● Kapitel 48

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// L O U I S //

Seitdem Erin verschwunden ist, komme ich öfters mal zur Tower Bridge und lasse unsere Gespräche wie kleine Filme vor meinem inneren Auge abspielen, um mich daran zu erinnern, wie schön und sorgenlos die Zeit mit ihr schien.

Sie hatte so viel gelacht, mir das Gefühl gegeben, ich sei ein Nicht-Prominenter. So schön dieses Gefühl auch war, musste ich mir eingestehen, dass es nicht für ewig anhalten würde.

Ich hatte recht. Das Gefühl verschwand - und sie auch. Leonora wollte mir nicht sagen, wohin sie ging.

Überall hatte ich versucht irgendwo ihr Gesicht zu erkennen, sie wiederzufinden, ihr zu sagen, wie viel sie mir bedeutet, sie nochmals zu küssen und alles weitere. Aber es geht nicht, da sie weg ist und ich nicht mal den blassesten Schimmer habe, wohin sie sein könnte.

Deutschland wäre ein Option, oder Dänemark. Aber Dänemark ist groß, genauso wie Deutschland. Es wäre schwierig sie aufzufinden.

Ich wünsche, ich hätte davon gewusst, ich schwöre, ich hätte sie aufgehalten. Es war ein wenig erleichternd mit Leo zu reden, trotzdem stört mich die Tatsache, dass sie weiß, wo Erin ist. Zu gerne hätte ich ihr Wissen.

Wieder einmal stehe ich hier an der Tower Bridge, stütze meine Ellenbogen auf das Geländer und starre ins Wasser - mit den Gedanken ganz weit weg.

»Das machst du in deiner Freizeit? Du stehst hier an der Tower Bridge und starrst ins Wasser?«, holt mich eine Stimme aus meinen Gedanken und ich schrecke leicht auf, um dann Zayn anzuschauen.

Ich zucke mit den Schultern. »Ist doch egal«, sage ich. »Es ist nun mal beruhigend hier.«

»Wenn man von der Tatsache wegsieht, dass hinter dir ein paar Autos entlang fahren und wie die Bescheuerten hupen«, meint Zayn und holt aus seiner Jackentasche eine Zigarettenschachtel heraus, um aus dieser wiederum eine Zigarette zu nehmen und sie zwischen seine Lippen zu klemmen. »Auch eine?«

Er hält mir die Schachtel hin und ich nehme mir eine, um sie mir zwischen die Lippen zu klemmen. »Hast du Feuer?«, frage ich und schaue ihm dabei zu, wie er sich seine anzündet und mir dann das Feuerzeug hinhält.

Ohne weiteres nehme ich es an mich und zünde mir meine Zigarette an, um dann einen Zug zu nehmen. »Jetzt mal ehrlich, Louis, warum hängst du nonstop hier?«, meint Zayn und zieht wieder an seiner Zigarette.

»Weißt du, ich habe hier vor eineinhalb Jahren - glaube ich - ein Mädchen kennengelernt«, gestehe ich ihm. »Sie hat dunkles Haar, helle Augen und ein atemberaubendes Lachen, ihr Lächeln zeigte sie oft und das Strahlen ihrer Augen machte das von den Sternen Konkurrenz.«

»Woher zur Hölle holst du dir dieses Schwulengelaber her?«, fragt Zayn dann lachend.

Ich schüttle den Kopf. »Ihr Name ist Erin, die Tochter von Nachrichtensprecher Logan Marin. Frag nicht, ich habe erst spät erfahren, dass sie die Tochter von ihm ist. Hattest du mal in den Nachrichten von 2008 von einem Unfall gehört?«

»Ja, das war die Frau vom Nachrichtensprecher, der den Unfall mit der Kamera besucht hat. Wieso fragst du?«, meint Zayn.

Ich inhaliere den Rauch, puste ihn dann wieder aus. »Die Frau war Erins Mutter. Sie hat den schweren Unfall überlebt, erlitt aber ein Gedächtnisverlust und wusste ab dem Tag nicht mehr, wer Logan oder Erin ist, sie wusste rein gar nichts mehr. Logan stellte sie vor die Entscheidung, ihr altes Leben mit den vier Kindern weiterzuleben oder sich scheiden zu lassen, damit sie neu anfangen konnte. Sie entschied sich für den Neuanfang. Erin war zu dem Zeitpunkt 12 Jahre alt und sie verstand die Welt nicht mehr. Sie ist heute 20 Jahre alt - lach nicht, ich hatte sie für 16 Jahre gehalten - und kommt immer noch nicht damit zurecht. Wir hatten uns angefreundet und trotzdem verhielt sie sich mir gegenüber so distanziert, sie stieß mir immer wieder gegen den Kopf. Wir stritten uns, vertrugen uns wieder.«

»Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?«, fragt Zayn und drückt seine Zigarette aus, nachdem er sie fertig geraucht hat.

»Im Januar«, sage ich und drücke meine Zigarette ebenfalls aus. »Hast du mich gesehen, wie ich an der Bar mit einem Mädchen herumgeknutscht hatte?«

»Ja, das war nicht zu übersehen«, meint Zayn schmunzelnd.

»Das war Erin, und dort hatte ich sie das letzte Mal gesehen. Sie ist von hier abgehauen«, sage ich und zucke mit den Schultern. »Und weder ihre Schwester sonst noch wer sagen mir, wohin sie gegangen ist.«

»Du bist völlig in sie verknallt was?«, bemerkt Zayn grinsend und ich zucke mit den Schultern. »Weißt du sonst nichts von ihr?«

»Nein«, sage ich seufzend. »Ihr vollständiger Name lautet Erin Diana Marin, sie ist 20 Jahre alt, hört viele verschiedene Musikrichtungen, weiß viel über die deutsche Geschichte über Hitler und der Judenvernichtung, sie hat am 18. Oktober Geburtstag und sie wohnt drei Straßen weiter von uns. Die große Villa am Straßenende. Oh und sie hat 5 Stiefgeschwister und 3 leibliche Geschwister.«

»Interessant. Steht die Hütte bei denen noch?«, fragt er und ich sehe ihn irritiert an. »Nun ja, nach deiner Erzählung scheinen sie ein volles Haus zu haben und wenn da mal was abgeht...«

»Ach so, verstehe«, meine ich und lache leicht. »Ja, sie steht noch.«

Zayn holt Luft zum Antworten, doch plötzlich ein ohrenbetäubender Knall gemischt mit einem lauten Schrei zu hören. Erschrocken drehe ich mich um und sehe, wie ein Taxi gerade auf dem Kopf steht. Leute beginnen wegen dem Anblick zu schreien, viele Fahrer machen eine Vollbremsung und steigen aus.

»Komm Louis, hier ist jetzt zu viel Aufsehen, wir können uns nicht leisten, hier gesehen zu werden«, meint Zayn, packt mich am Arm und zieht mich weg.

Noch immer hängt mein Blick an das Taxi, wobei jetzt dort um die 6 weitere Personen stehen.

»EIN RETTUNGSDIENST IST UNTERWEGS!«, hört man jemanden brüllen.

Die Lautstärke ist immer noch zu hören, auch als wir fast bei uns Zuhause sind. Wir wohnen nicht all zu entfernt.

»Das war krass«, sagt Zayn. »Mir tun die Leute leid, die dort im Taxi saßen.«

Ich nicke. »Ja, mir auch. Hoffen wir, dass sie es überleben.«

Tower BridgeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt