Die ganze Zeit über hat Amanda still im Schneidersitz vor mir gesessen und zugehört.
Sie hat keine Regung gezeigt, als ich von Tiffany erzählte und mich auch nicht angesprochen, als ich mehrere Minuten still da saß und mich sammeln musste.
Doch jetzt erwacht sie langsam aus ihrer aufmerksamen Starre und leckt sich über die Lippen, bevor sie ihre Beine lang ausstreckt.Meine Hände sind von einem dünnen Schweißfilm überzogen und meine Fingerknöchel völlig Blutleer, weil ich die ganze Zeit entweder Amandas Bettkante oder meine eigenen Finger umklammert habe.
"Das ist jetzt ein bisschen viel. Selbst für mich", sagt Amanda langsam und steht auf.
Sie beginnt im gemächlichen Schritt im Zimmer herumzulaufen und sieht dabei auf ihren grauen Teppichboden."Du wurdest also von deinem Bruder angerufen, der dir als Außenstehender mitgeteilt hat, dass die Hochzeit nicht abgesagt wurde ... Du hast aber felsenfest damit gerechnet, dass sie bereits abgesagt ist."
Ihr Ton ist ruhig und für mich ist es damit unergründlich, was sie von all dem hält.
Sie erscheint gerade noch so unparteiisch wie die Schweiz, aber ich weiß, dass sich dieses Bild gleich ändern wird.Ich folge ihren Schritten mit müden, brennenden Augen und möchte mich jetzt am liebsten in ihrem Bett zusammenrollen, die Decke über meinen Kopf ziehen und nie wieder darunter hervorkommen.
"Und dann bist du in deine Wohnung gefahren, in der Bradyn ja untergekommen ist, hast ihn angebrüllt, ihn geschlagen und bis einfach abgehauen?"Sie lässt ihre Aussage wie eine Frage klingen und ich erkenne den versteckten Vorwurf hinter ihren Worten.
"Nein, nicht ganz. Ich habe ihn zur Rede gestellt und er hat meine Vermutung bestätigt. Nämlich, dass er ein verlogenes Arschloch ist, das mich benutzt und fallen lässt, sobald die Hochzeit vor der Tür steht", rechtfertige ich mich.
Amanda verzieht keine Miene und wirkt wenig überzeugt."Es hält sich also seit knapp drei Wochen hier in Kali auf und versteckt sich vor seiner Hochzeit", murmelt sie.
Ich stampfe mit den Füßen auf.
"Ja, weil er ein Feigling ist und den Schwanz einzieht."
"Was, wenn er Zuflucht bei dir sucht?"Stille.
Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. Ehrlich gesagt, habe ich die Nase voll, Bradyn ständig als das arme Opfer, den geschundenen Jungen anzusehen.
Ich weiche den Blicken meiner Freundin aus und überlege einfach wieder zu gehen."Mica?"
Ich gebe ein Brummen von mir.
"Ich will dir nicht reinreden. Deine Entscheidung, ob du ihn hasst oder nicht. Ich versuche hier nur deine Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Und ich habe gesehen, wie er dich ansieht. Ich war da als er seinen Blick gar nicht mehr von dir losreißen konnte ... Ich glaube nicht, dass er nur ein Spiel mit dir spielt."Ich ziehe die Schultern hoch und wünschte, ich könnte einfach aus ihrem lila Zimmer rennen.
"Was soll ich dazu jetzt sagen?", frage ich mit heiserer Stimme.
"Gar nichts. Ich lege hier nur eine andere Sichtweise aus. Immerhin habt ihr schon eine Menge hinter euch."Ich schnaufe.
"Ja. Und jedes Mal war er schuld, dass es nicht funktioniert hat."
"Wohl eher seine Angst."
Braune Augen sehen mich unschuldig an und Amanda zieht eine Augenbraue hoch."Nimmst du ihn gerade in Schutz?", frage ich ungläubig.
Ein gutmütiges Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus.
"Ach Mica ... wenn es nur so einfach wäre."
Mein skeptischer Blick scheint sie nicht zu stören, als sie vor mir zum Stehen kommt und tief Luft holt.
Erst jetzt bemerke ich, dass sie ihre verbeulte alte Jeans anhat, die sie immer trägt, wenn sie mit ihren Großeltern Möbel restauriert."Für mich hat es sich einfach nur so angehört, als ob du ihm nicht die Gelegenheit gegeben hast, sich zu erklären. Du selbst müsstest doch ganz genau wissen, wie schwer es ist, reinen Tisch zu machen - gerade mit der Familie. Du hast mehr als ein Jahrzehnt dafür gebraucht."
Ich starre durch sie hindurch.
"Ich hasse es, wenn du recht hast.""Was?", fragt sie scheinheilig.
"Du hast mich gehört", zische ich.
Amanda lacht auf und stemmt dann ihre Hände in die schmalen Hüften."Aber lass mich das nur noch mal kurz klarstellen: Du flüchtest aus deiner Wohnung zu mir und lässt Bradyn dort allein zurück?"
Ungläubig sieht sie mich an.
"Ein guter Beweis dafür, dass du gerade nicht ganz zurechnungsfähig bist und eine zweite Meinung dringen nötig hast."
Meine Augen wandern an ihr vorbei, fallen auf den Sonnenstrahl, der sich golden über den Boden ergießt."Ich kann nicht dorthin zurück. Er ist da. Er ist überall. Ich -"
Ein Schluchzen schüttelt meinen Körper und macht es mir unmöglich, weiter zu sprechen.
Sie hat je keine Ahnung, wie es ist, wenn sich jemand so in das eigene Gedächtnis brennt und ständig irgendwo unerwünschte Erinnerungen aufblitzen, die das Leben zur Hölle machen.
Amanda kann sich nicht vorstellen, wie es ist, von einem Menschen hintergangen zu werden, der einem das Gefühl gegeben hat, fliegen zu können."Ich kann dich denken hören."
Und ich kann ihr verdammtes Grinsen hören.
"Mica ... bleib so lange hier wie du willst. Von mir aus auch über Nacht. Falte ein paar Origami, wo das Papier ist, weißt du ja. Aber denk vielleicht mal über meine Worte nach und darüber, wie du dich gefühlt hast, als du hier im Dezember losgefahren bist und dich vor deinen Eltern outen wolltest."Ich blicke auf in ihre warmen Augen.
Sie steht jetzt so nah vor mir, dass ich den Geruch von Leim und Holz deutlich wahrnehme.
"Ich glaube, ich kann nie wieder Origami falten", sage ich leise.
"Warum?"
"Bradyn hat mir Origamipapier geschenkt", stöhne ich und schlage mir ein Kissen vor das Gesicht.Die Dunkelheit hüllt mich ein, empfängt mich wie einen alten Freund und für eine Sekunde vergesse ich, dass Amanda noch vor mir steht.
Als ich hinter dem Kissen hervorspähe steht sie an der Zimmertür. Sie lächelt aufmunternd.
"Ruh dich aus und sortiere deine Gedanken. Ich muss jetzt los, ich glaube, du brauchst jetzt ein bisschen Zeit für dich."Mit diesen Worten lässt sie mich mit meinen lauten Gedanken allein.
Ich weiß nicht, ob ich ihr dankbar dafür sein oder ihr hinterher schreien soll, damit sie zurückkommt und ich mich bei ihr ausheulen kann.
Ich entscheide mich dazu, stumm zu bleiben und lasse mich nach hinten fallen.Amandas Matratze ist fast so weich wie meine.
Meine Matratze ... auf der ich und Bradyn zusammen geschlafen haben, ich ihn seinen Armen, bevor er mich angelogen hat.
Verdammt.
... bevor er mich angelogen hat, weil er Angst hatte und sich Zeit verschaffen wollte. Habe ich ihn unter Druck gesetzt?Ich ersticke mein verzweifeltes Aufstöhnen mit einem weiteren Kissen.
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Song: Flume - Bon IverHi <3
Kennt ihr das auch? Zukunftsängste? lol
Habt ihr einen Plan, was ihr später mal machen wollt?An die, die es schon herausgefunden oder diese Schwelle im Leben schon übertreten haben, wie habt ihr das gemacht? Wie habt ihr euren Weg gefunden?
(Ich weiß, dass ist eine seehhrrr weitausholende Frage xD)Ich jedenfalls bin ab und an (wenn mir einfällt, dass es eine Zukunft gib) am Panik schieben, wenn ich mir Unis angucke.
Naja .... natürlich habe ich gestern mal wieder vorm Schlafengehen googelt ... xD
All my hopless Love,
LisaP.S. Das Tauwasser vom Schnee auf dem Dachboden kommt jetzt durch unsere Decke. Deswegen ist dieses Update etwas spät.
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magical boy✨[boyxboy] ✔
RomanceMica muss über die Weihnachtstage in seine beschauliche Heimatstadt Schenectady zurückkehren. Vor drei Jahren war der das letzte Mal hier und seitdem hat sich nichts verändert. Nur er. Mica ist erwachsen geworden und stehe zu sich selbst, zu den Din...