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P.O.V. Bradyn

Meine Knie sind merkwürdig weich, als ich die Tür zu Amandas Haus anlehne.
Mit zitterndem Daumen nehme ich den Anruf meiner Mutter entgegen.
"Mom. Ich habe so lange versucht, dich zu erreichen!"
Meine Stimme klingt keineswegs vorwurfsvoll, in ihr schwingt Erleichterung, endlich ihre Stimme zu hören.

"Hallo, Bradyn."
Ich trete auf den verbrannten Rasen des Vorgartens. Ein Stück rotes Plastik sticht mir ins Auge. Die Farbe ist so grelle und frisch. Sie passt nicht in den toten Garten.
"Ich ... es tut mir leid, dass ich nicht rangegangen bin."
Meine Lippen teilen sich, bereit zu sagen, dass es okay ist. Aber das wäre gelogen. Es war nicht okay von ihr, mich so lange zu ignorieren.

"Als ich aus Schenectady aufgebrochen bin, dachte ich eigentlich, dass du die Absage verstehst. Ich war nicht glücklich, ich -"
"Du meinst, als du aus Schenectady weggelaufen bist, wie ein kleines Kind?"
Ich schlucke.

In meiner Brust macht sich das altbekannte Gefühl breit, zu ersticken und nichts dagegen tun zu können. Ich will nicht, dass diese Sache unser Verhältnis kaputt macht. Ich wollte das doch alles nicht!
Ich atme zitternd ein und wünsche mir Mica neben mich, damit er mir Halt geben kann. Ich fühle mich so allein hier draußen vor dem kleinen Bungalow mit der abblätternden Farbe.

"Es gibt einen Grund. Versteh doch, Mom, ich meinte das doch alles nicht böse. Ich musste dich mit den Neuigkeiten überrumpeln, sonst hätte ich es dir nie gesagt. Du weißt doch, wie schwer es mir fällt ... "
Die Leitung knackt, ich beende den Satz nicht. Die Worte fehlen schon wieder. Ich überlege, wie spät es jetzt bei ihr sein muss. Kann sie nicht schlafen? Macht sie sich doch Sorgen um mich?
Oder versucht sie mich dazu zu überreden, zurückzukommen, so wie es Micas Familie versucht?

"Und ich glaube, ich kenne den Grund. Die Verlobte von Micas Bruder war hier."
Mein Blut gefriert in den Adern.
Ich habe ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ich keine Frauen lieben kann, dass ich nicht am weiblichen Geschlecht interessiert bin - ohne dies in direkte Wort zu fassen.
Doch ich habe Mica nicht erwähnt. Sie weiß nichts von ihm - wusste.

"Sie hat es nicht deutlich gesagt, aber angedeutet. Und ich weiß Bescheid."
Nach einer weiteren Pause, in der ich mir die Hand auf den Mund presse, fügt sie hinzu: "Bradyn. Liz und ich sind Freundinnen. Wir reden über unsere Kinder. Ich weiß von dir und Mica. Wieso hast du mir nie etwas gesagt?"
Ihre Frage hat einen schneidenden, tief enttäuschten Ton.

Warum enttäusche ich immer wieder die Menschen, die ich liebe? Warum bin ich nicht dazu in der Lage, ihnen gut zu tun?
"Deswegen habe ich dich doch angerufen, ich wollte -"
"Ich meine persönlich! Ich meine, warum hast du es mir nicht ins Gesicht gesagt, als du noch hier warst?"
Ihre Stimme zittert und ich höre die Tränen in ihr.

"Ich wollte sicher sein, dass es Mica noch gibt, nachdem ich das mit der Hochzeit so verzettelt habe. Aber er und ich, das ging nicht so lange. Wir waren nie ... ein Ding."
"Seit Dezember. Ich glaube, das ist ein ganz schön lange Zeit."
Meine Mutter schnieft.

"Nein. So lange ging das nicht. Es war nur New York, danach hat er mich abserviert."
Ich kneife die Augen zusammen, gleich nachdem das vermeidliche Wort über meine Lippen kommt. Wieso konnte ich dieses Gespräch nicht auch mit Amanda üben?!
"Er wusste nichts von der Hochzeit, als wir nach New York sind. Und ich bin hier erst wieder im Mai aufgetaucht", versuche ich verzweifelt, meine Aussage zu verbessern.

"Dein sogenannter Urlaub von uns", schnaubt Mom. "Ich bin wirklich enttäuscht von euch beiden."
"Mica wusste nichts! Ich habe das verbockt. Ich habe gesagt, dass ich die Hochzeit schon längst gecancelt habe, als ich hier aufgekreuzt bin."
Zitternd atmet die Frau am anderen Ende ein.
"Es tut mir leid, Mom."

Die verwilderten Blumenbeete verschwimmen vor meinen Augen. In meinem Kopf herrscht ein Sturm, den ich nicht bändigen kann. Mir schweben Sätze vor, die Sinn ergeben, gut klingen, Inhalt haben. Aber ich kann sie nicht aussprechen. Sie verschwinden zwischen dicken, grauen Wolken, bevor ich sie greifen kann.

"Nein. Nein, Bradyn. Ich dachte wirklich, ich hätte dich besser erzogen. Ich ... ich erkenne meinen eigenen Sohn nicht mehr."
Jetzt schluchzt sie und in mir zieht sich etwas zusammen, von dem ich dachte, das ich es vor langer Zeit verloren habe.

"Nicht", wispere ich und kneife meine Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger.
"Was soll ich sagen? Du bist alles, was mir noch geblieben ist und das weißt du. Und da kommst du in die Küche gestürmt und verkündest mir, dass du die Hochzeit absagst, nicht weißt, wie es weitergehen soll, nur, dass du weißt, dass du so nicht weitermachen kannst. Und du erwartest von mir, dass ich das einfach so hinnehme."

Den letzten Satz flüstert sie kraftlos in ihren Telefonhörer.
"Deswegen rufe ich dich auch zurück. Um dir zu sagen, dass ich dich nicht verstehe. Wieso hast du mich angelogen? Jahre lang - ja ... wie lange überhaupt?"
Ich beantworte diese Frage nicht und fahre über meinen verschwitzen Nacken.

"Doch das Allerschlimmste für mich war, als du einfach wieder abgehauen bist. Du stellst mich vor vollendete Tatsachen und anstatt mit mir nach Lösungen zu suchen, finde ich am nächsten Morgen einen Zettel auf dem Küchentisch. Einen Zettel. Konntest du mir nicht mal mehr ins Gesicht sagen, dass du wieder wegfahren würdest und uns mit dem ganzen Chaos hier allein lässt?"

Es gibt keine Lösungen. Ich hebe das Handy etwas von meinem roten Ohr ab. Ich ertrage es einfach nicht mehr ihre Stimme so nah und laut zu hören. Wieso habe ich nicht besser überlegt, bevor ich wieder zu Mica gefahren bin? Wieso war er mir wichtiger, als die Beziehung zu dem Menschen, der mir auf der Welt geblieben ist? Mica ist nicht sicher für immer bei mir. Aber meine Mom sollte es sein. Sie sollte es. Doch nachdem was ich getan habe, den Schaden, den ich angerichtet habe ... könnte ich verstehen, wenn sie mich nie wieder sehen will.

"Ich kenne meinen eigenen Sohn nicht", wiederholt sie.

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Song: Till Forever Falls Apart - Ashe & Finneas

Halli Hallo, Madynie-Mama an Madynies :)

Ich habe heute wieder bis 17.00 Uhr an Mathe gesessen. Ich checks einfach wenig bis gar nicht xD aber ZUM GLÜCK hatte ich ein Reserve-Kapi ufff

Unser lieber Bradyn hat sich leider mit einer Lüge nach der anderen immer tiefer ins Unglück geritten... well

Morgen kriegt ihr dann Teil 2 des Gesprächs :) könnte ihr Barbaras Standpunkt nachvollziehen? Findet ihr, dass sie überreagiert?

All my Love,

Lisa xoxo

magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt