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P.O.V. BRADYN

Von dem Moment an, als ich meine gottverdammten Füße über die Türschwelle der Rogers gehoben haben, bereue ich jede meiner Bewegungen.
Mein Körper schreit nach Mica, obwohl ich ihn noch nicht einmal gesehen habe. Aber ich weiß, dass er hier ist. Selbst wenn das hier nicht sein Haus wäre - ich wüsste es trotzdem, dass er in meiner Nähe ist! Ich spüre ihn.

"Baby, kommst du?"
Tiffanys braune Augen sehen mich fragend an.
Ich nicke schnell und drücke ihre Hand.
Alles in Ordnung, will ich ihr vermitteln, doch jede meiner Zellen schreit, dass das eine verdammte Lüge ist.

Ich schließe für einen Moment die Augen und rolle mit dem Nacken.
Hier muss ich jetzt durch. Wie soll ich sonst meine Zukunft überleben?
Tiffany zieht mich sanft in das hellerleuchtete Wohnzimmer, indem ich schon unzählige Male gesessen habe. Doch heute ist es anderes. Alles fühlt sich anders an.
Plötzlich bin ich hier nicht mehr willkommen.

Ich blicke auf Tiffanys weißen Ring. Den Verlobungsring, mit dem ich mir vor fünf Monaten etwas beweisen wollte.
Liz kommt auf uns zu und zieht erst Tiffany dann mich in eine feste Umarmung.
Tiffanys blondes Haar hüllt sich wie ein goldener Mantel um ihre zierliche Statur. Ihr dunkelgrünes Kleid schmeichelt ihrer schlanken Taille, um die ich jetzt meine Finger lege.

Ich habe dieser wunderbaren Frau so viel zu verdanken. Und doch bringt sie mein Herz nicht so zum Rassen, wie es der bloße Gedanke an Mica zur Folge hat.
Ich fahre mit den Fingern ihre Wirbelsäule entlang und entlocke ihr einen leichten Schauder. Sie lässt sich aber nichts anmerken, während sie Liz mit Komplimenten überschüttet.

Ich entdecke meine Mutter, die schon an der reich gedeckten Tafel sitzt und sich mit Micas ältestem Bruder unterhält.
Meine Hand hebt sich, als sich mich und meine Begleitung im Türrahmen entdeckt.
Ihr Gesicht erhellt sich, wie es immer der Fall ist, wenn sie mich zusammen mit Tiffany sieht.
Alles, was sie und Dad sich je für mich gewünscht haben, ist eine Frau wie Tiffany. Und als ich sie mit nach Hause brachte, war klar, dass ich sie niemals gehen lassen durfte.

Ein tiefes Seufzen erfüllt meine Lungen und Tiffany sieht kurz zu mir auf. Ihre warmen, braunen Augen mustern mich fragend.
Mr. Roger kommt auf uns zu gehinkt. Ich löse mich von Tiffany und klopfe ihm auf die Schulter.
Die dunkeln Augen unter seinen buschigen Augenbrauen erinnern mich so oft an die von meinem Dad.
Wenn er noch leben würde, wäre dieses Weihnachtsfest vollkommen.

Ich vermisse ihn jeden Tag. Und jeden Tag, wenn ich beinahe aufgebe und all meine Lügen gestehen will, mache ich weiter, weil ich weiß, dass er stolz auf mich gewesen wäre.
Tiffany und ich machten meine Eltern glücklich und jetzt, wo Dad von uns gegangen war, ist es meine Aufgabe Mom glücklich zu machen.
Ich stehe an zweiter Stelle und das ist absolut in Ordnung. Ohne meine Mutter wäre ich nicht da, wo ich mich gerade im Leben befinde.

Ich hätte keinen Job, ich hätte kein Dach über dem Kopf und ich hätte Tiffany schon längst aufgegeben.
Sie stellt sicher, dass ich ein gutes Leben habe, dass ich glücklich werde. Denn das macht sie glücklich.
In ihren Augen ist Tiffany mein Glück und ich werde dieser wunderbaren Frau, die mir das Leben geschenkt hat, niemals ins Gesicht sagen, dass sie Unrecht hat.

Wahrscheinlich hat sie das noch nicht mal. Wenn ich sie so betrachte, wie sie da am Tisch sitzt und ihr Weinglas in den Fingern dreht ...
Ich bin einfach nur verwirrt und muss wieder auf den richtigen Weg finden.
Nach diesem Essen werden Mica und ich Abstand gewinnen. Er wird zurück nach Kalifornien fahren und aus meinen Gedanken verschwinden.
Mit der Zeit wird er verblassen, wie unsere Schneeengel im Central Park.

Ein Ziehen durchfährt meinen Körper und sammelt sich hinter meinen Augen an.
Ich blinzle und konzentriere mich wieder auf meine Freundin, meine Verlobte.
Liz lässt ihre Hand los und weist und zum Tisch.
Ich spüre ihr liebevolle Berührung durch meinen dunkelblauen Anzug an meinem Rücken und erinnere mich an die Wochen und Monate, in denen ich meine Mutter alleine in unserem kalten Haus zurückgelassen habe, um meine Trauer mit Liz und ihrem Mann zu teilen. Und nicht mit ihr, die ebenfalls trauerte.

Ich habe meine Mutter in der dunkelsten Stunde alleine gelassen und das werde ich mir nie verzeihen.
Mit langen Schritten durchqueren wir das Wohnzimmer und treten um die Ecke zum Essbereich. Jetzt erfassen meine Augen den gesamten Tisch und alle Gäste, die bereits vor uns eingetroffen sind.
Und Mica. Er sitzt in der Fensterecke am Ende des Tisches.
Um seine Schultern schmiegt sich ein schwarzes, beinahe durchsichtiges Hemd.

Ich kann es nicht verhindern; meine Augen suchen nach seinen Nippeln, aber er scheint ein Shirt unter diesem verdammten Hemd zu tragen.
Sein bloßer Anblick bereitet mir Kopfschmerzen.
Seine braunen Haare fallen in sanften Wellen um seinen Kopf und berühren bei einzelnen Bewegungen seine perfekten Wangenknochen.

Ich kann seine Hände nicht sehen, sie liegen auf seinem Schoß unter dem Tisch.
Mica lacht. Seine Augen verkleinern sich und er legt den Kopf schief. Er lacht ein Lachen, von dem ich ausgegangen bin  - von dem ich glauben wollte - dass er es einzig und allein mir schenkt.
Er ist nicht allein.

Neben seiner großen Statur sitzt ein schmächtiger Junge mit pechschwarzen Haaren, schmalen Lippen und Sommersprossen.
Die Schmerzen in meinem Kopf breiten sich über meinen gesamten Körper aus, als ich realisiere, dass das Micas Tiffany ist. Mit dem riesen Unterschied, dass er einen Schwanz hat und Mica den Mut, den ich niemals aufbringen kann.
Es zerreißt mich.

Liz deutet auf zwei freie Plätze und Tiffany und ich setzten uns. Ich bin dankbar, als ich das massive Holz unter mir spüre, weil ich mir eben nicht sicher war, wie lange mich meine Beine noch tragen würden.
Meine Verlobte grüßt in die Runde, ich bleibe wie versteinert sitzen.
Ich habe mit allem gerechnet. Nur nicht hiermit.
Ich habe nicht damit gerechnet Mica glücklich zusehen. Mit einem anderen.
Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass er so wenig für mich empfindet.

Ich dachte ... ja, was habe ich gedacht?
Dass ich mein Leben mit Tiffany wie in einer perfekt inszenierten Filmszene lebe, während Mica ein trauriges, von Regenwolken verhangenes Leben führt, für immer allein und mit den Gedanken bei mir?
Ich schüttele mit dem Kopf und zwinge meinen Blick auf Tiffanys Gesicht.

Sie ist wunderschön. Aber nichts an ihr kann auch nur den Vergleich zu Micas glatter, ebenmäßiger Haut, den scharfen Konturen seiner Knochen und den blauen Augen bieten.
Den blauen Augen, in denen gerade ein Fremder versinkt.

Ich balle meine Fäuste unter dem Tisch und wäre am liebsten aufgesprungen, um diesen Bastard vor die Tür zu werfen. Er hat es nicht verdient sich in unseren Kreisen aufzuhalten.
Er gehörte hier nicht her. Er verdient Liz' Gastfreundschaft nicht.

Oder bin ich derjenige, der ihre Gastfreundschaft nicht verdient? Immerhin gönne ich ihrem Sohn nicht das Glück, das er anscheinend gefunden hat.
Tiffanys kleine Hand fällt auf meinen Unterarm und sie schenkt mir ein Lächeln.

Ich erwidere es. Verlogen, heuchlerisch und hinterhältig. Ich lüge ihr ins Gesicht, indem ich ihr zu verstehen gebe, dass ich glücklich bin hier zu sein. Mit ihr.
Dass ich nicht viel lieber am Ende des Tisches in der Fensterecke neben dem Jungen sitzen würde, der mein Herz gestohlen hat.

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Song: Losing your Memory - Ryan Star

Badabuummm xD
Ganz ehrlich ... Ich liebe es in Bradyns P.O.V. zu schreiben hehe
Jetzt lernt ihr auch endlich mal seine Gedanken kennen ;P

Btw, ich bin ziemlich stolz auf meinen Vergleich mit den Schneeengeln hrhr :)

Ich heimwerke heute den ganzen Tag (außer natürlich die Stunde, in der ich das hier geschrieben habe xD)
Es gibt ja immer was zu tun (Hornbach.) (Der Moment, wenn dir Werbesprüche wieder die deutsche Sprache verderben)

Wann war eigentlich das letzte Mal, dass ihr einen Schneeengel gemacht habt?
Ich glaube bei mir so ... 2014?! Zu lange her auf jeden Fall!

Love,
Lisa xoxo

magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt