Zur Feier des Tages, dass ich heute an Valentinstag alleine bin und Tower Bridge die 1K erreicht hat. Viel Spaß beim Lesen. xd
22. DezemberSchnellen Schrittes laufe ich zur Tower Bridge.
Ich weiß, dass sie da sein wird, aber ich weiß nicht, wieso ich mich überhaupt beeile.
Es dauert nicht lange, bis ich dort ankomme und Erin mit einem vor Ekel verzerrten Gesicht vorfinde.
»Was ist dir über die Leber gelaufen?«, frage ich und ziehe ein wenig amüsiert darüber, dass sie so schaut, eine Augenbraue hoch.
Sie wendet dem Blick von ihrem Handy zu mir. »Hast du die Nachrichten gesehen, Radio gehört oder Zeitung gelesen?«, fragt sie mich. Ich schüttle den Kopf. »Ich bin angewidert.«
»Wovon bist du angewidert? Davon, dass ich weder Nachrichten gesehen, Radio gehört noch die Zeitung gelesen habe?«, frage ich schmunzelnd. Sie schüttelt den Kopf. »Wovon dann?«
»Jemand hat eine Leiche von dem einen Friedhof ausgegraben und sich damit vergnügt«, sagt sie dann und mein Gesichtsausdruck verändert sich schlagartig. »Das ist so widerlich. Wir haben einen Nekrophilen in der Stadt.«
»Nekrophile sind Leute die sich mit Leichen vergnügen?«, frage ich nochmal sicherheitshalber nach und sie nickt. »Das ist... abartig.«
»Sag ich ja«, sagt sie dann und schaut nochmal auf ihr Handy.
»Wessen Leiche wurde missbraucht?«, frage ich sie und sie sieht wieder zu mir.
»Uhm...«, sie schaut wieder auf ihr Handy. »Eine, die vor zweieinhalb Wochen gestorben ist. Eine 22-Jährige Jura-Studentin, die abends in einer dunklen Gasse eiskalt ermordet wurde.«
»Wie hieß die nochmal?«, frage ich nach und denke nach. »Megan Lloyd?«
»Ja, genau die«, bestätigt Erin. »Da bekomme ich ja glatt Angst zu sterben, ich meine, die ist nicht viel älter als ich geworden und ich habe keinen Bock, tot zu sein, um dann nochmal von einem nekrophilen Spasten vergewaltigt zu werden.«
»Sag mal, du bist ja 20 Jahre alt, oder?«, frage ich nach und sie nickt - wenn auch etwas irritiert. »Ich habe dich die ganze Zeit für eine 16-Jährige gehalten, Erin.«
»Nicht mein Problem«, grinst sie mich an. »Jeder schätzt mich so um die 15, 16 Jahre.«
»Hätte mir deine Schwester nicht gesagt, wie alt du wärst, dann würde ich es immer noch denken«, gestehe ich und sie lacht. »Ich habe deine Schwester auf 17 oder 18 Jahre geschätzt, dann erzählte sie mir, sie wäre 23 Jahre - was ich immer noch bezweifle.«
»Doch, sie ist 23 Jahre«, meint Erin grinsend. »Um genau zu sein, 9 Tage älter als du.«
»Jetzt fühle ich mich jung und klein«, grinse ich. »Und du bist im Jahr 1994 geboren, richtig?«
»Ja, richtig«, lächelt sie. »Harry ist älter als ich. Genau genommen 8 Monate und 17 Tage.«
»Du hast wann Geburtstag?«, frage ich grinsend.
»18. Oktober, mein Lieber«, meint sie dann. »Ich bin trotzdem wegen dem Nekrophilen-Scheiß angewidert. Das ist so abartig.«
»Ich hab' mal eine Frage«, meine ich dann und sie schaut mich fragend an. »Gehst du nicht arbeiten?«
»Nein«, sagt sie und scheint kurz mit den Gedanken abzudriften.
Vorsichtig stupse ich sie von der Seite an. »Hey, was ist los?«, frage ich.
Erin schüttelt den Kopf. »Nichts«, meint sie schnell. »Alles super. Ich musste kurz an Etwas denken.«
»Und an was, wenn ich fragen darf?«, frage ich vorsichtig. Sie schluckt kurz. »Hat es was mit mir zu tun?«
»Nein, nicht im Geringsten«, meint sie dann. »Es hat was mit mir und meiner Familie zu tun.«
»Was ist denn?«, frage ich sie. »Mit dir? Deiner Familie? Ist alles in Ordnung?«
»Ja, alles ist super in Ordnung«, meint sie dann. Super in Ordnung? Hört sich nicht so an. »Bitte, reden wir lieber weiter über den Nekrophilen oder sonst was - nur nicht über mich.«
Um ehrlich zu sein kapiere ich Erin nicht. Sie redet nie über sich, aber ich will ihr nicht zu Nahe treten. Ich habe keine Lust darauf, dass sie den Kontakt abbricht, nicht mehr hierherkommen wird beziehungsweise mich ignoriert, wenn wir beide hier stehen würden. Was ist, wenn sie wieder so abweisend und fauchend reagiert, wie das letzte Mal?
»Louis, es tut mir leid, aber ich lebe nach dem Motto Je weniger sie dich kennen, desto mehr kannst du dich vor Urteilen schützen. Es liegt überhaupt nicht an dich«, meint sie dann, als ich daraufhin nichts sage, da mir nichts eingefallen ist. »Ich bin eine miese Freundin, egal für wen, und es tut mir ja leid, aber ich rede nie über Sachen, die mich beschäftigen. Weil, wenn ich darüber rede, gebe ich Sachen von mir preis und das möchte ich nicht so gerne. Vor allem... wir werden uns nicht wieder sehen, wenn das neue Jahr beginnt. Keiner von uns weiß, was uns nächstes Jahr erwartet.«
»Und das soll mir jetzt was sagen? Erin, ich habe dich in mein Herz geschlossen und werde dich bestimmt nicht, nur weil der Dezember vorbei ist, auf irgendeiner Weise verlassen«, meine ich dann. »Du bist eine gute Freundin, ich wette mit dir, dass ich mit dir über Probleme reden kann, ohne dass du sie weitererzählst. Du würdest mein Vertrauen nicht missbrauchen.«
»Würde ich auch nicht tun«, meint sie dann und schaut auf das gefrorene Wasser der Themse.
Ich nicke. »Dacht' ich mir.«
»Weißt du was, Louis? Es ist so schrecklich angespannt, kaum auszuhalten«, meint sie dann und stopft ihr Handy in die Jackentasche.
»Und das bedeutet jetzt?«, frage ich nach. Sie seufzt.
»Ich gehe nach Hause«, meint sie dann, schaut mir kurz ins Gesicht und rennt dann in die Richtung, in der sie vor ein paar Tagen gerannt ist.
»ERIN!«, rufe ich ihr hinterher, doch sie rennt einfach weiter, ohne mir ein kleines bisschen Aufmerksamkeit zu geben.
Seufzend fahre ich mir durch die Haare und denke nach. Wieso zur Hölle verschließt sie sich so? Das ergibt für mich schlicht und einfach null Sinn.
Was ist nur mit Erin los? Am Anfang schien sie mir immer glücklich und unbeschwert sein, dann kam der 17. Dezember und schwups, all die Lockerheit zwischen uns ist wie weggefegt. Als hätte es das nie gegeben.
»Hallo Louis«, spricht mich jemand von der Seite an und ich schaue zu der Person. »Wo hast du Erin gelassen?«
»Hey Leonora«, sage ich. »Sie ist abgehauen. Ich hab' mal 'ne Frage.«
»Und die wäre?«, fragt Leonora und sieht mich skeptisch an, während sie eine Augenbraue hochzieht.
»Was ist am 17. Dezember in keine Ahnung welchem Jahr passiert, dass Erin an diesem Tag in meinen Armen lag und geheult hatte?«, frage ich und ihr Blick ändert sich schlagartig. »Seit diesem Tag ist sie wie verändert und ich frage mich, was passiert ist.«
»Fuck...«, sagt Leonora leise und schaut mich weiterhin an. Ihr Blick sagt alles. Sie weiß, was mit Erin ist. »Tut mir leid, Louis, ich muss los.«
»Warte, Leonora, bitte sag' mir, was mit Erin ist!«, bitte ich sie, doch sie läuft schon weg. Was verheimlichen die Schwestern nur? Was weiß Leonora, was ich nicht weiß?
Ich kann nicht viel machen. Es ist logisch, dass Leonora weiß, was mit Erin ist, es sind ja schließlich Schwestern. Trotzdem möchte ich es wissen, um mindestens eine Chance zu haben, Erin irgendwie zu helfen.
Zudem glaube ich, dass das Weglaufen in der Familie liegt. Verwirrend.
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Tower Bridge
AcakVom ersten bis zum einunddreißigsten Dezember war sie an der Tower Bridge. Mal früh, mal spät, mal den ganzen Tag über, mal für ein paar Stunden. Sie hatte einen geregelten Tagesablauf - bis sie ihn kennenlernte. Und mit ihm geschahen Dinge, die sie...