Taehyung, der Pokémontrainer

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Die Ausstellung beeindruckte mich tief. Im ganzen Raum hatten sich Studierende verteilt und chillten neben ihrem mitgebrachten Werk. Und Werk beschränkte sich hierbei nicht nur auf Leinwände. Es gab Holztafeln, Skulpturen und Collagen, einige hatten einen Beamer organisiert und projektierten ihre digitale Kunst auf eine weiße Mauer. Lol, irgendjemand hatte sogar Geschirr auf die Wand geklebt. Man sieht, was man auch nur als Medium verwenden konnte, war verwendet worden. Der Einfallsreichtum der Leute war schon bemerkenswert. 

Mit begeistert funkelnden Augen wanderte ich also von einem Projekt zum nächsten. Ich ließ mir Zeit, auch wenn ich locker die Hälfte der Kunstwerke nicht verstand. Aber das hatte ich auch gar nicht anders erwartet. Kunst war etwas so Persönliches, wie sollte ich da die Gefühle dieser ganzen Unbekannten verstehen, die sie kodiert visualisiert hatten? Unmöglich für mich, aber das war ja auch zum Glück nicht meine Aufgabe. Ich wollte einfach nur bisschen schauen, wie die Leute ihre Kreativität ausübten. Digital zeichnete ich nämlich auch gern und da gab es hier einige spannende Sachen zu entdecken. 

Es war eine gute Entscheidung gewesen, Miri nicht mitzunehmen. Anfangs war sie ja ein bisschen verletzt gewesen, dass ich lieber allein gehen wollte, aber so hatte ich wenigstens die Möglichkeit, in meinem Schneckentempo durch den Raum zu ziehen und alles genauestens zu betrachten. Sie spornte sonst meistens an und da sie sowieso nicht sonderlich interessiert an Kunst war, hatte sie sicher mehr Spaß dabei, in Wien herum zu gondeln. Ich würde sie nachher einfach noch in ein Lokal einladen und dann war die Sache wieder gegessen. 

Mittlerweile stand ich schon seit mehreren Minuten vor einem Kunstwerk, dass mich irgendwie fesselte. Es war eine Art digitale Collage, in der unzählige kleinformatige Fotos von verschiedenen Plätzen der Erde so angeordnet waren, dass es von weiter weg aussah wie ein Auge. Die ganze Welt starrte mich so gesehen an. Echt beeindruckend. 

Die dazugehörige Studentin lehnte lässig an der Wand, auf der ihr Werk projektiert wurde und unterhielt sich mit jemandem. Ihr Ausdruck war sanft, wenn auch ihre Art zu reden etwas stockend war. Die haselnussbraunen Haare hatte sie zu einem lockeren Zopf zusammengeflochten und Stirnfransen versperrten ihr etwas die Sicht. Was hatte sie sich wohl bei diesem Werk gedacht? Wollte ich sie fragen? Ja. Würde ich es auch tun? Nö :p

Ich riss mich von der Augencollage und der jungen Künstlerin los und trottete weiter. Die nächste Arbeit erschloss sich mir nicht. Es war ein Bogen Papier, wahrscheinlich im Format A3, auf dem mit Ölkreiden in kunterbunten Farben menschenähnliche Wesen gemalt worden waren. Sie hatten überdimensional große Köpfe, Hände, die aussahen wie kleine Sonnen, und strohdünne Beine. Kurz, es sah aus wie eine Kinderzeichnung. Neugierig betrachtete ich das Blatt weiter. Das Papier vergilbte schon allmählich und wirkte deshalb noch umso mehr wie eine hingefetzte Malerei aus Kindertagen. Aber irgendwie waren die Linien, jetzt da ich sie genauer betrachtete, erstaunlich genau und selbstbewusst gezogen. Wenn ich da an meine frühesten Werke dachte, sah ich nur krakelige Formen. 

Der Künstler saß im Schneidersitz am Boden neben seinem Werk und zockte mit vornüber gebeugtem Kopf irgendwas am Nintendo. Gesichtszüge konnte ich nicht erkennen, da sein krauses erdbraunes Haar alles verdeckte. Er trug eine schöne Hose aus sandfarbenem Samt und ein schlichtes weißes Shirt. Seine schimmernde Haut ließ mich an Karamell denken. 

Ich wollte grade mit dem Werk und dem Studenten abhacken, da meldete er sich plötzlich zu Wort, ohne seinen Schopf zu heben.

"Na, was denkst du?", sprach er mit angenehmer Stimme. 

Überrascht hielt ich inne und drehte mich zu ihm um. Er wollte wissen, was ich von seinem Kunstwerk dachte? 

"Hm, ist doch egal", erwiderte ich und balancierte auf meinem rechten Fuß, "Die Frage ist, was du dir dabei gedacht hast"

catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt