"Ehrlich gesagt", beichtete ich beschämt und schaute random in den Schnee, "Erinnert mich das ein bisschen an meinen Freund und mich..."
"Inwiefern?", fragte Martha skeptisch nach.
"Also, er sagt in letzter Zeit auch öfter, dass er raus muss, Kopf freikriegen und für sich sein. Ich...hab das nicht ganz verstanden, beziehungsweise, ich weiß nicht, ob ich es jetzt überhaupt komplett verstehe, aber ich war halt schon immer dagegen. Ich hab versucht, ihn zum Dableiben zu überreden, hat manchmal geklappt. Er hat deswegen mit Meditation angefangen. Und einmal...da...hab ich ihn nicht rausgelassen. Da hab ich ihm die Tür zugehalten. Also, nicht lang, halbe Minute vielleicht, dann hab ich's eh gecheckt, dass ich komplett die Grenze überschreite und dann hab ich ihn rausgelassen. Das war...keine Ahnung, als hätte ich für kurze Zeit gar keine Gedanken gehabt, gar nicht reflektiert, was ich da gerade machte. Schon bisschen gruselig"
Martha nahm sich kurz Zeit, meine Erzählung zu überdenken. Ich wurde etwas nervös, weil ich obviously eine unschöne Seite von mir gezeigt hatte, und wollte schon fast wieder die Haut an meinen Fingernägel ziehen, doch die Pflaster hielten mich ab.
"Das klingt in der Tat nicht schön", fuhr sie schließlich fort, "Aber immerhin haben Sie realisiert, dass das nicht in Ordnung ist. Sie können Ihren Freund nicht dazu zwingen, bei Ihnen zu bleiben. Er darf kommen und gehen, wie es ihm gefällt"
"Ja, das weiß ich ja eigentlich...Aber es ist so schwer, das zuzulassen. Wie gesagt, ich mag ihn sehr, also wirklich sehr, und es ist so schwer, ohne ihn zu sein. Ich wach hier auf und...und nichts! Er liegt nicht neben mir. Ich hasse es. Wie soll ich das machen? Ich kann es nicht", jammerte ich verzweifelt und raufte mir die Haare.
Fuck, meine Brust zog sich schon wieder ordentlich zusammen. Ich vermisste T so sehr, es tat mir legit physisch weh. Hatte auch nicht gewusst, dass das möglich war, aber anscheinend schon. Dass Martha mich so frustriert sah, juckte mich nicht wirklich. Erstens hatte ich ihr schon meine scheiß anhängliche, vielleicht sogar besitzergreifende Seite gezeigt und zweitens war die Sehnsucht nach T grad wieder so groß, dass alles andere sowieso verdrängt wurde. Tränen kamen mir wundersamerweise keine, vielleicht war es zu kalt dafür.
"Jeongguk, natürlich können Sie das", sprach Martha mir gutmütig zu und schaute mir ernst in die Augen, was ich aber nicht erwidern konnte, "Sie haben das all die Jahre, bevor Sie Ihren Freund gekannt haben, auch gekonnt. Alleinsein mag manchmal einschüchternd sein, aber es ist wichtig und kann auch genauso gut erfüllend sein"
"Aber was hab ich davon? Ich möchte nur für ihn da sein, mich nur ihm widmen, in allem anderen sehe ich keinen Sinn mehr"
"Ach was, Sie können doch sehr wohl auch ohne Ihren Partner Ihre Zeit genießen. Die Sterne sehen Sie sich hier ja auch alleine an"
"Ja, das schon...aber kaum bin ich wieder unten im Tal, vermiss ich ihn schon wieder"
"Das wundert mich gar nicht. Aber es ist doch viel mehr ein großartiger Schritt, dass Sie hier oben frei von der Traurigkeit sind. Wenn Sie in gar nichts mehr Sinn sehen würden ohne Ihren Freund, dann würde Ihnen das Sterneschauen doch auch keinen Spaß machen. Ich denke, das hier ist eine gute Chance für Sie"
"Wieso Chance?"
"Na, das lässt sich doch ausbauen. Über Astronomie kann man so viel lernen, oder dieses Spiel am Computer machen, wie Sie gesagt haben, das könnte Ihnen alles auch Spaß machen. Dann könnten Sie auch die Zeit alleine genießen"
"Ich weiß nicht...Ich will wirklich nicht weg von ihm. Jede freie Sekunde, dich ich hab, will ich mit Taehyung verbringen. Ich kann mir ein Leben ohne ihn einfach nicht vorstellen"
"Ach, wer redet denn von einem Leben ohne ihn? Oder hat Ihr Freund etwas in die Richtung angedeutet?"
"Na ja...also, dieses eine Mal, wo ich ihm für eine halbe Minute die Tür zugehalten hab...da hat er dann gesagt, wenn ich ihm nicht sofort aufmache, verlässt er mich für immer"
"Was haben Sie darauf gesagt?"
"Ähm...na ja, also...", druckste ich herum, da ich mich sehr schämte. Aber fuck it, es musste raus. "Ich hab gesagt, ich würde mich umbringen, wenn er mich verlässt"
Darauf nahm Martha sich noch eine Pause zum Überlegen. Ja, harte Kost meine Worte. Jetzt, wo ich das alles erzählte, wurde mir nochmal vor Augen geführt, wie absurd das alles war. Ich verstand jetzt, was T mit dem drive unserer Beziehung gemeint hatte, der ihm ja nicht so gefiel lately. Der drive, es hatte sich halt alles so entwickelt irgendwie. Ich hatte das wirklich gar nicht so mitbekommen, als ich da drinsteckte. Eins hatte einfach zum anderen geführt und so hielt ich ihm dann halt plötzlich die Tür vor der Nase zu. Der drive musste wirklich geändert werden.
"Also", fuhr Martha fort, die ihre Gedanken anscheinend geordnet hatte, "Ich verstehe Sie. Es ist etwas Schönes, sein Leben, seine Zeit, alles einer Person zu widmen. Aber das kann schnell gefährlich werden. Vor allem wenn die andere Person diese komplette Hingabe nicht erwidert. Aber wenn Sie ihm sagen, Sie würden bei einer Trennung Suizid begehen, dann denken Sie nicht, dass ihn das unter enormen Druck stellt? Er wird nicht wollen, dass Sie seinetwegen Ihr Leben beenden, dass er quasi schuld daran ist. Es ist gewissermaßen eine sehr makabere Art der Erpressung"
What? Erpressung? Das war ein ziemlich extremes Wort, aber irgendwie checkte ich schon, was sie meinte. Damit gab ich Tae wirklich keine freie Wahl. Und das war alles andere als fair. Das war ja auch gar nicht das, was ich wollte. Ich wollte einfach nur, dass wir glücklich zusammen waren. Mehr nicht.
"Das...hab ich nicht bedacht. Ich, ich glaub, ich schreib ihm nachher, dass ich das nicht machen werde, sollte er mich wirklich verlassen. Aber das macht er sicher nicht, nein, also, er liebt mich ja, er verlässt mich nicht. Nein, das macht er nicht", redete ich mir schnell selber ein, damit ich mich nicht in Vorstellungen einer Trennung verlor. Nein, der Gedanke wurde strikt verbannt.
"Würden Sie es auch wirklich nicht machen?"
Darauf war ich kurz stumm. Ich wollte gar nicht daran denken. Jede Stunde, jede Minute ohne T war eine Qual und zog sich elendslang dahin. So leid es mir auch tat, ich sah für mich keine Möglichkeit, allein weiter zu leben. Aber das brauchte ich ja gar nicht, T liebte mich, würde mich nicht verlassen.
"Ich weiß nicht...ist vielleicht...eventuell schon möglich, dass...ich, ich etwas...machen würde"
"Hm, das wäre aber schade", meinte Martha und schaute in den Himmel, "Dann könnten Sie nie mehr die Sterne bewundern"
Da schaute ich auch sehnsüchtig nach oben in die Nacht. Abertausende Lichtpunkte leuchteten mir entgegen, das weiße Band der Bilchstraße lag zart über mir. Einmal mehr versank ich in der unglaublichen Weite der Schwärze und spürte, wie sich die Enge in meiner Brust etwas löste.
"Hm...", brummte ich leise und starrte noch immer ins Universum, "Das...das wär schon schade eigentlich, ja"
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catching vibes like dreams || taeguk
FanfictionJeongguk und Taehyung, die beiden leben einfach ihr Leben, machen ihr Ding, kennen sich nicht. Doch bei dieser einen Kunstausstellung spricht Teilzeit Pokémontrainer Taehyung den angehenden Game Designer an und irgendwie verändert das alles. strang...