegen meinen Körper, der sich aber kein Stück bewegte. Was wollten die hier bitte? Platzten hier einfach herein und bildeten sich ein, sie könnten T und mich trennen. Nie im Leben würde ich mit denen mitfahren.
Doch dann folgte auch schon die nächste Überraschung, die mich wahrscheinlich noch kälter erwischte als das plötzliche Auftauchen meiner Freunde. T schaltete sich ein, stellte sich neben die Tür zum Menschenknödel und sprach relativ leise.
"Vielleicht solltest du doch mitfahren"
Verständnislos wandte ich meinen Blick zu ihm, er sah mich ganz ausdruckslos und neutral an, während meine Miene wahrscheinlich zitterte vor Aufregung. Bitte was? Warum schloss er sich meinen Freunden an, das fühlte sich ja an wie Verrat.
"Vielleicht hilft es dir. Mich bringt bisschen Zeit allein auch sicher zur Ruhe", redete er weiter und ich merkte, dass die anderen nicht mehr an meinem Körper schoben und zogen, sondern sich ganz auf uns konzentrierten.
"Ich...ich kann dich nicht alleinlassen", erwiderte ich schwach und fassungslos.
"Probier's wenigstens. Bitte"
Es war eine Bitte. Er bat mich tatsächlich, ihn zu verlassen. In diesem Moment fühlte ich mich wie der schrecklichste Mensch auf Erden, der egoistischste, jämmerlichste und toxischste. Meine Muskeln verloren die Anspannung und fielen schwach an mir herunter. Meine vier Freunde nutzten die Gelegenheit und zwängten mich ohne Umstände aus dem Türrahmen und aus der Wohnung. Sie zerrten mich problemlos weg von Taehyung, während er mir mit wehleidigem Blick untätig nachsah.
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catching vibes like dreams || taeguk
FanfictionJeongguk und Taehyung, die beiden leben einfach ihr Leben, machen ihr Ding, kennen sich nicht. Doch bei dieser einen Kunstausstellung spricht Teilzeit Pokémontrainer Taehyung den angehenden Game Designer an und irgendwie verändert das alles. strang...