Überraschende Hilfe

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Seufzend blickte ich auf das Display meines Handy's und legte es dann zur Seite. Scheinbar hatte Tony gestern noch versucht mich zu erreichen und ich hatte seinen Anruf verpasst. Nick's plötzliches Auftauchen und seine offensichtlichen Probleme hatten mich die halbe Nacht über wach gehalten und dementsprechend gerädert fühlte ich mich an diesem Morgen auch. Nachdem ich nun bereits zum dritten Mal versucht hatte ihn zu erreichen und jedes Mal auf seiner Mailbox gelandet war, gab ich es nun auf. Ich wollte ihm nicht irgendeine blödsinnige Nachricht hinterlassen und ehrlich gesagt wollte ich ihm auch nicht unnötig nachlaufen. Sicher war er etwas beleidigt, weil ich ihn gestern so spontan versetzt habe - tja ich hatte mir diesen Abend auch anders vorgestellt wenn ich ehrlich war.
Ich warf einen traurigen Blick auf Nick, der noch immer tief und fest auf meinen Sofa schlief und überlegte wie ich ihm in dieser Sache wirklich helfen konnte. Noch nie in meinem Leben hatte ich irgendetwas mit Drogen oder gar der Szene zu tun gehabt, ich hatte keine Ahnung wie man Jemandem half der davon betroffen war. Fest stand für mich lediglich, dass Nick eine neue Bleibe und einen Job brauchte wenn er wieder auf die Beine kommen wollte.
Sollte ich ihn bei einer Selbsthilfegruppe anmelden? Zweifend kaute ich auf meiner Unterlippe und betrachtete Nicks schwarzen Haarschopf. Wäre hier ein Arzt sinnoll? Nun, ich konnte ja schlecht Jemanden fragen, den ich oder gar Nick kannten - es käme einem Verrat gleich, nachdem er mich um Stillschweigen gebeten hatte, oder?
"Verdammt..." fluchte ich leise und griff erneut nach meinem Telefon, ehe ich zurück in die Küche schlich um Karen anzurufen. Wie erwartet reagierte meine Freundin verständnisvoll, als ich sie um diesen freien Tag bat - und wie immer fragte sich nicht nach dem Warum. Fast war ich mir sicher, dass sie vermutete meine Bitte hätte etwas mit Tony zu tun und eigentlich hätte ich sie über Alles aufgeklärt... Eigentlich... Karen wüsste sicher eine Anlaufstelle für mein Problem. Nun, ich würde später nochmal in Ruhe mit Nick darüber sprechen - ich KONNTE ihm da nicht alleine helfen, das musste er verstehen.
"Ich mach das wieder gut" versicherte ich zum Abschied und beendete das Gespräch - ohne Karen wäre ich manchmal wirklich verloren und sie hatte es wirklich nicht verdient von mir belogen zu werden. Erneut seufzte ich auf und kritzelte eine schnelle Nachricht für Nick auf einen Zettel "Bin bald wieder da. Jess". Ich platzierte den Zettel auf dem Tisch neben dem Sofa und registrierte Nicks leises Schnarchen, als ich mich vornüber beugte um nach meiner Tasche zu angeln.
Nachdenklich schlüpfte ich in meine Schuhe, zog mir eine leichte Jacke über und zog dann leise die Tür hinter mir ins Schloss, als ich meine Wohnung verließ.
Ich brauchte dringend etwas frische Luft und sicher könnten Nick und ich später ein ausgiebiges Frühstück vertragen, deshalb nahm ich den langen Weg und lenkte meine Schritte durch den naheliegenden Park. Obwohl es noch recht früh am Morgen war, waren überraschenderweise recht viele Menschen unterwegs und beim Anblick der tollenden Hunde hinter der ersten Kurve musste ich schmunzeln. Vielleicht, so dachte ich mir, sollte ich mir auch einen dieser Vierbeiner zulegen - einfach um Jemanden bei mir zu haben der sich freute mich zu sehen. "Momentan bist du alles Andere als alleine.." schoss es mir durch den Kopf und ich seufzte erneut.
War es sinnvoll hier im Internet nach Rat zu suchen oder würde es mir hier ähnlich ergehen wie beim Googeln von Krankheiten - am Ende fühlte man sich elender als vorher?
"Hallo Jess" ertönte neben mir plötzlich eine Stimme und verlangte nach meiner Aufmerksamkeit. Irritiert hob ich den Kopf und erblickte ein strahlendes Lächeln - jenes Lächeln das scheinbar nur ein Captain America besaß. "Steve" erwiderte ich überrascht und bleib ebenfalls stehen "Sie hätte ich hier ja am Allerwenigsten erwartet" gestand ich ehrlicherweise. Lachend zuckte er mit den Schultern "Warum? Ich bin lieber hier draußen als zwischen irgenwelchen Maschinen eingepfercht" lautete seine ebenso ehrliche Antwort und ich nickte.
"Ich wusste gar nicht, dass wir Nachbarn sind" lachte ich und schlenderte an seiner Seite weiter den Weg entlang "Sind wir nicht. Ich wohne eigentlich in Brooklyn, hatte hier jedoch ein mehr oder weniger wichtiges Treffen" erklärte er und verdrehte kurz die Augen. "Und sie?" wollte er wissen und blickte mich von der Seite her an.
Ich verzog das Gesicht und sah einem vorbeilaufendem Hund nach, dem eine junge Frau auf dem Fahrrad folgte "Ich musste mir ein wenig die Gehirnzellen durchpusten lassen". Ich seufzte tief und zuckte dann mit den Achseln.  Diesmal war Steve Derjenige, der nickte "Nun, wenn ich helfen kann...?" bot er an und wirkte dabei so ehrlich, dass ich für einen Moment darüber nachdachte. Vielleicht war DAS meine Lösung, vielleicht musste ich Steve Rogers hier über den Weg laufen um ihn um Rat zu bitten.
Ich kannte ihn eigentlich nicht - zumindest nicht mehr als all Diejenigen, die ihre Infos aus den Medien hatten - aber er hatte bereits beim letzten Mal so etwas ruhiges, vertrauenserweckendes ausgestrahlt. Zögernd nagte ich an meiner Unterlippe und blickte ihn an "Nur wenn Sie möchten..." versicherte er "...ich kann gut zuhören".
"Haben Sie denn so viel Zeit für die irdischen Probleme ihrer Mitmenschen?" erwiderte ich lachend - schließlich hatte er weitaus Wichtigeres zu tun als gerade MIR bei meinem Kram zu helfen.
Steve lachte amüsiert "Ich denke, die irdischen Probleme sind manchmal wichtiger als wir denken" zwinkerte er charmant. Ich konnte wirklich verstehen, warum er überall so beliebt war.
"Wie wär's, wir trinken einen Kaffee und Sie erzählen mir was sie bedrückt" schlug er vor.
"Na gut, aber nur wenn ich Sie einladen darf" bestand ich lächelnd.
Ja, Steve Rogers war quasi ein Fremder für mich, dennoch schien er mir in dieser Hinsicht die beste Wahl. Tony scherzte immer über seine Besonnenheit und die schier unendliche Vernunft, die er an den Tag legte - nun ich denke, dies ist genau das was ich bei meinem Problem brauchen kann. Warum nicht einfach mal Captain America bei einem Kaffeeklatsch um Rat bitten?
Verrückter konnte mein Leben doch kaum werden...

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