● Kapitel 75

1.8K 181 14
                                    

9. August 2016

Seit einigen Tagen bin ich wieder in London und musste mir reinziehen, wie erleichtert sie sind und wie sehr sie mich vermisst haben.

Ich habe sie ja auch vermisst. Zu meiner Familie habe ich eine starke Bindung, so stark, dass es für Außenstehende wiederum fragwürdig ist.

Aber ist es so merkwürdig, dass sich eine Familie so gut versteht und stark aneinander gebunden ist?

Wenn man eben keine Freunde hat, dann hat man Familie. Mehr braucht man nicht.

Wenn man eine Schwester oder einen Bruder hat, dann kann die- oder derjenige gleichzeitig deine beste Freundin oder dein bester Freund sein.

Auch wenn Emily nicht meine leibliche Mutter ist und Logan, Jasmine, Lilien, Isabella und Harry nicht meine richtigen Geschwister sind, gehören sie trotzdem zu meiner jetzigen Familie. Sie machen nämlich meine Familie das aus, was sie sind; und ich bin verdammt stolz darauf.

Vor ein paar Tagen habe ich mich vor dem Zuhause meiner Mutter wiedergefunden, doch es habe nicht geklingelt. Das hätte sie nicht gewollt.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Jeden Tag habe ich ein komisches Gefühl im Magen und es möchte nicht verschwindet. Es bleibt einfach und gibt mir das Gefühl, dass es meine Lunge und allgemein meine Brust belastet.

Irgendwie scheine ich mit der Zeit immer verzweifelter denn je mit mir zu sein und das macht mir zu schaffen.

Allmählich werde ich eher mehr zu dem Wrack, vor dem ich mich gefürchtet habe, es zu werden.

Mein Leben wurde aufgrund Louis so verändert. Zwar bin ich erst 21 Jahre alt, aber ich bin so was von vom Leben gezeichnet, dass es wiederum viele nicht verstehen würden.

Wenn ich könnte, dann würde ich die Zeit zurückdrehen und den Unfall meiner Mutter ändern, aber dann würde ich wiederum nicht die Hawkins kennen. Und ich hätte Louis nie kennengelernt und das Buch würde erst recht nicht existieren.

Von Tag zu Tag werde ich immer müder, kann mir nicht erklären, warum das so ist. Zu nichts habe ich nicht mehr Lust, will am Liebsten nie wieder an das Tageslicht gehen, nie wieder neue Leute treffen und kennenlernen.

So oft habe ich schon über das Aufgeben nachgedacht und wollte schon zu oft aufgeben. Doch ich bin in meinem Leben jetzt an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr kann, aufgebe, zerbreche.

Ich muss es mir so vorstellen, dass, wenn ich springe, sich mein Körper in Luft auflösen wird. Als würde das Feste ganz weich werden. Noch schöner ist die Vorstellung, wenn aus meiner aufgelösten Haut Schmetterlinge entstehen würden. Dass das alles magisch aussieht.

Mein Blick heftet sich an das ruhige Wasser der Themse und ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Einen Schritt und dann ist alles vorbei. Dann bin ich frei wie ein Vogel und erlöst von allen Schmerzen, die ich mit mir herumtrage.

Ein letztes Mal schließe ich die Augen und lasse meinen Griff um das Geländer etwas lockerer.

Endlich bin ich bereit, loszulassen.

Tower BridgeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt