Guk überschreitet Grenzen

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Nach diesem entspannten Sonntag mit T startete ich aufgeladen in den letzten Montag dieses Semesters. Ich hatte bei ihm übernachtet, später hatten wir noch mit Val Mensch ärgere dich nicht gespielt und noch später miteinander geschlafen. Also, letzteres dann ohne Val obviously. Die war sowieso irgendwie genervt von mir in letzter Zeit, warum auch immer. War mir aber egal haha, mir war nur T wichtig, die anderen gingen mir am Arsch vorbei. 

Uni verging, ich schrieb eifrig Notizen in meinen Block, in dem sich über die Zeit auch viele Skizzen von T angesammelt hatten, und folgte interessiert den Professorinnen. Selbst dem Griepenkerl, den so viele meiner Kollegen verabscheuten, widmete ich fast meine ganze Aufmerksamkeit. Fast, weil ich im Hinterkopf ja doch die Minuten zählte, bis die Vorlesung vorbei war und ich wieder zu T konnte. 

Als das Lehrprogramm für den heutigen Tag beendet war, wollte ich mich eigentlich so schnell wie möglich aus dem Staub machen, um T von der Akademie abzuholen. Heute hatte er eine Stunde länger als ich, das ging sich eh locker aus. Nur hatte mein Tshirt-verabscheuender Freund Patrick wohl andere Pläne mit mir, denn als ich Block und Kuli wieder in meinen Rucksack haute, umgriff er meinen Oberarm und hielt mich fest. 

"Warte", sagte mein blonder Sitznachbar und ich schaute perplex von meinem Rucksack auf. 

"Was?"

"Ich brauch deinen Rat"

"Hm?", gab ich desinteressiert zurück und zippte den Reißverschluss meines Rucksacks mit einer Hand zu. Ja, meine Finger hatten sich einiges an skills erarbeitet, seit ich mit T zusammen war. 

"Wegen Caro", erklärte Patrick weiter und hielt mich noch immer fest am Arm, als würde er denken, ich würde gleich abhauen. Well, das hatte ich eigentlich auch vor. Aber anscheinend musste Patrick noch dringend irgendwas mit mir besprechen, was seine Freundschaft+ ohne Freundschaft mit dem wilden Rotschopf anging. 

"Was ist?", beschleunigte ich die Sache, damit ich endlich los konnte. 

"Ich steh auf sie"

"Dann frag sie halt, ob sie mit dir ausgeht"

"Aber sie verliebt sich nicht, das hat sie mir schon anfangs gesagt"

"Well, dann ist die story ja eh gelaufen"

"Na, wir schnackseln schon noch. Deswegen wollt ich dich fragen, ob du denkst, dass ich vielleicht eine Freundschaft mit ihr aufbauen sollte"

"Wieso Freundschaft?"

"Na ja, vielleicht steht sie dann auch irgendwann auf mich. Aber wenn nicht ist es ja nur sad für mich irgendwie"

"Oida, keine Ahnung, plaudere halt mir ihr, wenn du willst. Schenk ihr was, vielleicht gefällt ihr das"

Daraufhin sah Patrick mich ein paar Sekunden nur stumm an. Der Griff um meinen Oberarm lockerte sich und ich konnte mich endlich freikämpfen, um aufzustehen. Den Rucksack warf ich mir über die Schulter und war schon drauf und dran zu gehen, da machte der Blonde doch nochmal den Mund auf. 

"Seit wann bist du so ein Arschloch?"

Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen und drehte mich zu ihm um. Er sah irgendwie genervt aus, als hätte ich etwas gesagt, dass ihn abgefuckt hätte. Well okay, war nicht so, als würde ich mir das sonderlich zu Herzen nehmen, aber es verwirrte mich nur etwas, da Patrick bis jetzt eigentlich meistens diesen protective spirit für mich übrig gehabt hatte. 

"Was meinst du? Ich bin kein Arschloch. Du hast selbst letztens gesagt, ich bin wahrscheinlich die Person mit der meisten Liebe in ihr"

"Ja, solang es um deinen Künstler geht, stimmt das anscheinend auch. For real, du hast ja nix anderes mehr im Kopf außer ihn. Auf der Party am Freitag warst du auch so komisch. Lini hat geweint und dich hat es nicht mal gejuckt. Früher hast du sie immer getröstet"

"Well, ich bin auch keine Kummernummer. Der eine Typ hat ihr dann eh die Tränen aus den Augen gefickt"

Ich wunderte mich selbst, dass ich gefickt sagte. Hässliches Wort. Aber so wie die beiden miteinander umgegangen waren, passte es vielleicht auch ganz gut. Nur Patrick schien nicht dieser Meinung zu sein. Zornig funkelte er mich an, während ich den Blick mehr oder weniger unberührt erwiderte. Was machte er denn so ein Drama, waren ja auch genug andere Leute dagewesen, die sie trösten hätten können. Ich war ja kein Psychologe oder was. 

"Wenn du so bist, kommst du mir nicht in die Wohnung in Kitzbühel"

"Will eh nicht, Tae und ich bleiben daheim"

"Ja ja, fick ihn nur, bis du alle anderen um dich herum vergisst"

"Das ist eben Liebe, davon hast du halt keine Ahnung. Außer Sex kannst du ja nichts. Wie denn auch, das ist ja das Einzige, was deine Mutter dir beigebracht hat"

Stille. Mit entgleisten Gesichtszügen glotzte Patrick mich an und ließ seinen Kiefer nach unten hängen. Das war wohl zu viel gewesen. Die Anspielung auf seine Mutter, die ihn früher sexuell genötigt hatte, war definitiv respektlos gewesen. Fuck, warum hatte ich das gesagt? Fuck, fuck, fuck, ich war zu weit gegangen, eindeutig. 

"Tut mir leid. Das hätte ich ni-", setzte ich reumütig an, doch wurde von Patrick unterbrochen.

"Spar's dir", meinte er nur, wandte sein Gesicht ausdruckslos ab und suchte seine Sachen zusammen. 

Ich sagte nichts mehr und sah zu, wie Patrick seinen Rucksack packte und schulterte. Ohne mich noch einmal anzusehen oder etwas zu sagen, ging er mit neutralen Schritten davon und ließ mich frustriert zurück. Ach scheiße, warum war ich auch so dumm? Sowas droppte man nicht einfach in einem Streit, das war doch viel zu sensibel. Für einige Momente hatte ich einfach komplett vergessen, dass er genauso wie T und ich ein Mensch war mit Gefühlen. Wie arschlochig von mir, diese verletzende Vergangenheit von ihm, die er mir als einen der wenigen anvertraut hatte, im Streit gegen ihn zu verwenden. Sollte mich nicht wundern, wenn er jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Das war einfach die tiefste Schublade, nein sogar unter der Kommode, das war Fußboden. Tiefer hätte ich nicht greifen können. 

Kurz überlegte ich noch, ob ich Patrick nachlaufen sollte, entschied mich dann aber doch dagegen. Ich musste sowieso zu T, und Patrick hatte wahrscheinlich eh keine Lust auf mich. Bei der morgigen Vorlesung konnte ich das klären, jetzt ging es erstmal zur Akademie, um meinen Freund abzuholen. Immerhin ihn wollte ich nicht enttäuschen. 

Trotzdem fühlte ich mich schlecht und riss mir schon wieder die Haut von den Fingern. Die Haut war dort schon irgendwie verhärtet, weil ich sie dauernd zum Bluten brachte. Dazu biss ich mir die Innenseiten meiner Wangen auf, das hatte ich in letzter Zeit auch angefangen. Es baute Nervosität ab, war schon okay. T war letztens nur einmal verwundert gewesen, weil wir uns geküsst hatten und er auf einmal den Geschmack von Blut auf seiner Zunge gehabt hatte. Aber mit ein paar weiteren Bussis hatte ich ihn dann beruhigen können. Mh, ich freute mich schon, ihn wiederzusehen. 

catching vibes like dreams || taegukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt