-77-

1.3K 127 61
                                    

P.O.V. Bradyn

Ich kann meinen eigenen Herzschlag hören. So leise ist es, seitdem Mica gegangen ist.
Ich presse meine Finger auf meine schmerzenden Schläfen. Die Stelle, an der Micas Faust mich gestreift hat pulsiert.
Aber der Schmerz erinnert mich an ihn. Und daran, wie sehr ich ihn verletzt haben muss.

Warum kann ich nicht einmal im Leben etwas durchziehen?
Ich hätte am Tag, an dem ich in den Park ging, Tiffany anrufen sollen, anstatt mich einfach nur auf einer Bank niederzulassen und die Spaziergänger zu beobachten.
Doch jetzt texte ich ihr alle paar Tage und berichte von einer tollen Männerzeit und alten Geschichten aus Collage-Tagen.

Und im Gegenzug wird mir von meiner Verlobten geschildert, wie weit sie ihre Planungen schon in die Tat umgesetzt hat.
Und mit jedem kleinen Detail, über das ich in Kenntnis gesetzt werde, schrumpft mein Mut und ich verkrieche mich.
Tiffany und meine Mom sind ein tolles Team. Sie sorgen dafür, dass Tiffany ihren besonderen Tag verleben kann.

Ich bücke mich und hebe den Stuhl auf, den ich umgestoßen habe.
Er ist so klein und wackelig. Behutsam stelle ich ihn an seinen Platz zurück.
Dieser Stuhl hat ein Platz in Micas Heim.
Ich blicke mich in der kleinen Küche um und habe das Gefühl zu ersticken.
Für mich ist hier kein Platz.

Ich mache alles immer nur noch schlimmer für Mica.
Ich liebe ihn. Auch, wenn ich diese Worte noch nie ausgesprochen habe.
Aber ich tue ihm nicht gut.
Er tut mir nicht gut. Er verführt mich. Wenn ich ihn sehe, kann ich nicht an mich halten.

Wegen Mica bin ich durch das ganze Land gefahren und habe vor der Abfahrt das kleine Passbild von Tiffany, das ich sonst immer in der Brieftasche bei mir trage, im Handschuhfach versteckt.
Ein Passbild von Mica. Das ist es, was ich eigentlich mit mir herumtragen will.
Aber das geht nicht. Die Illusion, dass Mica und ich funktionieren würden ... sie ist vor ein paar Minuten endgültig geplatzt.

Ich denke an die Fotos, die Mica und ich im Nationalpark gemacht haben.
Fast kann ich seine Hände um meine Taille nachempfinden und die Art und Weise, wie er sich an mir festgeklammert hat, als wir an die Kante der Aussichtsplattform getreten sind.

Ich reiße meinen Blick von dem kleinen Stuhl los.
Ich habe Mica vielleicht verloren. Aber Tiffany noch nicht. Und sie verdient es glücklich zu werden.
Sie war ja sogar dankbar, als ich mich abgemeldet habe und sagte ich fahre zu einem Freund.

Bilder tauchen vor meinem inneren Auge auf: Tiffany, die sich auf die Zehenspitzen stellt und mir einen süßen Kuss auf die Lippen drückt, sich für mich freut, dass ich einen Schulfreund besuche und ihr bei den letzten Vorbereitungen nicht im Weg stehe. Ihre Stimme erklingt. Sie wünscht mir viel Spaß und drückt meine Hand zärtlich.
Und jetzt sitze ich hier. Ich habe sie betrogen. Und ich bereue es nicht, weil es sich richtig angefühlt hat und sie sich falsch.

Jeder meiner Wege führte zu Mica. Schon immer.
Doch jetzt ist er vor mir geflohen.
Die Enttäuschung in seinen Augen ist so viel schlimmer gewesen, als die sonstige.
Dieses Mal habe ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt.

Ich schlage meinen Händen gegen den Kopf und fluche.
Wenn ich ihm nur gesagt hätte, dass ich Zeit brauche, dass ich Angst habe, dass ich kein Wort über die Lippen bekomme, sobald ich Tiffany oder meine Mutter am Hörer habe ... er hätte es verstanden.
Denn für kurze Zeit hat Mica verstanden, dass ich seinetwegen zurückgekommen bin, weil ich ohne ihn nicht kann.
Und nicht meinetwegen, weil ich ein Abenteuer suchte.

Nein, ich bin hierhergekommen, weil ich mich für Mica entschieden habe.
Und jetzt ist es zu spät.
Eine einzelne Träne rollt über meine Wange. Verbittert wische ich sie mir weg.
Ich bin eine Enttäuschung. Eine einzige, große Enttäuschung. Niemand wird mich je wirklich lieben können. An mir gibt es einfach nichts liebenswertes. Ich verbocke alles.

Ich frage mich, wo Mica jetzt gerade ist.
Ohne es wirklich zu bemerken, laufe ich ins Schlafzimmer.
Wie ferngesteuert gehe ich zum Schrank und tue das einzig Richtige. Ich beginne meine Kleidung herauszuziehen.

Erst jetzt fällt mir auf das ich immer noch Micas Schlafshirt trage.
Ich halte die Luft an und ziehe es über meinen Kopf. Ich will ihn nicht noch bestehlen.
Mit zitternden Händen ziehe ich meinen Koffer unter dem Bett hervor.
Das hier fühlt sich falsch an.

Ich bestätige allen, dass ich ein Feigling bin. Dass ich weglaufe, sobald es kompliziert wird.
Aber ich kann nicht anders. Ich schäme und hasse mich.
Das Bett ist ungemacht. Man kann ganz deutlich die Stellen erkennen auf denen Mica und ich heute Morgen noch zusammen gelegen haben.

Mica hatte seinen Kopf auf meinen Bauch gebettet und seine Haare sind in sanften Wellen über meine Haut gefallen.
Ich bin vor ihm aufgewacht und habe ihn beim Schlafen beobachtet, jede kleine Sommersprosse auf seinen schmalen Schultern betrachtet.

Hätte ich gewusst, dass es das letzte Mal gewesen ist, hätte ich mir alles viel besser eingeprägt.
"Nein", stoße ich atemlos aus.

_________________________
Song: Ghost of You - 5 Seconds of Summer

Böser Cut - ich weiß! Aber den Rest des Briefes werdet ihr erst Morgen erfahren. Dafür verspreche ich euch ein früheres Update!

Your british girl says byeeee, luv y'all!

Lisa xoxo

magical boy✨[boyxboy] ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt