Verschlafen tastete ich nach dem Telefon auf meinem Nachttisch und öffnete irritiert die Augen als ich nicht das unter meinen Finger spürte, was ich erwartet hatte. Ich blinzelte einen Moment gegen die grelle Sonne an, die durch das Fenster direkt in mein Gesicht schien. Stöhnend schirmte ich meine Augen mit der anderen Hand ab und angelte mein Handy vom Tisch. Es schien ganz so, als hätte ich die letzte Nacht unfreiwillig auf der Couch verbracht.
Nick und ich hatten gestern noch Einiges in der Bar geschafft und langsam, ganz langsam machten wir Fortschritte. Wir hatten zusammen entschieden, dieses Projekt selbst in die Hand zu nehmen, statt irgendwelche Firmen für den Umbau zu beauftragen, doch mein schmerzender Körper ließ mich diese Entscheidung in Frage stellen.
Tatsächlich war ich gestern direkt nach der dringend nötigen Dusche auf der Couch zusammengebrochen und eingeschlafen ohne mein Essen auch nur anzurühren. Angewidert blickte ich auf den Teller mit Spaghetti auf meinem Couchtisch und die trockenen Soßenreste, die sich bereits am Rand bildeten. Es gab am frühen Morgen wahrlich schönere Anblicke! Ächzend drehte ich mich auf den Rücken und entsperrte mein Handy, bevor ich erschrocken die Augen aufriss. Von wegen früh am Morgen, es war bereits später Nachmittag! Zum Glück war aber auch Wochenende und so konnten wir uns heute ruhigen Gewissens einen freien Tag gönnen. Mein Glück, denn Nick hätte mich sicher umgebracht, wäre ich um so viele Stunden zu spät gekommen.
Verschlafen wühlte ich mich durch die Anrufe in Abwesenheit, die hauptsächlich von Nick stammten, und die Nachrichten. Die erste Nachricht, die ich öffnete, war ebenfalls von Nick. Er fragte sich, ob es mir gut ginge und deutete mit einigen aussagekräftigen Smileys an, wie fantastisch sein Date gestern Abend gelaufen war und scheinbar immer noch lief. Woher nahm er nur die Energie nach einem solchen Arbeitstag noch auf ein Date zu gehen? Ich seufzte und zuckte mit den Schultern. Die zweite Nachricht von Nick beinhaltete ein Video und ich hoffte inständig, dass dieses auch für mich bestimmt war und nicht wieder an einen seiner Lover gehen sollte und mehr als nur verstörende Bilder zeigte. Ich liebte Nick, doch diesen Aspekt seines Lebens musste ich wirklich nicht mit ihm teilen!
Als das Video endlich anlief, war ich für einen Moment erleichtert darüber, keine männlichen Geschlechtsteile in Aktion zu sehen, doch im nächsten Moment war ich irritert.
In dem Video war recht deutlich die Auseinandersetzung zwischen Tony Stark und mir zu sehen - an jenem Abend als er sich in der Bar so daneben benommen hatte. Irgendjemand musste dies aufgenommen und ins Internet gestellt haben und langsam hatte ich eine leise Vorahnung, was Tony meinte, als er gestern auf der Baustelle erschienen war.
"Ach du..." fluchte ich leise und setzte mich langsam auf. Wie ich Nicks Nachricht entnehmen konnte, ging dieses Video gerade überall herum und es war tatsächlich reiner Zufall, dass ich bisher nichts davon mitbekommen hatte. Zumindest konnte ich nun ein wenig besser nachvolziehen, warum Tony so gereizt war - auch wenn ich sein Verhalten alles Andere als guthieß. Er kam in diesem Video wirklich nicht gerade gut weg - schwankend, mit glasigem Blick und herumpöbelnd möchte sich sicher Niemand im Internet wiederfinden und irgendwie tat er mir in diesem Moment ein wenig leid.
Ich zögerte einen Moment und beschloss dann, ihm einfach meine Reaktion auf dieses Video zu schreiben um ihm klar zu machen, dass ich nichts damit zu tun hatte. Warum mir dies so wichtig war, wusste ich nicht genau - es erschien mir einfach richtig.
"Du hast seine Nummer gelöscht, schon vergessen?" schoss es mir in dem Moment durch den Kopf, als ich das leere Textfeld vor mir sah. Ich verzog das Gesicht und starrte vor mich hin - nun, der Wille war da, vielleicht sollte es einfach nicht sein!"Was stimmt nicht mit dir, Jess?" schimpfte ich mich selbst lautstark, als ich ungefähr drei Stunden später mit meinem Auto vor Tony Starks Villa in Malibu stand und nun schon seit einigen Minuten auf den Eingang starrte ohne auszusteigen. Ja, es wäre fair und nett gewesen, hätte ich ihm wegen des Videos geschrieben, aber nach einigem Hin und Her gleich ins Auto zu springen und nach Malibu zu fahren? Echt jetzt?!
Es schien, dass die harte Arbeit im Sommer mir ganz und gar nicht gut tat und irgendwie meine Sinne auf seltsam Weise benebelte! Als hätten Tony und ich nach dem Ende dieser Affäre nicht schon oft genug Zoff gehabt, so provozierte ich es nun gerade regelrecht. "Wie ER es auch getan hat..." schoss es mir durch den Kopf, doch das war mir gerade herzlich egal.
War es denn wirklich so wichtig ihm klarzumachen, dass ich mit diesem Video nichts zu tun hatte? ICH hatte doch die Affäre beendet und nun fühlte ich mich wie eine irre Stalkerin die aus ihrem Auto heraus einen Blick von ihm erhaschen möchte, wenn er nackt vor dem Fenster steht. Ich stöhnte auf und ließ meinen Kopf für einen Moment gegen das Lenkrad sinken, bevor ich beschloss einfach wieder nach Hause zu fahren solange mich keiner bemerkt hat. Sicher war er nicht Zuhause oder hatte Besuch und so würde nie Jemand von diesem Tiefpunkt erfahren.
Kopfschüttelnd hob ich den Kopf und drehte den Zündschlüssel im Schloß herum um meinen kleinen, gelben Flitzer zu starten. Mein Auto sprang an, stotterte einen Moment und stellte sich dann tot. "Nein...." murmelte ich und warf einen hastigen Blick zur Villa - es war noch immer Niemand zu sehen und ich war mehr als erleichtert darüber!
Ich startete den Wagen erneut "Bitte...bitte nicht jetzt und nicht hier" flehte ich mein Auto an und bemühte mich erneut es zu starten. Wieder folgte ein leises Stottern, bevor der Motor verstummte. Das konnte doch nicht wahr sein! Ja, ich hatte den Termin in der Werktstatt immer und immer wieder hinausgezögert, doch bisher fuhr mein Flitzer immernoch makellos - bis auf die Geräusche die er manchmal von sich gab. Warum starb er denn nun ausgerechnet hier vor Tony Starks Villa in der Abenddämmerung? Warum nicht bei sengender Hitze in der Wüste oder bei Nacht im schlimmsten Ghetto New Yorks? Alles, wirklich Alles wäre besser gewesen als hier vor Tony's Villa zu stehen.
Ich seufzte ergeben und ließ meinen Kopf erneut gegen das Lenkrad sinken - nur, dass ich dieses Mal mit meiner Stirn die Hupe betätigte, die selbstverständlich einwandfrei funktionierte und lautstark durch die Stille des Abends ertönte. Erschrocken sah ich auf und bemerkte, wie sich hinter der Eingangstür der Villa etwas tat. Ohne weiter nachzudenken, kauerte ich mich auf meinem Sitz zusammen und hoffte inständig, dass niemand den leuchtend gelben Wagen mitten auf der Auffahrt entdecken und näherkommen würde.
Ja, eigentlich war ich sogar recht intelligent - nur eben nicht jetzt gerade!
Während ich mich auf dem Fahrersitz zusammenkauerte, hörte ich Stimmen, die aus Richtung der Villa zu kommen schienen. "Bitte nicht, bitte, bitte, bitte nicht!" flehte ich innerlich und dachte darüber nach, mit welchen Mitteln sich die Schicksalsgötter - oder wer auch immer dafür verantwortlich war - wohl bestechen ließen.
Ein leises Klopfen ertönte an meiner Scheibe und für einen kleinen Moment hatte ich die Hoffnung, dass ich mir dies nur einbildete. Das Klopfen wurde lauter und vermischte sich jetzt mit einer mir unbekannten Männerstimme "Hallo? Geht es ihnen gut?". Ich atmete tief durch und richtete mich langsam auf, wobei ich vorsichtig zum Fenster schielte. Der Mann sah mich mit einer Mischug aus Belustigung und Vorsicht an, als würde er jeden Moment damit rechnen, dass ich die Tür aufreißen und ihn überfallen würde.
Nun gut, ganz klar in der Birne wirkte ich mit Sicherheit nicht - ich konnte es ihm also nicht verübeln! Zumindest kannte ich den Mann nicht und so bestand ein kleiner, ein klitzekleiner Funken Hoffnung, dass nur er allein mich hier sehen würde.
"Miss?" der Mann linste erneut durch das Fenster und klopfte nochmals gegen die Scheibe. Ich richtete mich auf und öffnete die Fahrertür, ehe ich ihn anlächelte. "Geht es ihnen gut?" wiederholte er seine Frage und musterte mich. Ich warf einen schnellen Seitenblick zur Villa - keine Spur von Tony - und nickte dann "Ja, mein Auto..." ich zuckte mit den Schultern "...es hat so komisch gestottert und jetzt scheint es tot zu sein". Bitte lass diese Geschichte gelten! Der Mann nickte "Ich bin Rhodey.." lächelnd reichte er mir die Hand und eine kleine Seifenblase der Hoffnung machte sich in mir breit. "Hi, ich bin Jess..." entgegnete ich lächelnd und ergriff seine Hand.
"Warum sind sie denn hier auf dem Grundstück?" erkundigte sich Rhodey und sah mich und dann den Wagen fragend an. Ohje... Ja Jess, warum bist du hier, hm? "Oh...nun ich muss wohl die falsche Abzweigung genommen haben..." erwiderte ich und verzog den Mund "...ich dachte hier geht es weiter" fügte ich hinzu und spürte wie sich mein Puls bei dieser Lüge beschleunigte.
Rhodey schenkte mir ein strahlendes Lächeln "Nun, wir kriegen sie hier schon weg. Ich muss nun leider los, doch mein Kumpel kann ihnen sicher weiterhelfen" bot er an und ich spürte, wie meine Gesichtszüge entgleisten.
"Tony?" ehe ich reagieren konnte, war Rhodey auch schon drauf und dran den einzigen Menschen zu rufen, den ich hier nicht sehen wollte. "Äh... nein, machen sie sich..." begann ich und hörte selbst wie verzweifelt meine Stimme klang. "Er macht das sicher gerne. Schönen Frauen ist er immer zu Diensten" zwinkerte Rhodey mir zu.
Ich schwöre, ich konnte ein leises "Plopp" hören, als mein kleiner Hoffnungsschimmer in der Seifenblase in dem Moment zerplatzte, als Tony Stark aus der Villa trat und mich direkt ansah.
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Heartbeat Nights
Fanfic- PAUSIERT - "Ich bin weltoffen und cool und habe eine Affäre mit Tony Stark" so Jess, die nach einer jahrelangen, öden Beziehung endlich mal ihre Freiheit genießen will. Doch leider läuft nicht alles so, wie sie es sich vorgestellt hat - Was passi...