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In meinem Zimmer ist es düster und kalt.
Ich will hier nicht sein.
Ich will raus.
Aber dennoch setze ich mein Gepäck vorsichtig auf den Boden.

Von unten höre ich meinen Vater und meine Mutter leise reden.
Sicherlich zerreißen sie sich gerade das Maul, über ihren instabilen Sohn.
Erschöpft sinke ich auf das Bett. Bradyns Geist schwebt über dem Raum.

Wie naiv kann man eigentlich sein?
Habe ich wirklich Hoffnung auf das Unmögliche gehegt?
Bradyn hat sich nicht verändert. Er ist einfach nur weit weggefahren, mit mir, - dem Jungen, der dumm genug erschien -, an einen anonymen Ort, wo uns niemand kannte.

Er hat sich hingegeben, ausprobiert. Auf Kosten anderer. Auf meine Kosten.
Anstelle von Schmerz ist da Taubheit in mir. Ich fühle nichts mehr.
Ich sitze unter einer Glocke aus dichtem Nebel, der mich gegen alles abschirmt.

Meine Mutter ruft zum Essen.
Wie lagen habe ich hier so gesessen? In Winterjacke und mit meinen Schuhen an den Füßen. Unter mir hat sich eine Pfütze gebildet.
Der Schnee hat sich aufgelöst, genau wie meine Gefühle.
Wie im Tiefschlaf erhebe ich mich und gehe die Treppe herunter.

Im Flur begegnet mir Laura.
Ihr blonden Locken liegen perfekt gekämmt über ihrer rechten Schulter.
Sie lächelt mich an.
"Da ist er ja wieder, unser New Yorker. Hattest du Spaß?"

Ich weiß, dass sie es in ihrer Naivität nur nett meint, doch ich kann ihr nicht mehr entgegenbringen, als ein Zähnefletschen.
"Sag meine Mutter, dass ich heute nicht zum Essen komme."
Mit diesen Worten verschwinde ich.

Ich steige in meinen Wagen und starte den Motor.
Kein weiterer Blick wird damit verschwendet zum Haus zu schauen. Ich blicke auf die Straße vor mir und schlage den einzigen Weg ein, an den ich mich erinnere.
Ich fahre zu Jo.

Eigentlich müsste ich zurück nach Kalifornien fahren. Das weiß ich.
Aber ich parke vor Jos Haus.
Was, wenn er nicht da ist? Was, wenn mich der einzige Mensch in dieser verdammten Stadt alleine gelassen hat?

Ein Blick ins Wohnzimmerfenster verrät mir, dass er Zuhause ist.
Sein Fernseher flimmert am anderen Ende des Raumes.
Ich klopfe an die Tür. Tränen brennen in meinen Augen, doch ich wische sie schnell beiseite.

Erstaunen steht in Jos faltigem Gesicht geschrieben, als er mich empfängt und hereinbittet.
"Es tut mir leid, wenn ich Sie überfalle. Ich bin nur gerade aus New York zurückgekommen und -"
"Aus New York? Was hast du denn in New York verloren?"
Jo kratz sich am Rücken und beobachtet mich dabei, wie ich mich meiner Schuhe und Jacke entledige.

"Ich ... Bradyn hat mich eingeladen."
Ein Schatten tanzt über Jos Züge. Dann fasst er sich und nickt langsam.
"Ich verstehe. Tee?"
"Gerne."

Das grüne Sofa umfängt mich mit Wärme und Vertrautheit. Ich lehne mich zurück in die alten Polster und atme tief durch.
Zum ersten Mal seit Stunden scheint der Sauerstoff jeden Zentimeter meiner Lungen auszufüllen.
Erleichtert sacken meine Schultern zusammen.

"Du siehst nicht gerade so aus, als ob du wahnsinnig viel Spaß in New York hattest", deutet der Alte mit trüber Stimme an.
"Doch. In New York war alles wunderbar. Bradyn und ich ... wir sind uns näher gekommen."

Ich lasse meinen Kopf sinken und spreche aus, was ich schon die ganze Zeit über denke: "Aber ich bin ein Idiot gewesen, dafür dass ich nur eine Sekunde geglaubt habe, er würde sich ändern. Vor meinem Elternhaus hat er mich von sich gestoßen und mir ins Gesicht gespuckt, dass das mit uns nicht geht! Er hat mich wie Dreck von sich geschubst - wie früher."

Als ich aufsehe, nehme ich Jo nur noch verschwommen wahr.
Ich nippe an meinem Tee und versuche wieder zu atmen.
"Weißt du, Junge ... manche Menschen ... wie dein Bradyn zum Beispiel -"
"Er ist nicht mein Bradyn", fauche ich.

magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt