Ja, so verging die Zeit wie immer, so drehte sich der Kreis weiter. T und ich verbrachten die letzte Ferienwoche eben bei ihm daheim, tobten uns richtig aus und genossen die Zweisamkeit. Ich spielte ihm meinen fertigen Song für ihn vor, Begin, und er war so hyped. For real, ihm gefiel der so sehr, wir blasteten den Beat die ganze Nacht auf voller Lautstärke, sangen und tanzten mit. Andere Lieder drehten wir auch noch auf, gingen richtig ab ähnlich wie die Leute im Flex, Rhiz oder B72. Nur brauchten die dort 'ne gehörige Schub Alkohol oder eine flotte Ecstasy Pille, um sich erst so richtig kopflos auszupowern. T und ich dagegen brauchten nicht mal einen Tropfen Alk, wir waren halt einfach von Natur aus lit.
Das mit Hasen-, beziehungsweise Katzencosplay probierten wir auch aus. An einem Abend setzte ich mir bunny Ohren auf, klebte süße Sticker auf mein Gesicht und die Karotte als Requisite durfte natürlich auch nicht fehlen. T simpte heftig für mich, und wenn ich ehrlich war, konnte ich das schon verstehen. Ich sah halt schon hot aus als bun. Jedenfalls war T dann auch dran und verkleidete sich als catboy. Filigrane Katzenohren, aufgemalte Schnurrhaare und ein schwarzer Katzenschwanz. Ja, was sollte ich da noch sagen? Allein wie er sich in den Sachen bewegte und in seiner Rolle aufging, bro, nein, es war schnell um mich geschehen. Ich war zwar eigentlich gar nicht dieser roleplay dude, aber da holte es mich schon ordentlich ab.
Wenn wir nicht miteinander schliefen, malte T oft und ich arbeitete an meinen Projekten weiter. Für die Uni gab es immer was zu tun, das VR Spiel, das ich programmierte, war schon in der Endphase. Das nächste Game plante ich auch schon, es sollte im Weltall spielen und mit Sternen, Planeten und anderen kosmischen Objekten zu tun haben. Astrophysik slapte sowieso, also fad wurde mir ganz sicher nicht. Ts Dorffreunde lernte ich ebenfalls kennen, wirklich korrekte Burschen, gab's gar nichts zum Aussetzen. Trotzdem war ich froh, wie wir wieder allein daheim bei ihm waren.
Ja, das Alleinsein. Es wurde besser, no cap. Ich strugglete noch immer hart, aber die Kombination aus Selbstkontrolle und Vertrauen zu T besserte die Lage. Er ging manchmal allein spazieren, oder wollte für sich malen und ja, ich würde lügen, wenn ich jetzt behaupten würde, das würde mir nichts ausmachen. Es machte mir was aus. Lieber würde ich die gesamten 24 Stunden des Tages mit ihm verbringen. Aber ich musste mich zusammenreißen. Es gab ja auch nichts zu befürchten, er kam immer wieder zu mir zurück. Zusätzlich bemerkte ich, dass ich mich immer wieder in meinen Arbeiten verlor, in den Tunnelblick slidete. Dann war ich so auf meinen Task fokussiert, dass ich seine Abwesenheit ganz vergaß. Das waren eigentlich coole Momente. Weil ich mir danach immer dachte, dass ich legit Fortschritt machte. Und das war auch so, ich machte Fortschritt, T sagte es mir selbst immer wieder.
Als die Woche dann vorbei war, kehrten wir beide in unseren Unialltag zurück. Ich sah Patrick, Lini, Hannah, Finn und Arian wieder, wir verstanden uns gut und ich hing gern mit ihnen ab. Miri sah ich auch hin und wieder, wir kamen gut zurecht und ich mochte ihre Gesellschaft. Nach den Vorlesungen hing ich meistens mit T ab, aber es gab auch Tage, an denen wir uns nicht sahen. Und das war okay. Vor den Semesterferien, vor Kitzbühel war ich legit jede freie Minute an ihm geklebt. Das war vorbei. Ich brachte es wieder auf die Reihe, mich selbst zu unterhalten, hatte Spaß daran, Zeit in mich und meine skills zu investieren. Klar, T war wohl meine Lieblingsbeschäftigung, wenn man das so sagen konnte, aber ich fand wieder Gefallen, anderen Projekten meine Zeit zu widmen.
Und das tat unglaublich gut. Auf einmal merkte ich es selber. Meine dauernden Albträume, die ich bis dahin ja abgestritten hatte, wurden seltener. Ich biss mir nicht mehr bei jeder kleinsten Stresssituation die Wangeninnenseiten auf, ruinierte mir meine Finger nicht mehr. Es ging mir actually gut, ich kam mir auf irgendeine Art unabhängiger vor, und das war Balsam für meine anxious Seele.
Es kam auch nicht mehr zu diesen Streits zwischen T und mir, die wir oft gehabt hatten, weil er raus wollte und ich ihn drinnen hatten haben wollte. Meine Paranoia hatte sich gelegt, ich schränkte T nicht mehr ein. Manchmal nahm er mich mit beim Spazieren, manchmal nicht, so war das halt, ich konnte mich selbst beschäftigen. Es war gut für uns, dass ich das endlich gecheckt hatte. Wir waren um einiges entspannter und konnten noch offener als vorher über unsere Probleme reden.
So war das halt nämlich. Man musste über die Scheiße reden. Man musste seine Grenzen aussprechen, seine Unsicherheiten und Ängste. Sonst würde das nie was werden. T und ich mochten zwar von Anfang an gut miteinander geklickt haben, aber wir waren nicht perfekt aufeinander abgestimmt. Niemand war das. Wir gaben auch nur unser Bestes, auf einander einzugehen, so weit wir es eben wollten. Ich war ihm unendlich dankbar, dass er mich nicht längst verlassen hatte, weil ich ihn durch meine Ängste so sehr eingeschränkt hatte. Das war nicht selbstverständlich, er hätte gut und gerne gehen können. Aber er war bei mir geblieben, hatte an mich geglaubt, und darüber war ich so froh. Noch dankbarer aber war ich eigentlich mir selbst. Weil ich auch an mich geglaubt hatte, in mich investiert hatte und jetzt am Weg der Besserung war. Ich war bereit, das für T und mich einzugehen, das war mir unsere Beziehung wert.
Ja, und jetzt hockte ich hier vor meinem PC in meiner Studentenheimwohnung, programmierte einen letzten Raum für mein VR Spiel. Es war eine Gasse in tiefschwarzer Nacht, auf ihr blassgelbe Herbstblätter klatschnass vom Regen und Straßenlaternen die ihr farbloses Licht auf die Szenerie warfen. Links zogen sich Arkaden entlang, in denen Lokale, Bars und kleine Geschäfte einquartiert waren. Die OGs unter euch können sich vielleicht noch erinnern, es war die Straße neben der U6 zum Loop, dort wo T und ich uns das erste Mal getroffen hatten. Schon damals hatte ich den Entschluss gefasst, dieses Bild in die VR Welt zu holen und nun kam ich endlich dazu. Machte Spaß, daran zu arbeiten. Dann bekam ich auf einmal einen Anruf, es war Taehyung. Gelassen hob ich ab.
"Hey T", begrüßte ich ihn und schrieb noch kurz den letzten Code fertig.
"Hi. Was machst du grad?", hörte ich seine warme Stimme, die am Telefon gar nicht so warm klang, aber in meinem Kopf war sie trotzdem so abgespeichert.
"Programmieren. Was gibt's?"
"Magst nachher vorbeikommen? Ich koch was Gutes und Val will dann noch einen Filmeabend machen. Haben schon Snacks besorgt"
"Yo, das klingt cool, fix komm ich. Soll ich was mitbringen?"
"Hm, ja, wenn du was Nices hast, kannst du's gerne mitnehmen. Ah ja und ist mein grüner Pullover bei dir? Ich kann ihn nicht finden"
"Äh, warte, ich kann kurz schauen", meinte ich, scannte mein Zimmer gründlich und tatsächlich, da neben den anderen Klamotten lag Ts Pulli, "Ja, ist da. Ich nehme ihn dir mit"
"Perfekto. Wann kommst du dann? Bin jetzt schon daheim"
"Hm, ich brauch noch ein bisschen. Will noch an meinem VR Projekt weiter programmieren. Wird sieben oder so werden"
"Passt. Dann bis später"
"Yes, bis dann"
Dann legten wir auf. Wie cool, movie night mit Tae und Val. Darauf hatte ich wirklich Lust. Aber zuerst wurde hier noch ein bisschen weiter gehustlet. Darauf hatte ich nämlich auch wirklich Lust.
Ja, der Kreis drehte sich allmählich weiter. Auch wenn ich manchmal gedacht hatte, ich wäre stuck, würde nicht mehr vom Fleck kommen und es gäbe keinen Ausweg. Aber wie so oft hatte sich meine Hustlergenetik bewehrt gemacht. Denn wenn ich mich fühlte, als würde ich auf einem scheiß Laufband laufen und nicht weiterkommen, musste ich mich einfach mehr anstrengen, mehr Zeit in mein Ziel investieren und es ging schon. Was für Versagen, Beschleunigen hieß die Antwort. Ich musste den Kreis halt selber mit aller Kraft zum Drehen bringen, wenn er es selbst nicht tat.
DU LIEST GERADE
catching vibes like dreams || taeguk
FanficJeongguk und Taehyung, die beiden leben einfach ihr Leben, machen ihr Ding, kennen sich nicht. Doch bei dieser einen Kunstausstellung spricht Teilzeit Pokémontrainer Taehyung den angehenden Game Designer an und irgendwie verändert das alles. strang...