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Normalerweise würde mich Emils Hand im unteren Bereich meines Bauchnabels verrückt machen und wir würden innerhalb einer Minute keine Kleidung mehr tragen - normalerweise.
Normalerweise würden wir auch nicht unter dem Dach meiner Eltern, in meinem alten Jugendbett in Schenectady liegen!
Mit dem Jungen meines Verlangens nur ein paar Fahrminuten entfernt.

"Emil, ich bin müde", murmle ich in die Kissen und mache den Versuch mich umzudrehen, ihm den Rücken zu zeigen.
Ich hasse mich für meine Abweisung und weil ich weiß, wie sehr ich ihn damit verletzen muss.
Aber Emil wäre nicht Emil, wenn er mich so einfach von der Angel lassen würde. Er kennt mich zu gut, zu lange.

"Mica, zieh den Stock aus deinem Arsch und sieh ich an!"
Die tiefe Falte auf meiner Stirn lockert sich, während ich lache und mich zurück auf den Rücken drehe.
Abwartend sehe ich den jungen Mann an, der alles mit mir durchgemacht hat. Von Selbstzweifeln, bis hin zu schrecklichem Heimweh und der drohenden Pleite vor vier Jahren.

Wir haben eine lange Vergangenheit, ein viel längere als ich und Bradyn sie teilen.
Und dennoch ist es beinahe so, als ob Bradyn und ich gar keine gemeinsame Vergangenheit brauchten, um uns zu einhundert Prozent in der Gegenwart zu begegnen, mit allem, was wir zu bieten hatten - jedenfalls, wenn er sich dazu durchringen konnte, mir in die Augen zu sehen, ohne Ekel zu empfinden.

Bradyn. Allein sein Name kriecht durch jede meine Adern und will mich zwingen etwas Dummes zu tun.
Nämlich Emil von mir zu schieben, ihm alles zu gestehen und vor Bradnys Tür zu enden.
Emils schwarzes Haar fällt seitlich über sein Gesicht, als er den Kopf schief legt und mich mustert. Wie kann ich es wagen, ihn anzublicken und an einen anderen zu denken?

"Was ist los?"
Seine Stimme ist nicht mehr schrill und laut und ich genieße die Ruhepause, die meinem Kopf vergönnt wird.
"Nichts. Nur müde."
Ein Schlag gegen meine Brust lässt mich auflachen.
"Ich sage die Wahrheit."

"Du lügst, Mic. Ich habe doch eure Blicke da unten bemerkt. Deine Familie ... sie ist ..."
Er setzt sich auf und versucht, die richtigen Worte zu finden.
"Ganz schrecklich! Sie ist so erdrückend und ... die Art und Weise, wie sie mich beäugt haben! Noch die hat dieses Wort so gut gepasst, wie jetzt. Du verschweigst mir etwas und ich glaube, ich weiß, was es ist. Ich will dir nur die Chance geben, es mir ins Gesicht zu sagen."

Ich weiß, worauf er hinaus will.
Meine Augen fahren über seinen nackten Oberkörper, runter über seine flache Brust und seine Rippen, die blass aus seiner Haut hervorstechen, bis zu der Spur auf feinen, schwarzen Haaren, die unter der Bettdecke verschwinden.
Aber in diesem Moment driften meine Gedanken ab und ich gestehe beinahe das Wochenende in New York, von dem er durch magische Kräfte erfahren haben könnte.

"Was glaubst du denn, was ich dir verschweige?"
Natürlich weiß ich, dass Emil bemerkt hat, dass meine Familie nicht von ihm wusste. Und auch nicht von mir.
Ich bin anders hier. Emil kennt mich über Jahre. Er bemerkt meine gespielte Rolle in diesem Haushalt.

"Ich weiß, wir haben nie einen offiziellen Titel über diese Beziehung gesetzt ... Aber ich hätte wenigstens damit gerechnet, dass du ehrlich zu mir bist, was deine Familie betrifft."
Ich fahre durch meine Haare und ziehe an ihnen. Der süße Schmerz vertreibt für einen kuren Moment den Schmerz hinter meinen Augen.

"Was sind wir überhaupt, Emil? Wie würdest du das hier bezeichnen? Sind wir ein Paar?"
Emil schweigt eine lange Weile.
"Ich möchte uns nicht definieren. Aber nein, ich glaube, eine richtige Beziehung, Freund und Freund, sind wir nicht. Wir sind anders Mica. Hierfür gibt es kein Wort. Und ich möchte nicht, dass du versuchst eins zu finden."

Frustriert sehe ich ihn an.
Seine Haare werden eins mit meiner Decke und den tiefschwarzen Schatten, die darüber tanzen.
"Ich habe dich jedenfalls, als meinen Freund angekündigt."
Emil seufzt tief.

"Ich weiß, ich habe es verkackt! Ich wollte auch gar nicht -"
Ich unterbreche mich mitten im Satz, erstarre. In der naiven Hoffnung, dass er sich nicht zusammenreimen kann, was ich sagen wollte.
Aber natürlich kann er das.
"Das ich herkomme? Warum bin ich dann hier?! Denn diese Shitshow hätte ich mir gerne gespart, Mica!"

Ich strecke die Hand aus und flehe ihn mit meinen Augen an, ruhig zu bleiben.
"Du bist so anderes, Mic. Ich sehe dir das doch an. Warum redest du plötzlich nicht mehr mit mir? Habe ich etwas falsch gemacht?"
Ein Zittern schwingt in seiner dünnen Stimme mit.
"Nein! Gott, nein. Ich bin derjenige, der alles an die Wand gefahren hat. Es tut mir leid. Hier geht es um mich, meine Familie und mein Versagen. Dich trifft keinerlei Schuld. Wenn du abreisen willst, bringe ich dich gerne morgen früh zum Bahnhof."

"Und setzt mich in einen Zug zum Flughafen, damit ich den ganzen Weihnachtstag mit Reisen verbringen kann?"
Im Halbdunkel kann ich seine blauen Augen blitzen sehen.
"Ich glaube, du solltest jetzt schlafen, Mica", haucht er.
Seine zarte Hand verlässt meinen Körper und nun ist er es, der mir den Rücken zu wendet.

Das habe ich ja toll hinbekommen!
Ich habe meine Familie überrumpelt. Meine Mutter ist beleidigt, mein Vater will nicht mal mehr mit mir reden.
Bradyn will nichts mehr mit mir zu tun haben und hat mir alles genommen - ein ganzes Universum hat er meinen Händen entrissen. Ein Universum, das er mir innerhalb weniger Tage zu Füßen gelegt hat.
Und jetzt habe ich auch noch den einzigen Menschen verletzt, der mich je vor anderen verteidigen würde.

Mein Kopf rollt zur Seite und ich betrachte Emils schmalen Rücken. Seine Haut glimmt fast wie Silber im Dunkel meines Zimmers.
Beinahe strecke ich meine Hand aus, um ihn zu berühren, um ihm zu sagen, wie leid es mir tut, um ihm zu zeigen, dass ich ihn liebe, irgendwo tief in mir.
Doch Emil hat recht; ich sollte jetzt schlafen.

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Song: 102 (Acoustic) - The 1975

Good day everybody ♡
I hope u enjoyed this Emica chaperter :)
Morgen wird dann auch mal in dieser Geschichte Weihnachten sein xD!

Wie würdet ihr euch einem Langzeit-Partner gegenüber verhalten, wenn ihr ihn oder sie betrogen hättet?
Gehen wir jetzt einfach mal davon aus, dass das passiert wäre, auch wenn ihr vielleicht nicht der Typ dafür seid.

Es schneit immer noch bei uns, aber nichts bleibt liegen xD
Nur ein winziges bisschen auf den Dächern...

Btw 4k WOOOOOPPPPP <3!!!!!!

Sending u snowy love,
Lisa xoxo




magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt