30 Minuten später läutete ich mit geschultertem Rucksack an Taehyungs Wohnung. Diesmal wurde ich sogar durch die Sprechanlage gefragt, wer ich war und erst danach reingelassen. Beruhigend, dass doch ein gewisses Maß an Vorsicht in dieser Wohnung herrschte.
Nachdem ich die paar Stockwerke raufgelaufen war, öffnete Taes Mitbewohnerin Val mir die Tür. Sie trug nur eine knappe Unterhose und einen dunkelroten Pullover darüber, die schwarzen kurzen Haare hingen glatt an ihr herab. Ihre Oberschenkel waren ja ganz vernarbt.
"Hey Jeongguk", begrüßte sie mich mit klingender Stimme und ließ mich in die Räumlichkeiten eintreten.
"Hi", erwiderte ich, während ich schonmal meine dicken schwarzen Stiefel und die klobige Jacke auszog.
"Du kommst wohl auch nur in der Nacht vorbei, hm?", bemerkte sie mit einem sarkastischen Unterton und musterte mich. Tae war nicht in Wohnbereich hier, vielleicht chillte er grad in seinem Zimmer.
"Die Uhrzeit hat nichts mit meinen Intentionen zu tun"
"Ah ja", nickte sie wenig überzeugt, "Whatever, Tae ist drüben, er malt grade"
"Passt danke"
Und so hüpfte ich mit Vorfreude in mir rüber zu Taes Zimmer und klopfte, ehe ich die Tür öffnete und reinging. Taehyung stand an seiner Staffelei, den Rücken zu mir gekehrt, und das nur in lockeren Boxershorts. Ich sah die schwungvolle Vertiefung seiner Wirbelsäule, die Abzeichnung seiner Schulterblätter durch seine Haut und seine schmale, ausgewogene Hüfte. Die brauen Haare kräuselten sich an seinem starken Nacken, fielen ihm sanft über die Ohren. Irritiert schüttelte ich den Kopf und blickte ihm ihn die Augen, da er sich gerade überrascht umgedreht hatte.
"Oh, Jeongguk, hello", sprach er fröhlich und widmete sich dann wieder seinem Werk. Er schien beschäftigt, auf dem Tisch neben ihm standen einige Becher, in denen verschiedene Weiß- und Blautöne einsatzbereit auf ihn warteten. In der rechten Hand hielt er einen langen Pinsel und tunkte in die Becher ein, bemalte das dicke Blatt Papier vor sich. Ich musste mich konzentrieren, um mit den Augen nicht schon wieder abzuschweifen.
"Ja, hi. Ich hoffe, ich störe nicht?", meinte ich und stand weiterhin etwas amkward im Türrahmen herum. Damn, seine Taille sah halt einfach ansprechend aus.
"Nein, nein, ich mal nur grad was für die Uni. Studie zum Faltenwurf, schau"
Damit trat er von der Staffelei zur Seite und ich konnte erkennen, an was er da arbeitete. Es handelte sich um ein weißes Tuch, das aus verschiedenen Blickwinkeln und Stellungen auf einem blauen Tischchen gemalt worden war. Lichteinfall und Falten machten das Tuch plastisch und man verstand sofort, in welcher Position es sich befand.
Hinter der Staffelei entdeckte ich auch das Modell. Da hatte Tae nämlich ein weißes Tuch genau so auf sein Nachtkästchen gelegt, wie bei der Studie, an der er gerade arbeitete. Wow, mal wieder war ich beeindruckt, wie sehr er die Technik beherrschte. Falten fand ich nämlich echt schwer zu verstehen, hatte da oft meine struggles.
"Das sieht so echt aus, wow", bewunderte ich.
"Danke, Guk", meinte er, der sich mittlerweile ganz zu mir gedreht hatte und mir somit Aussicht auf seine freie Brust bot. Mamma Mia, ich wollte gar nicht anfangen, zu beschreiben.
Zu meinem Glück wandte er sich auch schon wieder seiner Arbeit zu und bepinselte weiter das Blatt. Erst jetzt fiel mir der Geruch im Zimmer auf. Ein bisschen wie Harz vielleicht, kam wahrscheinlich von den Farben.
"Was sind das für Farben? Öl?", fragte ich und trat näher an den Tisch mit den Bechern heran.
"Nein, Ei Tempera"
"Was ist das denn?"
"Warte, ich mal den Part kurz fertig, dann zeig ich's dir"
"Ja ja, take your time"
Mit schnellen Pinselstrichen vollendete Tae das fünfte Tuch auf diesem Blatt und widmete sich dann wieder mir. Er hielt mir ein großes Glas mit einer gelblichen Flüssigkeit hin, die Innenseite war beklebt von getrockneten Gelbstücken. Daher kam der Geruch, eindeutig.
"Schau das", erklärte Tae und deutete auf das Glas, "Ist das Ei Tempera. Da hab ich Eier, Leinöl und Terpentin vermischt. Bei Öl würdest du Eier und Terpentin weglassen"
Ich nickte, während er nach dem nächsten Utensil griff. Es waren kleine Döschen, die alle beschriftet waren mit Namen wie Venezia Rot, Kroatien Sand, Fichtengrün und so weiter. Die Döschen waren lackiert in einem rostigen Braun mit goldenen Verzierungen. Tae öffnete eine, die mit Kroatien Sand und zeigte mir den Inhalt.
"Ah, sind das Farbpigmente?", erkundigte ich mich und sah das beige Pulver an, in dem ein kleiner Löffel steckte.
"Genau. Das hat mein Kunstlehrer von der Schule selbst gemacht, da war er in Kroatien auf Urlaub und hat den Sand eben gemahlen, gesiebt, gewaschen, bis er eben als Pigment verwendbar war. Und man nimmt dann eben mit dem Löffel ein bisschen was davon und gibt es in so einen leere Becher. Dann gießt man noch was von dem Ei Tempera drauf und das sollte von der Menge ungefähr gleich sein, außer du willst die Farbe besonders dünn oder dick. Ja, dann ordentlich durchmischen und fertig. Kannst verschiedene Pigmente auch mischen"
"Wow, das ist ja voll so, wie sie früher gemalt haben. Mega cool und die Farben schauen auch ur schön aus"
"Ja, find ich auch. Öl glänzt so viel, Ei Tempera ist da viel matter"
"Wow..."
Ich staunte nicht schlecht, so wie Tae mir diese Technik erklärte. Allein die richtige Farbe anzumischen, war ja schon ein Haufen Arbeit. Er drückte das Zeug nicht einfach aus irgendeiner Tube und fertig. Ein Künstler, was sollte ich da noch sagen. Da erinnerte ich mich glatt an das Portrait von mir, das er auf den Brief gezeichnet hatte. Genau, dafür wollte ich mich noch bedanken.
"Yo und danke für den Brief. Hab ihn vorhin erst gelesen, echt krasses Konzept und so. Richtiges Kunstwerk", flötete ich lächelnd und sah in seine warmen braunen Augen.
"Kein Ding, deiner ist genauso ein Kunstwerk. Schau, ich hab ihn an die Wand gehängt"
Tae zeigte mit dem Finger auf die Wand links neben seinem Bett und tatsächlich, da hing mein mit Blumen verzierter Brief. Mit Klebeband hatte er ihn montiert und ich erkannte meine Worte gleich wieder.
"Freut mich", meinte ich ehrlich und checkte ganz kurz Taes Oberkörper ab, während sein Blick noch am Brief hing. Man, wie schön diese Schlüsselbeine geschwungen waren. Überhaupt seine Honighaut, mhm.
Aber Miri...
"Na ja, ich beende meine Studien jetzt mal", verkündete Tae und steckte den Pinsel in einen Wasserbecher. Zu den angerührten Farben goss er überall ein bisschen Wasser dazu, dann ließ er alles so stehen und wandte sich lässig am Tisch lehnend zu mir. "Was möchtest du machen?"
"Äh, keine Ahnung...", murmelte ich planlos, "Wollte einfach nur herkommen"
Daraufhin schmunzelte Tae und wuschelte sich durch die Locken. Augenkontakt, Jeongguk, Augenkontakt.
"Auch gut, dann chillen wir einfach ein bisschen. Wir könnten uns auf den Balkon setzen, heute ist es nicht so kalt", schlug er vor und griff gleichzeitig nach einem Sweater, der zerknüllt am Boden lag.
"Ja, gerne", willigte ich ein und wir machten uns daran, uns für die Nacht einzupacken.
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catching vibes like dreams || taeguk
FanfictionJeongguk und Taehyung, die beiden leben einfach ihr Leben, machen ihr Ding, kennen sich nicht. Doch bei dieser einen Kunstausstellung spricht Teilzeit Pokémontrainer Taehyung den angehenden Game Designer an und irgendwie verändert das alles. strang...