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Es ist Freitagabend und wir sitzen gemeinsam in Bradyns Wagen. Auf dem Weg nach New York City.
Meine Hände haben vor ungefähr einer Stunde aufgehört zu schwitzen. Jetzt bin ich im Nachhinein doch irgendwie ganz froh, dass ich nicht fahren muss, obwohl ich erst darauf bestanden habe.

Doch Bradyn traute mir in meinem großen Auto nicht über den Weg.
Er selbst fährt einen Jeep und auf meine Konfrontation hin, sagte er nur: "Ja, aber du hinter dem Steuer von einem SUV ... das passt einfach nicht."
Ich erstickte danach fast an meinen Argumenten, bis Bradyn nach meiner Hand griff und sie nach allen Seiten wendete.
"Sie sind so zart."

Seitdem versinke ich mit einem Grinsen auf den Lippen in meinem Sitz und versuche meine Aufmerksamkeit auf die Landschaft vor den Fenstern zu richten. Und nicht auf den Fakt, dass Bradyn neben mir sitzt.
Meine Hände sind also zart. Ich drehe den Kopf zur Seite und grinse in mich hinein.
Irgendwie fühlt sich das hier wie etwas Verbotenes an. Etwas verruchtes liegt in der Luft, dabei machten wir nur einen Ausflug.

Aber wir kennen uns eigentlich gar nicht mehr. Eigentlich haben wir uns nur ein paar Mal unterhalten.
Doch Bradyn kam mir heute Morgen gerade recht. Ich glaube, ich wäre sogar zu einem Fremden ins Auto gestiegen, um nicht beim Adventsvorlesen dabei sein zu müssen.
Meine Mutter muss verstehen, dass ein 24-jähriger, junger Mann kein Rentier spielt. Jedenfalls nicht, wenn es sich bei diesem jungen Mann um mich handelt.

Bradyn ist still geworden und ich werfe ihm einen prüfenden Blick zu, um zu sehen, ob noch alles in Ordnung ist oder ob er es sich anderes überlegt hat und dieses Unternehmen bereits als einen Fehler empfindet.
Aber Bradyns grüne Augen sind auf die dunkle Straße gerichtet. Ruhig schaut er ab und an an den Straßenrand ober in den Rückspiegel.
Er ist einer dieser Fahrer, bei dem man auf dem Beifahrersitz einfach die Augen schließt und seinen lauten Gedanken nachhängt, weil man weiß, dass man ihm vertrauen kann.

Am liebsten würde ich dies jetzt auch tun, aber ich habe Angst, die Chance auf ein Gespräch zu verpassen oder mich zu blamieren, wenn ich die Kontrolle über meinen Körper verliere.
Ich verschränke die Arme vor der Brust und kuschele mich weiter in meinen Sitz.
Nach fast zwei Stunden Fahrt befinden wir uns auf der Höhe von Newburgh und fahren entlang des Hudson Rivers. Bei der Dunkelheit kann man allerdings nicht viel erkennen.

Aber die wenigen Lichter, die von Zeit zu Zeit an den Ufern auftauchen, spiegeln sich auf magische Weise auf der stillen Wasseroberfläche. Goldene Säulen, die sich Unterwasser verlieren.
Bradyn fährt extra am Fluss entlang, obwohl die Route länger dauern wird.
Merkwürdigerweise habe ich gar nichts gegen den Gedanken, noch ein paar weitere Stunden mit Bradyn im Auto zu verbringen.

"Willst du wirklich nur mit mir nach New York fahren, um Schneeengel zu machen?", durchbreche ich die Stille nach ewigem Ringen mit mir selbst.
Bradyn wirft mir einen kurzen Blick zu. Ein merkwürdiges Grinsen im Gesicht.

Wäre das hier irgendein anderer Typ, wäre ich viel selbstbewusster. Aber Bradyn ... Bradyn kann ich nicht einschätzen und ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
"Oder war das etwa nur ein Vorwand, ein paar Geschenke zu kaufen?", schiebe ich hinterher.
Das Lächeln in Bradyns grünen Augen erstirbt ein wenig.

"Wir werden sehen, was passiert."
Er lehnt sich zurück und legt eine Hand in seinen Schoß.
Wäre er doch nur irgendein Typ, den ich nicht kenne ...

Ich seufze und beobachte die goldenen Streifen aus Licht, die alle paar Sekunden über seine markanten Kieferknochen huschen.
"Starr mich nicht so an."
"Oh, ich starre nicht. Starren sieht bei mir ganz anders aus."
Ich lasse mich nicht beirren und zwinge mich dazu, meinen Blick auf seinem Profil zu halten.

"Ich weiß. Trotzdem lenkt es mich ab."
"Ich lenke dich ab?!"
Hitze breitet sich in meinem Körper aus.
Bradyn wirft mir einen weiteren Blick zu. Dieses Mal ist der spielerische Ausdruck aus seinen Augen verschwunden.

Verlegen breche ich den Blickkontakt ab.
Die Landschaft um uns herum verändert sich. Industriegebiete weichen den ersten Hochhäusern und plötzlich überfahren wir die unsichtbare Grenze nach New York City.
Bunte Lichter blinken von allen Seiten ins Auto und tauschen unsere Sitze in Grün und Rot.

Die nasse Straße vor uns blenden meine Augen.
Trotz der späten Stunde sind noch viele Menschen unterwegs. Was erwarte ich? Es ist New York!
"Ich glaube, es ist über vier Jahre her, dass ich hier war", sage ich andächtig, während ich vorrutsche und durch die Windschutzscheibe in den Himmel blicke.

Gebäude aus Glas und Stahl scheinen über uns den Himmel zu küssen.
Ich beobachte eine junge Frau, die über einen Schneehaufen springt und angeregt in ihr Handy spricht.
Die Energie und Geschwindigkeit der Stadt trifft mich Frontal.

Wie muss diese Erfahrung erst für Jo und Bill gewesen sein?
Sicher vor einigen Jahrzehnten sah New York noch ganz anderes aus, aber es war schon immer der Mittelpunkt des Lebens.
"Pass auf, sonst fallen dir noch die Augen aus dem Kopf", grummelt Bradyn.
Ich greife über die Mittelkonsole und versetze ihm einen leichten Stoß.

An einer Ampelkreuzung verliere ich mich kurz in den Augen meines Begleiters.
Ohne es zu bemerken, lehne ich mich ein Stück zu Bradyn. Er blinzelt. Dann drückt er wieder auf das Gaspedal.
Es schneit nicht mehr, aber das Licht der Straßen ist so einzigartig, dass es keinen Schnee braucht, um die Vorweihnachtszeit in jeder Zelle zu spüren.

"Warum bist du denn eigentlich so bedingungslos mitgekommen, Kali-Boy?"
Ohne Bradyn anzusehen, sage ich schlicht: "So ein Angebot hätte selbst ich nicht abgelehnt."
Die zufriedene Stille, die sich daraufhin ausbreitet, sagt mehr als tausend Worte.

Ein Taxi schneidet uns den Weg ab, Bradyn flucht, ich lache.
Und Schenectady und alle meine Probleme scheinen plötzlich so unendlich weit weg zu sein. Und da weiß ich genau, was Jo und Bill empfunden haben, als sie zum ersten Mal unsere kleine Stadt verlassen haben.

Wir sind nicht mehr Mica und Bradyn.
Wir sind einfach nur zwei junge Männer in New York. Und New York liegt uns zu Füßen.

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Song: Rudolph - Robbie Williams

Wieder so ein Tag, an dem ich viel zu wenig Zeit habe xD
Freunde! In einer Woche ist X-Mas!!! wtf

Ich hoffe, ihr genießt den Lockdown. (ha.ha. humor)

Wollt auch ihr Silvester dieses Jahr verschlafen?

Sending u my love!
Lisa xoxo

magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt