Es ist Trauriges im Busch

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Am nächsten Morgen war ich wie gerädert. Hals ausgetrocknet, Schädel am Brummen, Augen geschwollen. Oh, ich fühlte mich so dizzy, wo war ich überhaupt? Planlos hob ich meinen Kopf und schaute mich um. Das war nicht meine Wohnung. Ich lag hier ja auf einem Sofa. Oh fuck, mein Kopf tat so weh, ich wollte mich gar nicht bewegen. 

Ich schloss also meine Augen und lag weiterhin starr im Bett. Was war gestern nochmal gewesen? Miri hatte sich verpisst, Patrick war gekommen...dann waren wir wieder zur Party gegangen...und dann? Mehr fiel mir grad nicht ein. 

Mit einem erneuten Anlauf öffnete ich meine Augen wieder und spähte durch das Zimmer. Es sah fast aus wie bei mir, nur das Sofa irritierte mich. Und überall standen Becher, Flaschen und Teller herum. Oh wait, war ich bei Lini und Hannah? Das würde Sinn machen, da sie ja unter anderem die Party geschmissen hatten. Hm, ja die Couch erkannte ich schon wieder, ich war wohl wirklich bei denen. Ich setzte mich ungelenk auf und atmete tief, um das Kopfweh zu beseitigen. 

"Oh, Jeongguk, schon wach?", hörte ich Hannahs Stimme aus dem Nebenzimmer. Sie saß an ihrem Schreibtisch und konnte mich so problemlos sehen. 

"Ja", krächzte ich und fuhr mir durch die Haare. Bah, mein ganzes Gesicht fühlte sich so zerknautscht und klebrig an, ich musste dringend in eine Dusche. 

Hannah klappte ihren Laptop zu, an dem sie bis jetzt gearbeitet hatte und trottete mit schwachem Lächeln auf mich zu. Wow, die sah heut ja mal wieder blass aus. 

"Magst was trinken?", bot sie mir netterweise an. 

"Ja bitte"

Sie nickte und gab mir ein Glas Leitungswasser, dass ich mit gierigen Schlucken austrank. Ah, das tat gut. Min Kopf stach schon weniger. 

"Wie spät ist es?", fragte ich. 

"Halb eins"

"So spät? Oh Gott..."

"Wundert mich nicht, so viel wie du gesoffen hast gestern"

"Hm, war das so viel? Kann mich nicht so ganz erinnern"

"Du hast die ganze Sourz Flasche ausgetrunken. So einen Absturz hab ich noch nie bei dir erlebt"

"Tja", machte ich nur und zuckte mit den Schultern. Trinken, um zu vergessen, nicht wahr? Nur blöd, dass ich mich jetzt wieder an das erinnern konnte, was ich vergessen hatte wollen. Aber es war okay, heut war ein neuer Tag, ich konnte damit umgehen. Gestern war nur ein Ausrutscher gewesen. 

Ich spielte mit dem Glas zwischen meinen Händen herum. Miri...wie sie die Nacht wohl verbracht hatte? Vielleicht hatte sie mir schon geantwortet, wo war denn mein Handy schon wieder? 

"Was suchst du?", fragte Hannah, als ich wild meine Hosentaschen durchstöberte. 

"Handy. Oh, warte, das ist noch unten bei mir"

"Ah okay"

Ich wollte gerade aufstehen, da drückte Hannah mich mit ihrer ausgestreckten Hand wieder zurück auf die Couch. Verwirrt musterte ich sie, als sie sich neben mich setzte. 

"Was ist?"

"Wegen dir und Miri", begann sie und schaute mir direkt in die Augen. 

"Hannah, ich würd das wirklich gern zuerst mit ihr besprechen. Vielleicht hat sie mir eh schon geschrieben"

"Ja ja, kein Ding. Ich mein nur, du warst gestern dann echt scheiße drauf...Also, wenn du irgendwas brauchst oder so, kannst du gern zu uns rauf kommen. Trennung ist nicht leicht"

"Wir trennen uns doch gar nicht! Wer erzählt dir denn so einen Schmarrn?"

"Hm, Patrick hat das gesagt"

"Patrick? Ach egal, danke für das Angebot auf jeden Fall, ich geh dann jetzt mal"

"Okay"

Ich rappelte mich auf, stellte das leere Glas zu den unzähligen anderen, die noch von der Party herumstanden, und verabschiedete mich im Gehen von Hannah. Schon nett, dass sie sich Sorgen um mich machte...nur gab es ja gar keinen Grund dafür. Ja, gestern war ich ein bisschen abgefuckt gewesen, aber heute konnte ich wieder mit geklärtem Blick auf die Sache schauen. Miri und ich würden darüber reden, ganz einfach, und dann wäre die Sache geklärt. Nur wie diese Klärung aussehen sollte, wusste ich nicht.

Im Prinzip gab es ja zwei Optionen. Unsere Beziehung könnte zu Bruch gehen, oder nicht. Das hatte ich ja auch schon gedanklich mit Taehyung durchgespielt. Bei einer Trennung könnte ich danach Experimente machen, was meine sexuelle Orientierung anging. Würden wir weiter zusammenbleiben, müsste Miri sich irgendwie mit dem Gedanken abfinden, dass ich nur bei gewissen Gedanken einen hoch bekam. Und ich müsste meine eigene Neugierde unterdrücken...Denn wieso sollte ich es leugnen? Wenn ich daran dachte, Taehyung zu berühren, kochte und brodelte es in mir. Bei Miri hatte ich sowas nicht gehabt, bei ihr schwang viel mehr Nervosität in mir mit.  

Aber ich wollte mich nicht zu sehr in theoretische Gedanken vertiefen. Brachte mich am Ende des Tages nicht weiter, nur eine Diskussion mit Miri konnte das. Also trippelte ich die Stufen des Studentenheims hinunter und ging zurück in meine Wohnung. Mein Schädel fühlte sich mittlerweile erträglich an. Immer wieder verblüffend, wie hilfreich ein einfaches Glas Wasser war. 

Es dauerte eine Weile, bis ich mein Handy gefunden hatte. Tja, kein Wunder, wenn ich es am Vorabend achtlos in eine Ecke schmiss. Egal, ich hatte es wieder und schon wurden mir Nachrichten von Miri angezeigt. Erleichtert atmete ich auch. Zum Glück ignorierte sie mich nicht. 

Komm zur Bank neben dem Skate Park in Kaisermühlen

Mehr nicht. Die Nachricht hatte sie um zehn Uhr morgens geschickt, vor ungefähr zweieinhalb Stunden. Hatte ich sie zu spät gelesen? Oder saß sie noch immer dort? Ach fuck, ich sollte mich einfach beeilen und zu ihr rushen. 

Ohne die notwendige Dusche zog ich mich also an und verließ eilig das Gebäude. Brr, heute war es ganz schön kalt, der Wind pfiff mir eisig um die Ohren und dicke Wolken hatten sich über den Himmel geschoben. Wenn Miri tatsächlich noch dort war, musste sie halb erfroren sein. Ich beeilte mich noch mehr und rannte schon fast zur U-Bahn. 

Im Sommer waren wir oft gemeinsam bei der Bank dort gewesen, die Atmosphäre war echt nice. Man konnte sich das so vorstellen, da war dieser Skate Park, über und über mit Graffiti besprüht, wo sich in den warmen Monaten die ganzen Skater Girls und Boys mit Ghettoblaster und Kaugummi versammelten. Die freshesten Leute Wiens flippten auf ihren Boards durch die Gegend, ein Eisverkäufer sorgte für die nötige Erfrischung. 

Daneben plätscherte gemütlich die Donau, die hellen Sonnenstrahlen reflektierte sie verspielt und zu leicht verlor man sich in ihrem schönen Anblick. Hinter dem Skate Park gab es einige Grünflächen, wo Studenten Frisbee oder so spielten, ein paar gingen auch Baden. Quakende Enten planschten im Wasser herum, die bekamen den ein oder anderen Snack von den Passanten hingeworfen. 

Ja, bei dieser Bank hatten Miri und ich also den ein oder anderen Sommertag verbracht, trotzdem war ich ein bisschen überrascht, dass sie sich dort treffen wollte. Es war schließlich im Freien und heute war es nicht besonders warm. Sonst war sie doch auch immer so erfroren und schlief im Winter sogar mit zwei Decken. Na ja, ich sollte es nicht overthinken, immerhin wollte sie mich noch sehen, das war ja alles, was zählte.  

catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt