3. September
// L O U I S //
»Jeder redet über das Buch der Koma-Patienten namens Erin Diana Marin, die in ihrer Zeit in Deutschland dieses Buch schrieb und die einzelnen Kapiteln ihrer Schwester schickte«, höre ich Logan Marin, den Nachrichtensprecher und Erins Vater zugleich, sagen und mache den Fernseher sogleich viel lauter. »Als sie am 6. August gerade auf dem Weg nach Hause war, kam der Taxifahrer mit dem Auto ins Schleudern und überschlug sich dreimal. Der Taxifahrer hatte es nicht überlebt, die junge Autorin musste reanimiert werden. Ihre Schwester wollte ihr den letzten Wunsch erfüllen, falls sie es nicht schaffen würde. Die junge Autorin hat schon viele Fans durch ihr einmaliges Buch bekommen und alle hoffen, dass sie bald aufwachen wird. Wir denken an Sie, Miss Marin.«
»Wir hoffen für Ihre Tochter nur das Beste«, meint Bonnie McBennett an Logan gewandt, der nur nickt und ein aufgezwungenes Lächeln aufsetzt. »Kommen wir zu den Sport-News-«
Sofort schalte ich den Fernseher aus. »Alter, ich wollte das gucken«, meint Harry.
Zayns Blick liegt auf mir. »Ist es das Mädel von der Tower Bridge?«, fragt er nach und ich nicke.
»Sie war in Deutschland? Warte- was haben sie gesagt? Wann war der Unfall?«, frage ich völlig aufgelöst und schockiert.
Liam räuspert sich kurz: »Am 6. August.«
»Zayn, wir waren an der Tower Bridge irgendwann am Anfang von August, wo ein Unfall mit einem Taxi stattgefunden hatte!«, meine ich dann.
Zayn reißt die Augen auf. »Im Taxi war dein Mädchen?«
»Ich muss los«, sage ich völlig auf durcheinander, stehe auf und ziehe mir im Flur Schuhe an.
Sobald ich mir die Schuhe angezogen habe, verlasse ich die Villa und jogge drei Straßen weiter, um dann vor der Villa der Marins und - wie ich herausgefunden habe - Hawkins'.
Ohne groß nachzudenken klingle ich an der Tür und die Directioner-Stiefschwester öffnet die Tür. »Oh... mein... Gott...«, sagt sie und starrt mich aus offenen Munde an.
»Ist irgendwer da, mit dem ich sprechen kann?«, frage ich sie, doch sie bekommt kein weiteres Wort heraus. Seufzend drücke ich die Tür auf und marschiere rein. »Hallo?«
Schritte ertönen von der Treppe und mein Blick schießt dorthin. »Hi Louis«, begrüßt mich der braunhaarige Typ.
»Hi, uhm, wie war dein Name nochmal?«, frage ich etwas peinlich berührt nach.
Er lacht leicht. »Harry«, sagt er und ich nicke. Stimmt ja, Harry. »Wie kann ich dir behilflich sein?«
»Ich will Leonora sprechen«, sage ich. »Sofort.«
»Tut mir leid, entweder du musst mit mir oder mit dem Fangirl reden, die ihre Fresse sowieso nicht auf bekommt«, meint Harry schmunzelnd.
»Halt die Fresse«, murmelt Isabella und geht mit gesenkten und hochrotem Kopf an mir vorbei.
»Warum hat mir Leonora nichts von dem Unfall erzählt?«, frage ich ihn und er zieht die Augenbrauen verwirrt zusammen. »Ich rede von Erins Unfall.«
»Ach so...«, sagt er und senkt den Blick etwas bedrückt. »Das kann ich dir nicht sagen, tut mir leid.«
Durcheinander fahre ich mir durch die Haare und atme tief durch. »Ich habe mir über die Monate Sorgen um Erin gemacht. Gott, was hat dieses Mädchen nur mit mir angestellt?!«, frage ich eher mich selbst als Harry, der mich anscheinend mustert.
»Was meinst du?«, fragt er nach und runzelt die Stirn, als ich wieder aufblicke.
Ich schüttle den Kopf. »Ich habe Erin kennengelernt und sie... oh Gott, ich habe mich total in sie verknallt. Sie verschwand einfach nach unserem Kuss, war unauffindbar und dann weiß Leonora auch noch so viel, und...«
»Du stehst auf meine Stiefschwester?«, fragt er etwas amüsiert darüber. Ist es jetzt so witzig? »Louis, weißt du, es ist nicht sicher, ob sie überhaupt aufwachen wird...«
»Ich will sie noch einmal in meinem Leben sehen, Harry«, sage ich etwas verzweifelt.
Er seufzt. »Ihr Gesicht ist mit Blutergüssen und Kratzern verletzt, sie hat eine Platzwunde und blaue Flecke am Hals.«
»Noch mehr?«, frage ich nach.
Harry nickt. »Ja, sie hatte innerliche Blutungen davongetragen, eine Gehirnerschütterung und drei gebrochene Rippen«, zählt er auf und ich schlucke. Harry nennt mir außerdem noch, in welchem Krankenhaus sie liegt und was ihre Zimmernummer ist. Ohne viel über mich zu wissen, drückt er mir seine Autoschlüssel in die Hand und schickt mich zu seinem silbernen Audi.
Wie in Trance steige ich ein und fahre los, um nach 10 Minuten beim Krankenhaus anzuhalten und auszusteigen.
Der Flur erstreckt sich in die Länge, als ich durch ihn gehe, um dann, irgendwann hinten am Ende, das Zimmer von Erin aufzufinden.
Eine Krankenschwester kommt aus dem einem Zimmer und schaut ihre Kollegin an. »Ich habe das Buch von ihr gelesen, es ist der Wahnsinn! Super schönes Buch! Sie schrieb sogar von einem Jungen, der irgendwie ihr Herz erwärmt hatte.«
»Einen Jungen?«, fragt die Kollegin der Schwester grinsend.
»Ja, ihr Treffpunkt war immer an der Tower Bridge«, erzählt sie aufgeregt. »Im Buch heißt dieser Typ Noel.«
»Wie heißt das Mädchen im Buch?«, fragt die Kollegin der Schwester wieder.
»Reenie«, antwortet sie mit einem verliebten Lächeln. »Wer auch immer Noel ist, ich hoffe, sie wird wieder aufwachen, damit sie glücklich werden, es sei denn, Reenie - oder Erin - schottet sich immer noch sehr ab, obwohl sie all ihr Leid gerne herausschreien möchte. Sie will nur niemanden zur Last fallen.«
»Ich habe das Buch nicht gelesen, Marcia«, meint die Kollegin augenverdrehend. »Aber ich werde mir Different Faces kaufen.«
»Das Buch lohnt sich zu lesen«, meint Marcia, die dann den Blick zu mir wendet. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ihr habt gerade über das Buch von Erin Diana Marin geredet, richtig?«, frage ich nach und sie nickt. »Und sie beschrieb irgendwelche Treffen an der Tower Bridge? Waren diese Treffen im Dezember?«
Sie nickt. »Ja, haben Sie es gelesen?«, fragt sie mich, doch ich schüttle den Kopf. »Woher wissen Sie es dann?«
Abwinkend öffne ich die Tür zu Erins Zimmer, um dann vor Schock die Augen zu weiten.
Erin liegt dort blass wie eine Leiche im Bett, mit unzähligen Kratzern auf den Armen und einer verheilten Platzwunde, die man allerdings noch so ein ganz kleines bisschen sehen kann, auf der Stirn.
Erschrocken dreht sich die Person um, die am Bett sitzt, und schaut mich aus hellen, blauen Augen an. »Was machst du hier?«
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Tower Bridge
RastgeleVom ersten bis zum einunddreißigsten Dezember war sie an der Tower Bridge. Mal früh, mal spät, mal den ganzen Tag über, mal für ein paar Stunden. Sie hatte einen geregelten Tagesablauf - bis sie ihn kennenlernte. Und mit ihm geschahen Dinge, die sie...