sad hours

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Ich fühlte mich wirklich schon ein bisschen besser. Ja, das hatte ich gedacht, so lange ich mit T telefoniert hatte. Jetzt war das Telefonat aber vorbei und ich starrte mit derselben Gleichgültigkeit und Leere wie vorhin an die graue Wand. Die gab schon erstaunlich genau meine Gefühle wider, diese Wand. Fuck, warum war T nicht hier? 

Energielos ließ ich mich nach hinten aufs Bett fallen. Er war meinetwegen nicht hier, ich hatte es versaut. Man konnte es drehen und wenden, T traf hier wirklich keine Schuld. Er hatte doch eh so vieles probiert. Hat mit dem Meditieren zum Ausgleich angefangen, verausgabte sich noch mehr in der Malerei, ging spazieren, wenn's ihm zu viel wurde...Und ich hämmerte einfach nur weiter meine Zuneigung und Präsenz in ihn hinein. Man, wieso war ich so? Warum konnte ich nicht einfach chillig lieben? Warum musste ich mich da so reinsteigern und Vollgas geben? Damit zerstörte ich doch nur alles im Endeffekt.

Aber ich wusste nicht, wie ich da wieder rauskam. Mir fiel einfach nichts ein. Alles, was nicht in Bezug auf Taehyung war, widerstrebte mir so sehr, hatte gar keinen Bock auf sonst etwas. Ich brauchte ihn. Ich brauchte ihn so sehr, es war weder lustig noch romantisch, einfach nur verzweifelt mittlerweile, das musste ich mir selbst eingestehen. 

Einige Zeit lungerte ich nur im Bett und verabscheute mich weiterhin selbst, suchte nach Lösungen, fand aber keine. Irgendwann dachte ich mir, ich müsste aus diesem negativen Kreis raus und packte mein Songprojekt für Tae an. Meine Freunde füllten sich ja gerade in einer Bar ab, da hatte ich Ruhe hier allein in der Wohnung. Gar kein Bock, mir unnötig viele Nervenzellen abzuknallen und in einem überfüllten, stickigen Zelt zu hocken. Blieb lieber hier und arbeitete an dem Song für T weiter.

Ich hatte es mir bequem gemacht auf der Couch und meinen Laptop ausgepackt. Viel fehlte mir nicht mehr, aber ich fand immer wieder etwas, das ich ändern wollte. Die zweite Strophe gefiel mir auch noch nicht so richtig. Also schrieb ich daran weiter, damit ich T das Lied bald vorspielen konnte, wenn wir uns wieder sahen. Hoffentlich bald.

Es wäre so schön, T jetzt neben mir zu haben. Seinen Kopf streicheln, Bussis geben, Finger halten. Aber das spielte es wohl in nächster Zeit nicht... Ich vermisste ihn so sehr. Mittlerweile war es nach Mitternacht, wir waren schon über zwölf Stunden getrennt. Fühlte sich einfach unnatürlich an für mich, nicht an seiner Seite zu sein. Nicht seine Stimme zu hören, seine Haut zu fühlen. 

Nein, ich durfte gar nicht daran denken. Einfach verdrängen, ignorieren, auf die Arbeit konzentrieren. An ihn zu denken, würde ihn nicht herholen. Besser ablenken, bis es wieder so weit ist. Alles andere würde mich nur zusätzlich runter ziehen und deprimieren. 

Ich musste das hier durchstehen. Hatte echt keinen Bock, ihn da unter Druck zu setzen mit meiner Anhänglichkeit, also musste ich mir das abgewöhnen. Es ging einfach nicht anders. Er hatte zwar gemeint, er wollte mich nicht ändern und so, aber wenn ich es selbst wollte, war es ja okay. Kompromisse gingen ja klar, er brachte ja auch eine Leistung, indem er sich die paar Tage über keinen runterholte. Und wir wussten alle, wie schwer das für ihn war, seine Libido war deutlich höher als meine. Wenn er länger als eine Woche keinen Orgasmus gehabt hatte, turnte ihn allein der Anblick einer Zucchini an, das war nicht übertrieben.

Minute um Minute erkämpfte ich mir, Stunde um Stunde. Die Versuchung war groß, mich den sehnsüchtigen Gedanken an T hinzugeben, oder durch die ganzen Fotos zu schauen, die ich von ihm auf meinem Laptop hatte. Aber ich durfte nicht nachgeben. Nur an die Musik denken, sonst nichts. 

Irgendwann hörte ich lauter werdendes Schnattern und Lachen von draußen, mit der schleißigen, singenden Aussprache, die wohl typischerweise dem Alkohol verschuldet war. Meine Freunde kamen anscheinend zurück. Das unkontrollierte Poltern von Schuhen und hastiges Abstreifen von Jacken war zu hören, übertriebenes Gekicher als BGM. Boah, auf sowas hatte ich jetzt echt keinen Bock. Schnell klappte ich den Laptop zu und huschte in das Zimmer, das ich mir mal so frech einfach ausgesucht hatte. Die bewegten sich eh in slow motion, also konnte ich noch easy die Tür hinter mit zuziehen, den Computer in meinen Rucksack schieben und ins Bett jumpen. Leiberl noch runter, Hose weg und zack, so flink war ich schon fertig zum Schlafen. War ja eh schon hella late.

Seufzend kuschelte ich mich in den dicken Polster und die noch dickere Decke, die man hier oben in den verschneiten Bergen wirklich brauchte. Ich drückte das Bettzeug an mich, als wäre es T, schmiegte mich an den Polster, als wäre er seine Wange. Die späte Uhrzeit beflügelte meine Fantasie und so merkte ich gar nicht so viel Unterschied zwischen dem feinen Stoff und seiner weichen Haut, wenn ich nur ganz fest die Augen schloss. Ich gab dem Polster sogar ein paar kleine Bussis, ganz so als würde T da bei mir liegen.

Nur leider tat er es nicht. Das verdeutlichte mir die betrunkene Lini mit einem Schlag, als sie torkelnd in mein Zimmer wabbelte und sich aufs Doppelbett fallen ließ. Ah ja, das Privileg von einem Einzelzimmer hatte ich hier nicht, sigh. Ich drehte mich weg von meinem Taehyung Polster und checkte das nussbraune Mädchen ab, das im dunklen Zimmer eher wie schwarze, verfaulte Nuss aussah. Wie erschlagen klebte sie am Bauch auf der Matratze und rührte sich nicht. Die tiefschwarzen Haare spinnten sich wie ein Netz über ihren Körper und umhüllten sie. Schnell verlor ich mein anfängliches Interesse, wahrscheinlich atmete sie eh, also widmete ich mich wieder dem weichen Polster und drückte ihm noch ein Bussi auf. Ich könnte ihm eins von Ts Shirt überziehen, dann roch er auch nach ihm. Hm, gute Idee für die nächste Nacht.

Ich wollte mich gerade verlieren in Gedanken an meinen Freund, da spürte ich auf einmal zwei Arme die sich um meine Hüfte klammerten. Irritiert schaute ich kurz über meine Schulter und stellte fest, dass Lini sich da an mich hängte. Nice, sie sabberte meinen Rücken an, gab ja nichts Schöneres.

"Lass los", jammerte ich und räkelte mich ein bisschen wie ein Wurm auf Asphalt.

"Will kuscheln", brabbelte Lini und zog sich näher an mich.

"Geh zu Hannah oder Miri. Oder Patrick"

"Neeein"

Angewidert schlug ich ihre Arme von mir und kämpfte mich aus dem Bett. Aus ihren dunklen Augen sah sie mich enttäuscht und verletzt an, aber das hätte mir egaler nicht sein können. Nur die Arme von einer Person akzeptierte ich auf meiner Hüfte, nur T durfte das. Auf gar keinen Fall eine betrunkene Lini. 

"Du bist so gemein", sprach sie trocken und drehte sich weg. 

"Mir doch egal"

Damit war die Konversation auch schon wieder beendet und ich legte mich mit Decke und Polster auf den Teppichboden. Nicht gerade bequem, aber auch das juckte mich kein bisschen. War sowieso wurscht, wo ich schlief, wenn T nicht bei mir lag. Wirklich, was war ich ohne ihn? Ich kam mir vor wie ein Nichts. Ich wollte nur für ihn existieren, ich konnte nur für ihn existieren. Ich machte schlicht und einfach keinen Sinn ohne ihn. 

Ach, T...Ich vermisste ihn so sehr. Ich musste an sein Lachen denken, seine langen, dünnen Finger, die edle Art, das Besteck zu halten. Fuck, wie sollte das hier funktionieren? Ich brauchte ihn an meiner Seite, mein ganzer Körper sehnte sich nach ihm, meine Brust verzog es unangenehm, wenn ich wie jetzt an ihn dachte. Taehyung, das war alles, was mein Kopf mir sendete, als ich mich lautlos in den Schlaf weinte. 







catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt