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Völlig durch den Wind stolpere ich in den Coffeeshop.
Amanda wartet bereits an unserem Stammtisch mitten im Geschehen des kleinen Ladens. Ich laufe Slalom und weiche gekonnt den anderen Gästen aus, die mir entgegenkommen oder sich gerade von ihrem Tisch erheben.
Amanda hebt die Hand und winkt mir zu. Das macht sie immer. Auch wenn ich neben ihr stehe und sie mich zum ersten Mal ansieht - sie winkt.

"Da bist du ja endlich!"
Ihre warme Stimme hat die angenehme Wirkung, dass sich meine Nerven augenblicklich etwas entspannen. Außerdem wirkt das Geld ihres geblümten Wickelkleides erstaunlich beruhigend.
"Tut mir leid, ich wurde ... aufgehalten."

Dunkelbraune Augenbrauen ziehen sich zusammen und sie verzieht ihre mit Lipgloss bestrichenen Lippen.
Aber sie fragt nicht nach, von wem.
Selbst wenn sie es getan hätte, weiß ich nicht, ob ich ihr die Wahrheit sagen würde.
Sie weiß nichts von Bradyn, ich habe ihn nie erwähnt. Er und unsere Geschichten gehören mir.

Emil ist der einzige meiner Partner, den sie kennt. Und sie mochte ihn noch nie sonderlich. Er war ihr zu laut.
Ich setze meine Sonnenbrille ab und lege sie mit einem Grinsen auf der lackierten Tischplatte ab.
Allein der Gedanke, an ihren genervten Blick, wenn sie Zeit mit mir und Emil verbringen musste, ist einfach nur zu köstlich.

Vor Amanda steht bereits ein riesiger Iced Coffee, ich schnappe mir die Karte, obwohl ich das Angebot auswendig kann.
Aber ich brauche kurz etwas, wohinter ich mich verstecken und meine Gedanken sammeln kann.
Bradyn hat mir mehr oder weniger den Morgen ruiniert - und versüßt.
Sein verschlafener Anblick ist etwas, das mir fehlt, etwas, das ich schmerzlich vermisse, dabei habe ich ihn nur zwei Mal so gesehen.

Es war schon irgendwie ganz süß, dass er im Auto geschlafen hat ... vor meinem Haus ... wie ein Stalker.
Ich kräusele die Nase.
Jetzt hört es sich gar nicht mehr süß an.
Glaubt er wirklich, dass zwischen uns je wieder mehr sein kann?

Ich will mehr. Ja. Ich will Bradyn.
Aber ganz. Und nicht nur an den Wochenenden, wenn er seinen Ehering ansetzt und versteckt.
Allein der Gedanke lässt mich schmerzlich zusammenzucken.
Barbara sagte beim Weihnachtsessen, dass die Hochzeit im Sommer stattfinden würde.

Meine offizielle Einladung hat Bradyn höchstwahrscheinlich verschwinden lassen.
Ich lasse die Karte wieder sinken und blicke in Amandas schokoladenbraune Augen.
Mit schief gelegtem Kopf sitzt sie mir gegenüber und lächelt.

"Jetzt guck nicht so und spuck endlich aus, weshalb ich hier aufkreuzen sollte! Dir sind die Wochenenden doch sonst so heilig", lache ich.
Amanda zieht die Schultern hoch und grinst.
"Es könnte sein, dass mein Manuskript eventuell im Lektorat liegt", quietscht sie.
"Was? Das ist ja fantastisch!"

Ich lehne mich über den runden Tisch und greife nach ihren Unterarmen.
Wir freuen uns etwas zu laut und ziehen einige unliebsame Blicke auf uns.
"Wieso jetzt erst? Du hast es doch schon zwei Mal eingesendet?"

Amandas Augen leuchten und sie beginnt zu erzählen.
Von einem jungen Lektor, der zwischen ihren Zeilen gelesen hat und sie im wöchentlichen Meeting vorgeschlagen hat. Von dem Vertrag, den sie noch lange nicht sicher hat, aber schon jede einzelne Floskel auswendig kann.
Lächelnd beobachte ich sie, wie sie ihre Dreadlocks über die Schulter wirft und dabei wild gestikuliert.
Sie mag es ruhig angehen, aber wenn sie einmal in ihrem Element ist, kann sie niemand mehr stoppen.

Beinahe verschüttet sie meinen Kaffee, als der Kellner an unseren Tisch zurückkehrt, nachdem ich ihm zwischen zwei Sätzen von meiner Freundin meine Bestellung aufgegeben habe.
"Jetzt muss ich nur noch warten", endet sie.

Ein wenig überfordert lehne ich mich zurück und nicke.
Ich würde es ihr wirklich wünschen!
"Und was ist mit dir?", fragt sie schließlich und trinkt zum ersten Mal von ihrem Kaffee.
"Was soll mit mir sein?"

"Micaaaa!"
Sie legt erneut den Kopf zur Seite und mustert mich mit leicht zusammengekniffenen Augen.
"Ich sehe doch, dass irgendetwas anders an dir ist. Du hast die Karte gelesen! Ich will nichts sagen, aber das hat dich verraten. Also raus damit!"
Das Problem mit Poeten ist, dass sie selbst Aufforderungen wie diese poetisch klingen lassen können.

Amanda zieht die Worte unnötig in die Länge - auf eine wunderschöne Art und Weise.
Ich versuche keine Regung zu zeigen und überlege krampfhaft, was ich sagen soll.
Über Bradyn zu reden, ist das Letzte, was ich jetzt tun will!
Aber ich kann nicht lügen, nicht vor Amanda. Sie riecht meine Lügen zehn Meter gegen den Wind!

Ich seufze theatralisch und fahre durch meine Haare.
"Jemand hat auf unserem Parkplatz übernachtet. Ich habe ihn ... mehr oder weniger geweckt."
Ich kaue auf meiner Wange herum, während ich abwarte, ob sie es schluckt.
"Und? War er heiß?"

Sie lehnt sich nach vorne und wackelt mit den Augenbrauen.
Ich lache verlegen und schaue weg.
"Na ja ... ein wenig schon."
Amanda gibt ein Quietschen von sich.

"Und? Hast du ihm deine Nummer gegeben?"
Meine Augen fallen wieder auf ihre strahlenden Gesichtszüge.
"Nein! Wieso sollte ich."
"Na, weil du mal langsam wieder in den Ring steigen musst! Seit Emil weg ist, herrscht bei dir doch - wortwörtlich - tote Hose."

Sie verzieht keine Miene, aber ich weiß, dass sie sich innerlich gerade ein High Five gibt.
Ich verdrehe die Augen.
"Ha. Ha. Sehr witzig. Ich habe doch gesagt, dass ich erstmal ganz zufrieden bin."
"Ja. Aber wenn ich nichts mit dir mache, sitzt du im Brutkasten, den du dein Zuhause nennst. Ich meine es ernst, Mica. Vielleicht solltest du dich mal auf ein paar Dating-Apps anmelden oder -"

"Nein", unterbreche ich sie, "ich will nichts mehr hören. Akzeptiere einfach, dass ich gerade nicht auf der Suche bin. Kein Stoff für deine nächsten Liebesgedichte."
Sie lacht gespielt überheblich auf.
"Oh bitte, du warst noch nie tauglich als Muse."
"Vielleicht nicht für dich."

"Was soll das denn jetzt heißen?"
Anstatt zu antworten, kippe ich den Rest meines Getränks herunter und zeige auf ihr Glas.
"Bist du fertig?"
Amanda kramt eine zehn Dollarnote aus ihre Tasche und knallt sie auf den Tisch.
"Ja. Du Arsch."

"Was soll das jetzt heißen?", äffe ich sie nach, als ich ihr die Tür offenhalte.
Sofort schiebe ich mir wieder die Sonnenbrille auf die Nase.
"Du weißt genau, was ich meine, Blödmann. Ich will doch nur dein Bestes."
"Danke, darauf kann ich verzichten", spaße ich und stoße sie mit dem Ellenbogen an.

Vielleicht werde ich ihr irgendwann von Bradyn erzählen. Von Jo und New York.
Und ganz bestimmt würde ich dann doch zu ihrer Muse werden.
Amanda begleitet mich zu meinem Wagen und erzählt mir von ihrer Arbeitswoche zwischen den eingestaubten Möbeln.
Ich höre ihr zu, ohne Kommentare abzugeben.

"Das ist jetzt nicht dein Ernst", lacht sie ungläubig, als ich bereits meine Autotür öffne.
"Du hast allen ernstes Kaffee mitgenommen?"
Sie drängt sich an mir vorbei und beugt sich in das Innere des Wagens.
"Mein heiliger Trank. Und jetzt raus da", kommandiere ich.

Ich habe das Gefühl in meiner Jeans einzugehen.
Der Asphalt unter uns reflektiert die Sonnenstrahlen auf unerträgliche Weise.
Amanda zieht mich in eine liebevolle Umarmung und haut mir auf den Rücken.
"Wir sehen uns ... Arsch."

Mit schwingenden Hüften geht sie zurück Richtung Straße und hebt noch einmal die Hand ohne zurückzublicken.
Ich schüttle den Kopf und steige ins Auto, drehe die Klimaanlage sofort bis zum Anschlag auf.
Als ich vom Parkplatz fahre, hoffe ich inständig, dass Bradyn nicht mehr vor meinem Haus ist.
Und als ich meinem Wohnkomplex dann immer näher komme, wünsche ich mir doch ein kleines bisschen, sein Auto auf dem gleichen Platz vorzufinden.

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Song: Chemtrails Over The Country Club - Lana Del Rey

Ahhh. Ich hab heute mal Samstag gemacht. xD
Ich habe gebacken xD

Mögt ihr Amanda? :)
Ich hoffe es.

bei vielen von euch liegt ja jetzt Schnee - genießt ihn für mich mit! :) ♡

schlaft gut
All my love
Lisa xoxo

magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt