Heartbeat Nights

Was zur Hölle war das?

Tony winkelte ein Bein an und lies sich gegen die Lehne von Jess' recht großem Sofa sinken, während sie sich in ihrer Küche um die letzte Ladung ihrer unverschämt leckeren Brownies kümmerte. Neugierig ließ er seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen - bisher hatte er nie wirklich die Zeit gehabt sich hier umzusehen. Die große Wand hinter dem Fernseher war in einem satten, dunklen Grün gestrichen, die Möbel aus dunklem Holz bieteten eine geschmackvolle Ergänzung dazu, sie besaß kaum Deko nur hier und da waren vereinzelt Bilder von ihr zu sehen. Einige davon mit diesem Nick, andere zeigte sie alleine - immer hatte sie ein fröhliches Lächeln auf dem Gesicht und wirkte nie affektiert oder gar gestellt. Er musste lächeln als er an ihre uneitle Erscheinung dachte, die sie heute an den Tag legte. Zwar schien ihr, ihr Auftreten heute etwas unangenehm zu sein - jedoch nicht unangenehm genug um sich extra für ihn umzuziehen oder aufzubrezeln und dies beeindruckte ihn zugegebenermaßen ein wenig.
Im Gegensatz zu all den Models die er sonst so datete und die ständig - sogar im Bett - an ihrem perfekten Auftreten arbeiteten, war Jess natürlich und trotz ihres schlodderigen Looks noch attraktiv. Für ihn war Jess eine mehr als willkommene Abwechslung in jeglicher Hinsicht seines Lebens und dies war wohl auch der Grund, warum es ihn wieder einmal spontan zu ihr gezogen hatte.
Nun, ursprünglich wollte er wirklich nur nach dem Rechten sehen, nachdem sie beim letzte Mal so aufgelöst wirkte und dieses Treffen aus offensichtlichen Gründen etwas... daneben ging. Er hatte lange darüber nachgedacht, hatte lange an sie gedacht und ja, es hatte ihn gestört, dass sie seine Nachrichten ignoriert hatte. Jetzt saß er hier auf ihrem Sofa, aß mit ihr die Pizza und sie schafften es tatsächlich sich normal zu unterhalten, ohne dass dabei einer von Beiden wütend wurde oder die Flucht ergriff - nicht gerade selbstverständich, wenn man die vergangengen Treffen betrachtete. Es gab diesen seltsam Moment vorhin in ihrer Küche, als er ihren Puls spüren konnte und darüber nachdachte sie zu küssen. Absolut albern und teenagerhaft wenn man ihn fragte, jedoch sicher kein Grund zur Besorgnis!
"So..." Jess seufzte, ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder und sah ihn an "Nun ist aber Schluss mit den Brownies für heute, hörst du!" ermahnte sie ihn. "Aber dies ist der einzige Grund, warum ich überhaupt hier bin!" jammerte Tony und schenkte ihr ein breites Grinsen. "Nix da Stark, ich muss auch von Irgendwas leben" schüttelte sie den Kopf und sah ihn mit hoch erhobenem Zeigefinger streng an.
"Soviel zu meinem Plan, mich heute und morgen davon zu ernähren..." murmelte sie und blickte seufzend auf den leeren Pizzakarton.
"Wow, du gönnst dir gleich ein ganzes Wochenende?" nickte er anerkennend "...sagtest du nicht, Nick hätte was dagegen gehabt, einen weiteren Mitarbeiter einzustellen?" erkundigte er sich und knüpfte somit an ihr Gespräch vor zwei Tagen an. Jess schob sich eine Strähne ihres Haares hinter das Ohr und verzog das Gesicht "Ja hat er... aber was soll ich machen? Ich kann nicht weiterhin sieben Tage die Woche arbeiten und von früh bis spät im Laden stehen - will ich auch gar nicht" sie zuckte mit den Schultern und wischte sich Schokoladenkrümel an der Hose ab - absolut undenkbar bei irgendeiner seiner weiblichen Gespielinnen!
"Hast du denn..." er wusste, dass das was er nun ansprach, äußerst sensibel war und er höchstwahrscheinlich auch den nächsten Streit provozieren konnte, doch als sie fragend die Augenbrauen hob und ihn abwartend ansah, fuhr er fort - was solls! "Hast du denn mit ihm irgendeinen Vertrag geschlossen... für den Fall, dass sich die Situation nicht ändert?" - ja er hatte sich über ihre Situation mehr Gedanken gemacht als er es vielleicht sollte - na und, dies hatte rein gar nichts zu bedeuten!
Jess runzelte die Stirn und dachte einen Moment lang nach, immerhin schien sie ihm seine Frage nicht übel zu nehmen. "Nein, ehrlich gesagt nicht... ich denke auch nicht, dass dies auf irgendeine Art eskalieren wird..." sie schüttelte den Kopf, wirkte jedoch nicht sonderlich überzeugt. Irgendwas war da noch, von dem sie ihm nichts erzählt hatte oder es gar wollte. "Solltest du Rechtsberatung benötigen... Irgendwann..." warf er ein, als er ihren Blick sah "...ich habe ein paar gute Leute in meiner Firma die da sicher mal einen Blick drauf werfen könnten" bot er an und zuckte mit den Schultern.
Jess lachte "Ich denke nicht, dass ich mir einen deiner internationalen Topanwälte leisten könnte" gestand sie ehrlich und ließ sich ebenfalls gegen die Lehne sinken. "Nun, das lass mal meine Sorge sein... Es geht ja auch nur um den worst Case..." er konnte sehen, wie es in ihrem Kopf zu arbeiten begann.
"Ich kenne Nick seit zwanzig Jahren... er kriegt sich schon wieder ein" lächelte sie und streckte die Hand aus, um seinen Arm zu tätscheln "Dennoch danke". "Leider zerbrechen auch lange Freundschaften oft am Geschäft..." merkte Tony an und dachte dabei an seine Beziehung zu Obadiah Stane, der für ihn lange eine Vaterfigur darstellte - eine Episode in seinem Leben die noch nicht allzu lange her war und über die er auch nicht weiter nachdenken wollte!
Jess nickte langsam "Ich weiß... Nick ist eher wie ein Bruder als ein Freund... er ist eben verliebt und vielleicht bin ich wirklich so, wie er es gesagt hat - allein, verzweifelt und zu anhänglich" ein gequältes Lächeln trat auf ihr Gesicht. Es schien ganz so, als hätte dieser Nick einen erheblichen Einfluss auf sie und ihr Selbstwertgefühl.
"Anhänglich?" wiederholte er und hob die Augenbrauen "...dabei bist DU diejenige, die ständig vor mir auf der Flucht ist oder Kontaktversuche ignoriert" entgegnete er und entlockte ihr damit immerhin ein amüsiertes Augenrollen - na also! "Wie auch immer... ich bin eben bereit auch mal selbstkritisch zu sein - nicht wie gewisse Milliardäre, die sich für Gottes Geschenk an die Welt halten" stichelte sie mit einem amüsierten Funkeln in den Augen.
Da war es wieder - eben jenes Gefühl, dass ihn vorhin in der Küche schon überkommen hatte! Es war albern und...
Tony streckte die Arme nach ihr aus, nahm ihr Gesicht in beide Hände und ließ seine Lippen auf ihre sinken. Er rechnete mit erheblichem Widerstand und eventuell auch damit, gleich eine saftige Ohrfeige zu kassieren - stattdessen öffnete Jess ihren Mund und hieß ihn mit ihrer Zunge willkommen. Unwillkürlich rückte er etwas näher an sie heran, vergrub seine Finger in ihren Haaren und genoss das Gefühl ihrer weichen Lippen unter seinen. Hatte es sich bei ihren kleinen Stelldichein's auch so angefühlt? Waren ihre Küsse schon immer so weich und sanft und... versprachen Geborgenheit? Ihre Hände schlange sich um seinen Nacken, er spürte ihre Finger sanft durch sein Haar gleiten und er bekam in diesem Moment tatsächlich eine Gänsehaut von ihrer Berührung.
Tief in seinem Inneren - irgendwo in seinem Hinterkopf begannen seine Gedanken zu rasen, doch er vermochte diese nicht zu fassen, sondern sank immer tiefer in diesen Kuss und Jess' Berührung ein. Sie roch nach diesen verdammten Brownies und irgendetwas blumigen und verdammt... sollte sie nicht eigentlich nach Pizza schmecken?
Tonys Puls begann zu rasen, seine Daumen begannen die zarte Haut ihres Gesichtes zu streicheln und irgendwo in seinem Gedankenchaos wurde ihm klar, dass dieser Kuss absolut anders war als die heißen, hungrigen Küsse zuvor - er war... intimer!
Erschrocken von diesem immer lauter werdenden Gedanken löste er sich von Jess und sah sie an - der Gedanke schrie ihn nun förmlich an und schien ihn regelrecht wachzurütteln, er jedoch konnte sich gerade beim besten Willen nicht bewegen, sondern starrte sie nur atemlos an. Jess ließ ihre Arme sinken, erwiderte seinen Blick ebenso atemlos. Sie schluckte - ihre Augen wirkten glasig, die Lippen glänzten feucht und einladend und sie schien genauso verwirrt über diesen Kuss wie er.
"Ich..." murmelte er leise und nickte langsam "Ja..." entgegnete Jess und ließ einen Finger über ihre Unterlippe wandern - eine unbewusste Geste, die ihn fast erneut schwach werden ließ. "Okay... ja.. es... es ist schon spät und..." faselte er - Himmel, Stark du Idiot! Es war gerade zwei Uhr Nachmittags!
Er erhob sich vom Sofa, gefolgt von Jess "Ja, ja natürlich... du musst sicher... äh... " stimmte sie ihm zu und begleitete ihn zur Tür. Er öffnete diese und drehte sich erneut zu ihr um, ein wages Lächeln erschien auf seinem Gesicht und er nickte "Ja... unbedingt, es ist sehr... wichtig..." seine Stimme wurde leiser und er konnte es sich nicht nehmen lassen, seinen Daumen über diese weiche, gerötete Unterlippe gleiten zu lassen bevor er sich umdrehte und kopfschüttelnd aus dem Haus eilte. "Bis...dann..." hörte er Jess' verwirrte Stimme durch den Hausflur ehe die Tür hinter ihm zufiel.
WAS...ZUR...HÖLLE...WAR...DAS...STARK?! Es schien als hätte er nun vollständig den Verstand verloren! Mit rasendem Puls stieg er in seinen Wagen und drückte das Gaspedal härter durch als er es in der Stadt sollte - der Motor heulte protestierend auf, als er davon fuhr.
Ihr Geschmack verfolgte ihn noch immer und seine Lippen kribbelten unaufhörlich, während er sich schleunigst daran machte, sich Zuhause in seiner Villa einzuschließen und über diese seltsame Art und Weise nachzudenken, die er momentan an den Tag legte - vielleicht war dies ja eine Art Panik-Attacke und dann könnte Jarvis ihm sicher das passende Mittel zur Behebung dieser Katastrophe nennen! Normal war dieses Verhalten für ihn mit Sicherheit nicht!