Erst Samstag Mittag stand ich wieder von meinem Bett auf. Knappe sechs Stunden hatte ich geschlafen, obwohl es wahrscheinlich noch weniger waren, weil mein Kopf vorm Einschlafen so gerast hatte, dass mein Melatonin gar nichts mehr zum Sagen gehabt hatte. Demnach war ich ewig wach da gelegen und hatte über Taehyungs Worte nachgedacht. Nicht nur über seine Worte, generell über ihn. Ich fand ihn schon interessant. Und unsere Unterhaltungen, unser vibe gefiel mir auch sehr gut. Auf jeden Fall gab es noch so viel zu erfahren über diesen dude.
Tja, jetzt musste ich aber erst mal meinen Studententätigkeiten nachgehen. Ich nahm also eine erfrischend kalte Dusche, um meinen langsamen Körper etwas in Schwung zu bringen und setzte mich mit einem Glas Leitungswasser an das VR Projekt für die Uni. Ach ja, Miri hatte ich ja auch noch schreiben wollen. In einer kurzen SMS schlug ich ein Treffen am Sonntag vor, ich würde für uns kochen (ihr Lieblingsessen, aber das verheimlichte ich ihr noch), danach könnten wir einen Film schauen und ja (mit und ja meinte ich Sex, aber auch das verschwieg ich ihr noch). So konnten wir hoffentlich einen entspannten Tag verbringen und ich würde am Abend Taehyungs Idee anwenden, das mit dem nur auf ein Körperteil konzentrieren. Irgendwie hatte ich ein gutes Gefühl bei der Sache.
Das Programmieren flutschte geschmeidig heute, man hätte meinen können, die lange Nacht hätte Müdigkeit in mir zurückgelassen, aber das stimmte nicht. Ich fühlte mich fokussiert und frisch, die Finger sprangen nur so über die Tasten und auch die Vorbereitung für die nächsten Kurse verlief kurzweilig und effizient. Bei der Kursvorbereitung war ich immer besonders sorgfältig, um mich dann bei der Vorlesung dann gut auszukennen. Es war schrecklich für mich, planlos in eine Vorlesung hineinzuspazieren, deshalb wendete ich viel Zeit und Mühe für die Vorbereitung auf.
Am späten Nachmittag oder frühen Abend klopfte es dann an meiner Wohnungstür und ich hob meinen Kopf von den klein bedruckten Büchern auf. Wer das wohl war? Wahrscheinlich wer vom Wohnheim.
Ich hievte mich aus meinem Gaming Stuhl und trottete zur Tür. For your information, bekleidet war ich nur mit löchriger Jogginghose und ausgeleiertem Shirt, beides natürlich in feinstem Schwarz. Diese Information kam jetzt, weil ich beim Verlassen meines Schlaf- und Wohnzimmers durch die Küche zur Eingangstür ging, wo neben dem Türrahmen ein kleiner Spiegel hing. Kurz ordnete ich noch meine langen dunklen Haare, bevor ich die Türklinke runterdrückte.
"Eyo", begrüßte Patrick mich gleich und machte mit einer Hand random gang signs. Patrick war wie ich im dritten Semester an der TU, im Studiengang Software und Information Engineering. Wir hatten uns irgendwann im ersten Semester auf einer Party kennen gelernt und da er auch hier im Studentenheim wohnte, statteten wir einander hin und wieder einen Besuch ab. Okay, ehrlich gesagt kam er meistens vorbei, ich verließ meine Wohnung eigentlich nicht so oft.
"Servus", erwiderte ich den Gruß und trat zurück, damit Patrick rein konnte. In der Hand, die nicht zu dubiosen gang signs formatiert war, hielt er zwei Pizza Kartons. Das sah ja schon mal vielversprechend aus.
An Patricks Erscheinung war zu bemerken, dass er ohne Shirt und nur in Basketballhose vor mir stand. Gut, für mich war das nichts Neues, er fetzte sich bei praktisch jeder Gelegenheit das Shirt von der Brust und hier im Heim war es schließlich auch jedem egal, ob er so herumrannte oder nicht. In einer betrunkenen Minute hatte er mir einmal geflüstert, dass der Stoff von jeglicher Oberkörperbekleidung seine Nippel hart werden ließ und er, wenn er das Leiberl oder den Pullover nicht bald auszog, einen Steifen bekam. An der Wahrheit dieser Aussage zweifelte ich sehr, aber ja, wir haben hier jetzt schon lang genug über Patricks Oberkörper geredet, let's move on.
Seine Gesichtszüge waren durchschnitten von gräulichen Augenringen, sein Blick müde und träge. Mit seinen wässrig graublauen Augen kam er mir oft vor, als würde er zu weinen beginnen. Dabei waren das oft nur die Kontaktlinsen. Altblonde kurze Haare hingen ihm in die Stirn, der Undercut betonte die schärfe seiner Gesichtszüge.
"Ich hab Pizza mitgebracht", meinte Patrick und stellte die zwei Kartons auf meinen kleinen Küchentisch, "Es war wieder die rothaarige Lieferantin"
"Die was von dir will?", erinnerte ich mich an vorherige Erzählungen von ihm, während ich ein Pizzarad aus der Besteckschublade holte.
"Ja. Und hör zu, das war ja lustig heute", begann er mit seinem Update, als wir uns beide hinsetzten und uns die Pizza vornahmen, "Ich hab ja eigentlich nur eine Pizza bestellt, aber sie hat mir zwei gebracht. Dann hab ich halt so gemeint, yo ich wollte nur eine, und sie hat deadass gesagt, dass die zweite für sie selbst ist, damit wir gemeinsam Pizza essen können. Die ist so scharf auf mich, ich sag's dir!"
"Lmao wieso hast du das dann abgelehnt?"
"Ich will sie noch ein bisschen hinhalten. Beim nächsten Mal schnapp ich dann zu. Die ist sicher ein Wildfang"
"Na viel Spaß", kommentierte ich und futterte weiter die Margaritha vor meiner Nase. Vielleicht war die Rothaarige ja Vegetarierin, deswegen die fleischlose Pizza, who knows.
Damit hier alle ein genaueres Bild von Patrick hatten, noch ein paar Worte zu seiner Person. Er war ziemlich auf Zack und verstand Sachverhalte schnell. Ich würde ihn ja als intelligent bezeichnen, aber seit wir in der Schule damals in Psychologie Intelligenz durchgenommen hatten, war mir der Begriff mehr als nur suspekt. Als Chaot ging er wohl auch durch, da brauchte man nur einen Fuß in seine Wohnung setzen. Während es einerseits durchaus durchdachte Chaoten gab, die trotz der Unordnung alles wiederfinden konnten, befand Patrick sich wohl auf der Seite der planlosen Chaoten, die kein System hatte und sich wunderten, warum Klopapier im Kühlschrank stand und nicht das Marmeladenglas. Es war lustig, denn die passenden Zahlen in einem Sudoku hatte er im Handumdrehen gefunden, aber bei einer Unterhose scheiterte er.
Als Freund war Patrick ganz nett, er verbrachte gern Zeit mit anderen Leuten und das stellte meinen introvertierten ass schon manchmal vor Herausforderungen. Aber nichts, an dem ich nicht wachsen könnte. Obwohl wir des Öfteren abhingen, hatte ich aber nicht das Gefühl, ihm nahe zu stehen oder so. Ich war für ihn ein Freund von vielen, genauso wie er es für mich war. Okay, bei mir stimmte es wohl eher, wenn ich sagte, dass er für mich ein Freund von einigen war. Übertreiben wollte ich mit meinen sozialen Kontakten hier wirklich nicht. Ich konnte Patrick anrufen, wenn ich wo hingehen wollte und mit ihm gemeinsam lernen, nach der Party war der Spaß dann wieder vorbei und die Wege trennten sich. Und er hatte mir auch einiges anvertraut, was für ihn wirklich top secret war und demnach nicht selbstverständlich. War ganz chillig diese Freundschaft. Ah ja und er brachte mir Essen, also über was hätte ich mich beschweren sollen?
"Was hast du so gemacht?", nuschelte Patrick mit einem Mund voller Pizza.
"Nix Spannendes heute. Gestern war ich im Loop mit einem Kunststudenten"
"Lol hast schon Anschluss drüben in der Akademie gefunden? Leiwand"
"Ja, echt cooler Typ. Seine mind...die ist abgefahren, ich sag's dir, der hat was drauf", schwärmte ich und gab mir Mühe, die Pizza nicht auszuspucken.
"Nice nice. Nimm ihn doch mit nächste Woche"
"Was ist nächste Woche?"
"Pardey bei Lini und Hannah, schon vergessen? Sie haben uns sogar persönlich eingeladen"
"Ach ja, daran hab ich echt gar nimmer gedacht...ich weiß noch nicht, vielleicht frag ich ihn. Kommt drauf an, ob Miri mitgeht", meinte ich und zuckte mit den Schultern.
Wenn sie nämlich auch kam, konnte ich mir Taehyung wohl ziemlich abschminken. Miri klammerte sich immer an mich, wenn wir fortgingen, fast so als hätte sie Angst, ich würde sie sonst alleine lassen oder von jemand anderem aufgerissen werden. Blödsinn natürlich, Treue war das oberste Gebot für mich. Nur passte das nicht so wirklich in ihren Kopf und drum hing sie auf Partys wie eine Schmusekatze an mir und verhielt sich so, als wären die Probleme und Konflikte, die sich im Alltag zwischen uns abspielten, nicht vorhanden. Kam mir immer so vor, als würde sie vor den anderen auf heile Welt spielen und so.
"Bro, mach das doch nicht abhängig von Miri. Nimm den Künstler mit, wenn du willst, da hat sie doch nix zu melden"
"Mal sehen", murmelte ich und strich das Thema schon wieder aus meinen Gedanken, um mich weiter der Pizza zu widmen.
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catching vibes like dreams || taeguk
FanfikceJeongguk und Taehyung, die beiden leben einfach ihr Leben, machen ihr Ding, kennen sich nicht. Doch bei dieser einen Kunstausstellung spricht Teilzeit Pokémontrainer Taehyung den angehenden Game Designer an und irgendwie verändert das alles. strang...